Hessens staugeplagteste Stadt

Darmstadt hat die zweifelhafte Auszeichnung „Hessens staugeplagteste Stadt“ gewonnen. Naja, gewonnen ist jetzt von mir, Darmstadt belegt den sechsten Platz in einer bundesweiten Untersuchung und ist damit in Hessen vorne.

t-online (dpa): Darmstadt zählt nach Daten des Verkehrsdienstleisters Inrix zu einer der staugeplagtesten Städte in Deutschland.

Aber das ist schon eine interessante „Auszeichnung“ auch für die Stadtregierung und wenn man sich an die Entstehung der noch regierenden Koalition aus Grünen und CDU im Jahr 2011 erinnert. Die Koalition basierte auch darauf, dass das Straßenbauprojekt „Nordostumgehung“ nicht kam. Die Grünen waren gegen diese Umgehungsstraße und hatten das im Wahlkampf auch gesagt, die CDU war für die Umgehungsstraße. Schließlich setzten sich sich die Grünen durch und die Koalition plante die Trasse ab.

Jetzt könnte man ja fast auf die Idee kommen, dass es zwischen „keine Nordostumgehung“ 2011 und „staugeplagteste Stadt“ 2023 einen Zusammenhang gibt.

Die Darmstädter Grünen und ihr politischer Kompass

Hurra, Politikberatung beim Zeitsturmradler. Und weil sie kostenlos ist, ist sie öffentlich. Diesmal „grünenfeindlich“.

Ich habe das Gefühl, die Darmstädter Grünen verlieren ihr politisches Gespür. Es gibt inzwischen einige Entscheidungen von Grün-Schwarz, bei denen ich mir ziemlich sicher bin, dass die Grünen die heftig bekämpfen würden, wenn die von einem Schwarz-Roten oder Rot-Schwarzen Magistrat gekommen wären.

Ich denke da an die ganze Westwaldsituation. Die Westwaldallianz dürfte nach neun Jahren mit einem Grünen OB und einer von den Grünen dominierten Koalition mit der CDU doch gar keinen Grund mehr haben, aktiv zu sein.

Und dann erinnere ich mich noch an die Westumfahrung (ist die noch geplant?), eine Verbindung zwischen südlichem Eifelring und Eschollbrücker Straße, die am Rand durch den Westwald führt. Die wurde noch nach 2011 vorangetrieben und die damalige Dezernentin zündere auch mal dreist eine schöne Nebelkerze in einem Ausschuss.

Oder wie 2018 eigentlich Verbündete der Grünen (Radfahrer- und Fußgängerverbände) vom „konzeptionslosen Stillstand“ bei der Verkehrsentwicklung sprachen. Und ich erinnere mich, dass es beim Runden Tisch Radverkehr auch eine lange Zeit nicht voranging. Was schließlich in den Radentscheid mündete, in dem eine Bürgerinitiative die Grün-Schwarze Koalition zum Jagen getragen hatte. Ich weiß ja nicht, was da an Pressemitteilungen gekommen wäre, wenn es das unter einem SPD-Verkehrsdezernenten gegeben hätte.

Und das private Bauvorhaben hinten beim Bürgerpark gegenüber des Biergartens. Natürlich kann man da was bauen, man kam ja auch bislang nicht auf die Fläche, weil sie eingezäunt ist. Und man merkt auch gar nicht, dass da was fehlt. Aber der Ansatz der dortigen Bürgerinitiative, die das Areal als Teil des Bürgerparks sieht, ist nachvollziehbar.

Dann der Friedensplatz, der so gar keine Antwort auf den Klimawandel in einer Stadt ist. Eine Freifläche ohne Schatten, die sich im Sommer aufheizt. Und hätte ein SPD-Baudezernent „Das ist ein Platz und keine Grünanlage“ gesagt, würden Grüne in der Opposition doch auf die berühmten harten Bänke steigen und protestieren.

Dann denke ich da die Bürgerbeteiligung beim Aldi in Arheilgen, wo die Bürger erstmal zu spät und dann nur informiert werden, weil das Projekt schon so gut wie beschlossen ist. Auch wenn viele Arheilger dort keinen Aldi wollen.

Weiter: Die Art und Weise, wie Bürger ignoriert werden, die nicht auf Linie der Grünen sind. Da kommt 2012 kein Grüner zu einer Planungswerkstatt zum ehemaligen Radio-Wilms und 2020 kommen nur zwei CDU-Vertreter zu einer Veranstaltung der „Interessengemeinschaft Eberstädter Wald„.

Und eben die Regionalentwicklung. Da gab es das „Regionale Entwicklungskonzept Südhessen“ im November 2019 in dem es schon um den Wald ging und jetzt den Masterplan, bei dem die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald aktiv wurde. Und wo die Grün-Schwarze Koalition dann doch – unter heftigen Rückzugsgefechten, dass doch alle alles falsch verstanden und nur skandalisiert hätten – eindeutigere Formulierungen in den Masterplan reinschrieb.

