Die CDU und ihr Grundsatzprogramm

und 70 Seiten hat das kommende Grundsatzprogramm der CDU Deutschland. CDU-Mitglieder aus Darmstadt und dem Kreis diskutierten das Papier im Justus-Liebig-Haus mit Serap Güler von der Programmkommission.

Etwas sehr seltenes fand am Dienstag im Justus-Liebig-Haus statt. CDU-Mitglieder aus Darmstadt und dem Landkreis diskutierten über das kommende Grundsatzprogramm ihrer Bundespartei. Selten, weil es erst das vierte Grundsatzprogramm der CDU Deutschland sein wird. Bis 1978 hatte die CDU gar kein echtes Grundsatzprogramm, das aktuelle ist von 2007. Warum das so ist, darauf gab es in einem Diskussionsbeitrag einen Hinweis: „Wir haben keine Ideologie“, sagte ein Mitglied, „wir sind Pragmatiker.“

(€) Echo online: CDU diskutiert in Darmstadt über das Grundsatzprogramm

Einen Schönheitsfehler hatte die Veranstaltung mit der Kölner Bundestagsabgeordneten Serap Güler aber schon. Wer jetzt, motiviert durch die Diskussion, einen Antrag einreichen will, ist zu spät. Die Annahmefrist ist am 25. März abgelaufen. Die Veranstaltung im Justus-Liebig-Haus war ein Tag danach.

Beschlossen wird das endgültige Programm auf einem Parteitag im Mai.

Koalitionswechsel in Hessen. Endlich wieder ein guter Redner bei der Opposition?

Ich hatte bei der hessischen Landtagswahl am 8. Oktober ja keine großen Veränderungen erwartet und mehr oder weniger auch Recht bekommen. Das Ergebnis war so, dass CDU und Grüne weiter zusammen regieren konnten. Aber ich hatte vergessen, dass es mit Boris Rhein (CDU) einen neuen Ministerpräsidenten gibt und der erklärte nach der Wahl, mit Grünen und SPD zu sprechen.

Nun will die CDU nach Verhandlungen mit SPD und Grünen nun mit der SPD koalieren. Was jetzt natürlich noch genauer besprochen werden muss. (Ja, ich finde dieses Wort „Sondierungen“ nicht für korrekt. Natürlich sind diese ersten Gespräche auch schon Koalitionsverhandlungen, die Parteien wollen sie nur nicht so nennen.)

Echo online: Boris Rhein will in Hessen mit der SPD regieren

Ich muss zugeben, ich bin überrascht. Denn – wie schon oft von mir gesagt – die Grünen waren ja kein schwieriger Partner für die CDU. Die waren in meiner Wahrnehmung so unsichtbar in der Koalition, dass das auch eine CDU-Alleinregierung hätte sein können. Aus meiner Sicht gibt es nur ein Grünen-Projekt aus dieser Zeit und das ist der Radschnellweg Frankfurt-Darmstadt (Baubeginn 2018, rund 8 von 30 Kilometern sind fertig).

Aber ansonsten waren die Grünen der CDU in Hessen doch sehr entgegenegekommen: Sie hatte sich bei der Einrichtung eines NSU-Untersuchungsausschusses enthalten> und waren mit der Union für eine lange Verschlusszeit der NSU-Akten, agierten unglücklich beim Ausbau der Autobahn 49 mit den Abholzungen im Dannenröder Forst, eierten herum bei der Ableitung von Abwässern aus der Kali-Produktion, können den Flughafenausbau nicht verhindern und weihen zusammen mit dem damaligen CSU-Bundesverkehrsminister eine Umgehungsstraße ein.

Lange ging dieser Kuschelkurs ja gut, sogar so gut, dass die Grünen nach den ersten fünf Jahren mit der CDU bei der Landtagswahl 2018 Prozente dazugewannen (2018: 19,8%, +8,7%). Und sogar erstmals – und gleich fünf – Direktmandate gewannen, unter anderem hier in Darmstadt. (Und das ohne, dass Fluglärm ein Wahlkampfthema war – fand ich nämlich all die Jahre vorher interessant: DIe Grünen waren als einzige Partei gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens, aber in den Wahlkreisen um den Flughafen herum holten CDU und SPD die Direktmandante.)