Was ich in der ersten Version vergessen habe ist auch der immer wiederkommende Ärger zwischen der städtischen Bauverein AG und ihren Mietern. Den gibt es allerdings nicht erst mit Grün-Schwarz, denn da hatte sich schon die SPD nicht mit Ruhm bekleckert, wenn die städtische Tochter wieder mal zu marktwirtschaftlich agierte. Aber warum passiert das immer wieder?

Ja, und dann ist da noch das was nicht da ist: Ein Verkehrsentwicklungsplan. Denn der ist im Masterplan nicht mit drin. Da wird 2011 die Nordostumgehung abgeplant, eine Trasse, mit der der alte Plan berechnet wurde. Aber anstelle gleich mit einem neuen Verkehrskonzept anzufangen, wurde damit bis März 2016 gewartet um es gemeinsam mit dem Masterplan zu machen. Was nicht gelang. Jetzt haben wir zwar einen Masterplan, und noch immer kein Verkehrskonzept. Schaffen aber vollendete Tatsachen wie eine Straßenbahn zur Lichtwiese, Protected Bike Lanes, Fahrradstraßen und breitere Radwege und denken über Straßenbahntrassen nach Weiterstadt und Groß-Zimmern nach.

Ich denke, das sind und waren alles sinnvolle Hinweise aus der Bürgerschaft, und man sollte das nicht so einfach als Miesmacherei oder Verschwörung der bösen Opposition und Medien abtun. Warum wohl wurde die SPD 2011 erst so krachend ab- und 2016 nicht wiedergewählt? Weil die es sich so einfach gemacht hatte.


Nachtrag, ein aktuelles Beispiel, Echo online, 31.8.2020: Auf einem 2700 Quadratmeter großen Grundstück in der Eberstädter Villenkolonie, das die Stadt verkauft hat, wurden sechs Bäume gefällt, darunter über 100 Jahre alte Buchen und Eichen

2.9.2020: Beschwerde gegen Umweltamt und Bauaufsicht der Stadt eingereicht

9.9.2020: Stadt Darmstadt verteidigt Fällen der Bäume in Eberstadt

18.9.2020: Offensichtlich mussten auch gesunde Bäume fallen, obwohl sie nicht im Baufenster standen

Bürgerentscheid Lichtwiesenbahn?

Hier am Lichtwiesenweg würde die Straßenbahn zur Lichtwiese losgehen. (Foto vom Februar 2016.)

Es gibt eine Online-Petition gegen die Lichtwiesenbahn. Und der Oragnisator überlegt, ggf. einen Bürgerentscheid anzustreben, um das Projekt zu stoppen.

Den Bürgerentscheid finde ich interessant. Was wäre, wenn der wie folgt ausgeht?

54,7% gegen die Lichtwiesenbahn (25.874 Stimmen)
45,3% für die Lichtwiesenbahn (21.386 Stimmen)
Aber das gesetzlich vorgeschriebene Quorum (25 % von 104.309 Stimmberechtigten) wurde nicht erfüllt, der Bürgerentscheid wäre somit abgelehnt.

Ja, das ist das Ergebnis des Bürgerentscheids zur Nordostumgehung von 2009 (PDF). Da war war eine Mehrheit gegen die NOU, das Quorum wurde aber nicht erreicht. Was die NOU-Gegner – darunter die Grünen – aber nicht davon abhielt, weiter gegen die NOU zu sein und auf die Ablehung im Bürgerentscheid zu verweisen.

Wie würde also die grün-schwarze Stadtregierung bei so einem Ergebnis gegen die Lichtwiesenbahn reagieren?

Eine neue Nordostumgehung?

Es tut sich was bei der Nordostumgehung (NOU), auch wenn die anders aussehen wird, als die, die jetzt in Darmstadt abgeplant wurde.

Echo online: Stadt und Kreis planen neuen Vorstoß für mögliche Umgehung im Nordosten von Darmstadt

Auch schön, wie ich jetzt daran erinnert wurde: Die Nordostumgehung steht auch im Verkehrsentwicklungsplan des Landkreises. Sie steht ja nicht nur im Darmstädter Verkehrsentwicklungsplan. Der seit Februar 2016 überarbeitet wird – wobei schon nach der Kommunalwahl 2011 klar war, dass die NOU nicht mehr kommen wird.

Echo online, 8. Februar 2016: Im Stuhlkreis Darmstadts Zukunft denken

Darmstadts Oberbürgermeister ist ein Alien

In Darmstadt läuft es super zur Zeit. Nun hat „Futurama“ hat das Geheimnis der aktuellen Erfolge aufgedeckt: Der Oberbürgermeister ist ein Alien. Und er kam mit Ufos. Glaubt ihr nicht? Die Dinger liegen (getarnt) auf so Säulen
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CDU-Halbheiten zu Darmstädter Bürgerversammlungen

Die SPD kritisiert irgendwo eine Planungswerkstatt für den Eberstädter Ortskern. Die CDU verwahrt sich dagegegen. Ich habe die SPD-Kritik jetzt nicht gefunden, dafür aber Halbheiten in der CDU-Pressemitteilung, die gestern reinkam.