So dass sie – meine Vermutung – glaubten, dass sie einfach so weitermachen und dadurch bei der Wahl 2023 quasi im Schlafwagen in die Wiesbadener Staatskanzlei fahren können. Ok, es kam anders.

So gesehen fühlt es sich natürlich ziemlich unfair an, nach dieser Nibelungetreue bis zur Selbstaufgabe, von der CDU ausgebootet zu werden. Und ich bin mir nicht sicher, ob es für Boris Rhein mit der SPD so einfach wie mit den Grünen geht – gerade weil die Genossen doch auch das beobachtet haben, was mir ebenfalls aufgefallen ist.

Ein Gutes könnte die Sache haben: Wenn Tarek Al-Wazir (Grüne) nach seiner Zeit als hessischer Wirtschaftsminister im Landtag bleibt, haben wir endlich wieder einen guten scharfzüngigen Oppositionsredner.

Nachtrag, 14.11.2023: Es gibt ein Interview mit Tarek Al-Wazir in der Frankfurter Rundschau. Kurzfassung: ‚Ich bin viel schöner und klüger als die blöde Nancy, aber der Boris steht ja auf billig. Ich habe den ja eigentlich nie gemocht.‘

„Zwangsbekehrung“ auf der Tagesordnung im Stadtparlament, mit Nachtrag

Bürste einer EAD Kehrmaschine, fotografiert beim Tag der offenen Tür 2015.

Die von ihren Gegnern so genannte „Zwangsbekehrung“ durch den EAD in Darmstadt ist nächste Woche ein Tagesordnungspunkt im Stadtparlament. Seit Seit Januar 2023 kehrt der EAD (Eigenbetrieb für kommunale Aufgaben und Dienstleistungen) in allen Darmstädter Straßen. Alle Grundstückeigentümer müssen dafür bezahlen, aber besonders in der Heimstättensiedlung und Wixhausen gab es Protest. Dort hatten die Eigentümer in vielen Straßen selbst gekehrt und wollten es auch weiterhin machen.

Jetzt hat Oberbürgermeister Hanno Benz (SPD) eine Oberbürgermeistervorlage ins Stadtparlament eingebracht, die beantragt, die neue Straßenkehrsatzung wieder einzukassieren. Und wieder nur noch dort zu kehren, wo der EAD bis Ende 2022 gekehrt hatte.

(€) Echo online: Darmstadts OB lässt erneut über das Straßenkehren abstimmen

Ich sehe ein, dass der EAD aus arbeitstechnischen Gründen gerne ganze Straßenzüge durchfahren möchte und nicht aufpassen will, wo genau er kehren muss und wo nicht. Aber dass nun auch in größeren Quartiere gekehrt wird, wo vorher nicht gekehrt wurde, und wo es die Eigentümerinnen und Eigentümer auch selber machen wollen, finde ich ich etwas eifrig.

Ich finde es ja auch interessant, dass die SPD, die ja eher für Gemeinwirtschaft steht, bei der Kehrwoche in Darmstadt keine kommunale, sondern eher für eine Praxis à la FDP mit Eigenverantwortung ist. So dass ich vermute, dass die Position der Genossen eher darin begründet ist, dass die SPD in der Heimstättensiedlung und in Wixhausen recht viele Anhänger hat.

Ich vermute, dass der Oberbürgermeistervorschlag von den Koalitionsfraktionen Grüne, CDU und Volt abgelehnt wird. Warum sollten sie jetzt ihre Meinung ändern? Zudem gehen der Stadt dann die Erträge aus den Jahresgebühren verloren. Aber vielleicht wird die Vorlage ja zur Beratung in die Ausschüsse überwiesen und es findet sich ein Kompromiss.