Unter der SPD habe es in der vergangenen Legislaturperiode nur eine einzige Bürgerversammlung gegeben (zur Nordostumgehung). Der grün-schwarze Magistrat habe seit 2011 insgesamt neun Bürgerversammlungen durchgeführt, davon eine in Eberstadt.

Stimmt. Irgendwie. Nur hätte die CDU selbst zwischen 2006 und 2011 für ganz viele Bürgerversammlungen sorgen können.

1. Bürgerversammlungen sind in der hessischen Gemeindeordnung (HGO) definiert. Und nach dieser werden die eben nicht vom Magistrat veranstaltet (wie es oben im zweiten Satz steht), sondern vom Stadtverordnetenvorsteher bzw. der Stadtverordnetenvorsteherin. Und der gehört nicht zum Magistrat. Der Magistrat wird formell informiert, eingeladen und hat Rederecht. Natürlich stimmt man die Termine am besten miteinander ab.

2. Der Stadtverordnetenvorsteher von 2006 bis 2011 war sogar von der CDU. Und der hat tatsächlich die eine Bürgerversammlung zur Nordostumgehung angesetzt.
Er hätte aber ohne weiteres mehr als die eine Bürgerversammlung einberufen können, um mit den Bürgern über alles mögliche zu sprechen. Wenn er denn gewollt hätte. Aber das mit der Bürgernbeteiligung war damals weder Sache der CDU noch der SPD. Richtig ist in dem Zusammenhang natürlich auch, dass es unter den früheren SPD-Stadtverordnetenvorstehern gar keine Bürgerversammlungen gab.

3. Die CDU war bis zur Koalition mit den Grünen 2011 für die Nordostumgehung. Die Anregung zur Bürgerversammlung zur Nordostumgehung war keine CDU-Idee, die kam damals unter anderem vom Stadtverordneten Georg Hang (Alternative Darmstadt, vorher Uwiga, jetzt Uffbasse).

4. Neun Bürgerversammlungen hatte Darmstadt seit 2011. Nun, in Weiterstadt gibt es jedes Jahr Jahr mindestens fünf, eine pro Stadtteil. Also 20 seit 2011. Neun sind weniger als die Hälfte. Und dabei hat Darmstadt mehr Stadtteile. Rechnet man mal stumpf mit Wixhausen, Arheilgen, Martinsviertel, Johannesviertel, Innenstadt, Woogsviertel, Waldkolonie, Weststadt, Bessungen, Heimstättensiedlung und Eberstadt hätten das seit 2011 locker 40 sein müssen.

5. Es gab von 2006 bis 2009 eine Ampelkoalition, 2009 zerbrach das Bündnis an der Nordostumgehung, die die Grünen nicht mehr mittragen wollten. Vor der Kommunalwahl 2011 gab es jahrelang eine rot-grüne Koalition. Grün war also jahrelang mit dabei beim Rot für Bürgerversammlungen. Sagt die CDU als aktueller Koalitionspartner der Grünen natürlich nicht.

Und nachdem das geklärt ist: Natürlich finde ich es gut, dass es jetzt überhaupt und mehr Bürgerversammlungen in Darmstadt gibt. Nur bitte ohne Legenden.

Ach ja, es gab schonmal eine Planungswerkstatt für den Eberstädter Ortskern. Das war 2012. Die CDU war gekommen, die Grünen hatten abgesagt. Motto: Gute Idee, leider nicht von uns. Denn diese Art von Bürgerbeteiligung war von der Initiative „Pro Eberstadt“ ausgerichtet worden.

Die ganze CDU-PM:
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Wann hilft die BI ONO Andreas Storm?

Warum tritt eigentlich die Bürgerinitiative „Ohne Nordostumgehung“ nicht ganz massiv für Andreas Storms Einzug in den Bundestag ein? Da ist doch jetzt Solidarität gefragt, vor allem wenn der Darmstädter CDU-Direktkandidat nur mit 117 (oder 46) Stimmen und nicht mit 204 Stimmen verloren hat.

Das ist doch sowas von klarem Bürgervotum, sowas von nicht vertretbar und sowas von „unecht gescheitert“, dass eigentlich Storm das Mandat verdient hätte. Oder?

(Wer Ironie findet, darf sie behalten.)

Alles ist zitatreif

„Ich hoffe doch Sie werden mich erwähnen“, sagte der Darmstädter FPD-Parteivorsitzende Leif Blum zu mir, bei einem Spatenstich zu einem Teil der Nordostumgehung, während der Ansprachen des Oberbürgermeisters und Baudezernenten. „Na klar“, grinste ich, blätterte in meinem Notizblock zurück und zeigte ihm die Passage, die ihn am nächsten Tag in die Zeitung gebracht hatte: „Denen in den schwarzen Kutten muss doch warm sein“, überlegt Leif Blum (FDP).