Aber es gibt natürlich noch einen parteipolitischen Grund für die Koalition, dem OB nicht zuzustimmen: Würde man der Vorlage zustimmen, könnte die SPD bei der nächsten Kommunalwahl 2026 auf ihren Erfolg bei der Abschaffung der Kehrgebühren verweisen. Ebenso wäre das ein Erfolg für Hanno Benz. Der in diesem Jahr die Stichwahl gegen den Grünen-Kandidaten Michsel Kolmer gewonnen hatte. Und sowas will man nicht riskieren. Allerding war das nicht anders als noch Rot-Grün in Darmstadt regierte. Da wurde der Opposition auch kein Stich gegönnt.

Ich als Mieter im Johannesviertel bin nicht von der neuen Straßenkehrsatzung betroffen, hier kehrt der EAD schon sehr lange.

Nachtrag, 3. November 2023: Das Stadtparlament hat mit einer breiten Mehrheit die OB-Vorlage abgelehnt. Maßgeblich zu Anlehnung trugen die Koalitionsfraktionen aus Grünen, CDU und Volt bei, die hätten es mit ihrer Mehrheit aber auch alleine geschafft. Keine Ausschussübherweisung, warum auch, es ging ja nicht um die Sache, sondern um den Schlagabtausch, den man in die jeweilige Bilanz für die Kommunalwahl 2026 einbringen kann.

Die dünne Haut von Grün-Schwarz-Violett in Darmstadt

Dass die Darmstädter Koalitionsfraktionen Grüne, CDU und Volt die ersten 100 Tage des SPD-OB kritisieren, ist für mich eigentlich keine Meldung. So wie die Koalition nach der OB-Wahl – deren Ergebnis ihr ja nicht passt – reagierte, ist das kein Wunder. (Hier im Blog: Operation Strippen ziehen und Zement anrühren). Eigentlich wäre Lob eine Meldung wert, das jetzt ist „Hund beißt Mann“.

(€) Echo online: Koalition übt harsche Kritik an Darmstadts Oberbürgermeister

Aber eine Sache in der Koalitionsbilanz fällt dann doch auf. Grüne, CDU und Volt lassen sich in der 100-Tage-Abrechnung auf einen Sachverhalt ein, die aus deren Sicht doch eine Kleinigkeit und nur ein Missverständnis war.

Und so holt die Koalition tatsächlich eine bizarre Story wieder aus dem Sommerloch raus:

„Den Konflikt mit der Postsiedlung haben, nachdem Missverständnisse eskaliert waren, Barbara Akdeniz und Michael Kolmer entsprechend ihrer Zuständigkeiten in Eigenregie beigelegt.“

Ernsthaft? Doch so dünnhäutig? War das doch so wichtig, dass man alle wieder daran erinnern muss, wie ein Amt über Ziel hinausschoss und wie verbohrt und (angeblich nachtragend) Verwaltung sein kann? Kurz: Da ging es um einen Grünfläche, die plötzlich ein wichtiges „Trittsteinbiotop“ geworden war, weswegen ein Verein, der seit Jahren gut mit der Stadt zusammenarbeitet, der aber auch Kommunikation kann, ein Fest absagte. (postsiedlung.de: Tageszeitungen Echo und Rundschau berichten über Einigung im Wiesen-Streit)

Vor zehn Jahren in Hessen – Ein Grüner als „Totengräber jeder wirtschaftlichen Entwicklung“

Da der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz gerade die Grünen zum Hauptgegner der CDU im Bund erklärt hat, will ich an ein Jubiläum erinnern. Vor genau zehn Jahren, am 27. Juni 2013, wurde unter anderem folgender Satz gesagt:

„Ein grüner Wirtschaftsminister wäre der Totengräber jeder wirtschaftlichen Entwicklung in Hessen: Er kostet Arbeitsplätze und bringt die Verkehrsdrehscheibe Hessen zum Stillstand. Die Chemie- und Pharmaindustrie, die Automobilbranche – diese wichtigen Industriezweige sind von den Grünen zum Feindbild erklärt worden, obwohl sie zehntausende Arbeitsplätze geschaffen haben und für Innovation und Wohlstand stehen.“

Gesagt, bzw. geschrieben hatte den Peter Beuth, der war damals Generalsekretär der Hessen-CDU. Netterweise steht das immer noch auf der Website der CDU-Landtagsfraktion, so dass ich das auch verlinken kann (klick).

Was dann passierte, wissen wir: Weil es für die CDU-FDP-Koalition nach der Landtagswahl 2013 nicht mehr reichte, koalierte die CDU mit den Grünen in Hessen. Und so sitzt seit 2014 Peter Beuth als Innenminister zusammen mit dem „Totengräber jeder wirtschaftlichen Entwicklung“ und Wirtschaftminister Tarek Al-Wazir am Kabinettstisch.

Erstaunlich. Was sind solche Ansagen denn dann wert?

Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) im Jahr 2015 beim Neujahrsempfang der Weiterstädter CDU im Bürgerhaus Gräfenhausen.

Hessens staugeplagteste Stadt

Darmstadt hat die zweifelhafte Auszeichnung „Hessens staugeplagteste Stadt“ gewonnen. Naja, gewonnen ist jetzt von mir, Darmstadt belegt den sechsten Platz in einer bundesweiten Untersuchung und ist damit in Hessen vorne.

t-online (dpa): Darmstadt zählt nach Daten des Verkehrsdienstleisters Inrix zu einer der staugeplagtesten Städte in Deutschland.

Aber das ist schon eine interessante „Auszeichnung“ auch für die Stadtregierung und wenn man sich an die Entstehung der noch regierenden Koalition aus Grünen und CDU im Jahr 2011 erinnert. Die Koalition basierte auch darauf, dass das Straßenbauprojekt „Nordostumgehung“ nicht kam. Die Grünen waren gegen diese Umgehungsstraße und hatten das im Wahlkampf auch gesagt, die CDU war für die Umgehungsstraße. Schließlich setzten sich sich die Grünen durch und die Koalition plante die Trasse ab.

Jetzt könnte man ja fast auf die Idee kommen, dass es zwischen „keine Nordostumgehung“ 2011 und „staugeplagteste Stadt“ 2023 einen Zusammenhang gibt.

Seit Jahren Personalprobleme bei der CDU

Dass die CDU ein Personalproblem bei der Besetzung von Spitzenämtern hat, müsste die Partei eigentlich seit Oktober 2016 wissen. Da schlug die SPD Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsident vor und die CDU war nicht in der Lage einen eigenen Kandidaten oder eine eigene Kandidatin zu benennen. Auch die CSU schien nicht aushelfen zu können.

Und dabei gab es schon 2012 einen Warnschuss von. Da musste die CDU Joachim Gauck als Christian Wulffs Nachfolger nehmen.

Rot-Rot-Grün ist das Beste was CDU und CSU passieren kann

Ich verstehe nicht so recht, warum die Unionsparteien sich mal wieder wegen Rot-Rot-Grün oder Grün-Rot-Rot sorgen? Oder sorgen die sich überhaupt? Ist das Trara deswegen überhaupt ehrlich?

Gucken wird doch mal zurück: Das letzte Mal als eine ähnlich verteufelte Konstellation, die rot-grüne Koalition, im Bund regierte, die für die Konservativen der Untergang des Abendlandes (AKA „rot-grünes Chaos“ von 1998 bis 2005) war, kamen doch lauter Sachen, die der Union in den Kram passten: Die Eisenbahnerwohnungen wurden an die Deutsche Wohnen (heute Vonovia) verkauft, die Renten wurden gekürzt, eine kapitalgedeckte Rentenzusatzversicherung wurde eingeführt, der Arbeitsmarkt reformiert, ALG 2 eingeführt und das Lambsdorffpapier von 1982 wurde weiter umgesetzt.

Und das Beste: Jedes Mal, wenn die SPD das Kanzleramt verlor, kam eine neue Partei am linken Rand hoch, die der SPD Stimmen abnahm. 1983 waren das die Grünen und 2005 die Linke.

Holpriger Start der neuen Darmstädter Koalition

In Darmstadt gibt es nun eine Koalition aus den regierungserfahrenen Kommunalwahlverliererinnen* Grüne (minus 2,3 Prozent) und CDU (minus 2,6 Prozent) und der neu ins Parlament gekommenen Wahlgewinnerin Volt (plus 6,9 Prozent).

Die neue Koalition startet aber so holprig, als ob alle drei Partner ganz frisch in der Stadtregierung und immer noch überrascht sind, dass sie nun gewählt sind. Grüne und CDU regieren seit 2011 zusammen (vor zehn Jahren hatten sie noch 32,9 beziehungsweise 24,6 Prozent).

Da wurde ohne Not an der Anzahl der Ausschusssitze rumgeschraubt, ebenso plante man plötzlich, die Anzahl der ehrenamtlichen Magistratsmitglieder zu erhöhen (ließ es dann aber doch).

Dann wurden die grüne Baudezernentin Barbara Boczek und der CDU-Bürgermeister Rafael Reißer abgewählt. Bei der Dezernentin (die meiner Meinung nach nicht die beste Kraft auf dem Posten war) wird das von ihrer Partei fachlich begründet – nur mit einer Wortwahl, als ob sie der Opposition angehört hätte. An der Steigerung „Feind, Erzfeind, Parteifreund“ scheint was dran zu sein.

Beim Bürgermeister (der meiner Meinung nach auch nicht die beste Kraft auf dem Posten war) gibt es hingegen so viel Lob, so dass man sich fragt, warum diese Spitzenkraft nun gehen muss? Zumal ja ein weiterer hauptamtlicher Dezernentenposten geschaffen werden soll. Einen Bedarf, den man aber auch erst nach der Kommunalwahl feststellte.

Nun stellen die Grünen mit Jochen Partsch Oberbürgermeister und mit Barbara Akdeniz die Bürgermeisterin. Was ich für nachvollziehbar halte, wenn man den Koalitionsproporz irgendwie abbilden will.

Wenn Volt einen hauptamtlichen Stadtrat stellt und die CDU bald auch wieder zwei, dann ist das von den Prozenten aus dem Wahlergebnis (27,4 zu 15,6) her etwas unausgewogen, dann passt das auch nicht zum Abstand zwischen CDU und Grünen. Aber ein Magistrat mit sechs Dezernenten (3 Grüne, 2 CDU, 1 Volt, OB läuft bei mir extra, weil direkt gewählt) ist unter Umständen nicht vermittelbar. Also bekommen die Grünen auch den OB-Stellvertreter.

Ich will auch nicht ausschließen, dass vier hauptamtliche Dezernenten zu wenig sind und fünf die Arbeit besser schaffen könnten (denn seit 2011 lief nunmal nicht alles rund).

Noch was zum Wahlergebnis: Die Darmstädter Grünen liegen so gar nicht Trend, denn hessenweit haben die Grünen 7,1 Prozent dazugewonnen. Die CDU hat hessenweit 0,5 Prozent verloren. Interessant: Die Grünen haben in Darmstadt mehr Stimmen (stumpf umgerechnet haben 1000 Menschen mehr Grüne gewählt) als bei der Kommunalwahl 2026, aber die Wahlbeteiligung ist aber von 47,8 Prozent auf 54,7 Prozent gestiegen, so dass andere auch mehr Stimmen bekommen haben. Allerdings ist die Einwohnerzahl Darmstadts auch gewachsen und die Grünen sind zur Zeit ja so „in“ wie es die SPD mit Willy Brandt in den 1970er war. Da wäre es ja auch seltsam, wenn unter den Zugezogenen nicht auch Grünen-Wählerinnen und Wähler wären.

* – Ja, nicht nur Grüne und CDU haben verloren, auch AfD, SPD, Uwiga und Uffbasse haben weniger Prozente als 2016. Und die AfD hat sich dabei sogar von 9,2 auf 4,6 Prozent halbiert.

Tempo 30 – und woanderes kommt Darmstadt nicht voran

Die Kasinostraße soll zwischen Frankfurter Straße und Rheinstraße, also auch hier beim Tegut, Tempo 30 bekommen.

Huh, die Darmstädter Autofahrer schreien auf, Tempo 30 auf Teilen der Kasinostraße, zwischen Rheinstraße und Frankfurter Straße. Was ok für mich ist, ich bin ja schon seit den 90ern für Tempo 30 innerorts. Wobei, was ist dann mit den Radwegen auf den Bürgersteigen und der Ampel beim Tegut? Sowas ist doch bei Tempo 30 nicht mehr vorgesehen. Bleibt zu hoffen, dass das nicht von den Verwaltungsgerichten kassiert werden kann.

Echo online: Tempo 30 kommt (€)

Ich werde aber das Gefühl nicht los, dass das ein Wahlkampfmanöver ist, das Grünen und, ja, auch der CDU helfen soll. Der Grünen-OB kann mit dieser “ Executive Order“ (ja, Tempo 30 ist eine Anordnung) seinen Wählerinnen und Wählern zeigen, dass er was tut. Und die CDU kann sich damit profilieren, dass sie sagt, dass sie dagegen ist. Drei Wochen vor der Kommunalwahl am 14. März. Es scheint mir das gleiche Spiel wie damals bei dem Antrag, dass ganz Darmstadt eine Tempo 30-Zone werden soll. Der ja vom Bundesverkehrsministerium abgelehnt wurde.

Die Grünen konnten danach auf die Ablehnung verweisen, dass sie ja den großen Wurf versucht hätten, den aber das böse CSU-geführte Verkehrsministerium* verhindert habe. Und die CDU konnte sagen, dass sie ja nicht so ohne weiteres für Tempo 30 sei und sich als nicht so radikale Verkehrspolitiker darstellen.

Und jetzt wäre es auch eine schöne Sache, wenn auch das Tempo 30 auf der Kasinostraße Teil eines Plans ist und nicht eine der vielen Einzelmaßnahmen, die vergessen machen sollen, dass es seit zehn Jahren für den Darmstädter Verkehr kein Konzept mehr gibt. Der Darmstädter Verkehrsentwicklungplan von 2006 oder so wurde noch mit der Nordostumgehung (NOU) berechnet. Die NOU wurde ab 2009 von den Grünen klar abgelehnt und 2011 mit der grün-schwarzen Koalition politisch beerdigt und dann verwaltungsrechtlich abgeplant. Aber da wurde nicht zeitgleich angefangen, zu planen, wo der Verkehr, für den die NOU gedacht war, nun hin soll.*** 2016 wurde dann mit einem alles umfassenden Masterplan angefangen, aber der Verkehr dann doch erstmal ausgeklammert.

Parallel dazu kamen Maßnahmen wie Fahrradstraßen, eine Straßenbahntrasse, eine Fahrrad- und Fußgängerbrücke, breitere Radwege, autoarmes Quertier Lincolnsiedlung (was Berufspendler, die dringend eine Wohnung brauchen nicht interessiert) oder eine Protected Bike Lane und Tempo 30. Einiges wurde mangels eigenem städtischen Plan von der Initiative „Radentscheid“ übernommen.** Alles schön und sinnvoll, nur eben ohne einen Masterplan Mobilität, oder wie man sonst einen Verkehrsentwicklungsplan nennen würde. So ein Plan wäre ja auch eine Chance. Nämlich denen, die meinen, es gehe zu sehr gegen die Autos, zu zeigen, dass es doch eine Gesamtplanung gibt, in der alle Verkehrsteilnehmer vorkommen.

* – Dass ich finde, dass der CSU-Bundesverkehrsminister schon längst entlassen hätte sein müssen, steht auf einem anderen Blatt. Aus dem übrigens auch steht, dass ich da von der Kanzlerin und den Koalitionsabgeordneten bei CDU, CSU und SPD entsprechende Initiative erwartet hätte.

** – In diese Lücke hätte vielleicht auch eine andere Gruppe stoßen können. Aber da wurde ja lieber in den Sozialen Netzwerken gebasht als ein Konzept zu entwickeln und dafür Unterschriften zu sammeln.

*** – Gäbe es einen (besseren) Ersatz für die NOU, wäre der Stadtregierung 2020 vielleicht auch die Diskussion um die Sanierungsarbeiten auf der B26 entgangen, die zeigte, dass da eine Behörde ihre Hausaufgaben nicht gemacht hatte.