Cold Case Lindenfels, 3. Tag – Die Tat, die den Angeklagten in den Maßregelvollzug brachte.

Im Schwurgerichtssaal im Alten Landgerichtsgebäude aus der Gründerzeit, wird gegen einen 62 Jahre alten Mann verhandelt, der 1986 eine Schülerin vergewaltigt und getötet haben soll.

Ein Mann kommt zu seiner Bewährungshelferin und gesteht, eine Studentin angegriffen zu haben, um sie zu vergewaltigen. Das war am 26. Januar 2012 in Kiel. Der Mann ist inzwischen seit elf Jahren in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik untergebracht.

Seit Mitte November steht der 62-Jährige vor dem Landgericht Darmstadt. Der Mann, der vor 2012 insgesamt rund 14 Jahre wegen Sexualdelikten in Haft war, soll zudem 1986 die Schülerin Jutta Hoffmann in Lindenfels angegriffen, vergewaltigt und ermordet haben. Ermittler hatten nach über 30 Jahren die DNA des Mannes auf einem Spaten entdeckt.

Heute war die Kieler Bewährungshelferin des Angeklagten im Darmstädter Landgericht, so dass mein Artikel ein Rückblick auf das ist, was 2012 in Kiel passiert war.

(+) Echo online: Cold Case Lindenfels – Angeklagter mehrfach vorbestraft

(+) Echo online: Cold Case Lindenfels – Zeugen erinnern sich an 1986 und 1988 (17.11.2023)

(+) Echo online: Staatsanwaltschaft klagt Mord vor 37 Jahren an – Zeuge erinnert sich an Schülerausweis (15.11.2023)

Landgericht Darmstadt verhandelt den Lindenfelser „Cold Case“

Der Angeklagte wartet mit Kapuze über seinem gesenkten Kopf auf den Verhandlungsbeginn und dass nicht mehr gefilmt und nicht mehr fotografiert wird.

Da hatte die Staatsanwaltschaft Darmstadt die richtige Ahnung, als sie dem hessischen Landeskriminalamt ein Tötungsdelikt von 1986 in Lindenfels als Fall für die in Gründung befindliche LKA-„Cold Case Unit“ gab. Wem das bekannt vorkommt: Der Fall war auch mal in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“.

Seit heute steht ein 62 Jahre alter Mann vor dem Darmstädter Landgericht, er soll die 15-Jährige 1986 getötet haben. Am ersten Tag gab es eine kleinen Überraschung, ein Cousin des Angeklagten lieferte mit seiner Aussage möglicherweise ein weiteres Indiz, das den Angeklagten belastet.

(+) Echo online: „Cold Case“ von Lindenfels: Der Angeklagte schweigt

Koalitionswechsel in Hessen. Endlich wieder ein guter Redner bei der Opposition?

Ich hatte bei der hessischen Landtagswahl am 8. Oktober ja keine großen Veränderungen erwartet und mehr oder weniger auch Recht bekommen. Das Ergebnis war so, dass CDU und Grüne weiter zusammen regieren konnten. Aber ich hatte vergessen, dass es mit Boris Rhein (CDU) einen neuen Ministerpräsidenten gibt und der erklärte nach der Wahl, mit Grünen und SPD zu sprechen.

Nun will die CDU nach Verhandlungen mit SPD und Grünen nun mit der SPD koalieren. Was jetzt natürlich noch genauer besprochen werden muss. (Ja, ich finde dieses Wort „Sondierungen“ nicht für korrekt. Natürlich sind diese ersten Gespräche auch schon Koalitionsverhandlungen, die Parteien wollen sie nur nicht so nennen.)

Echo online: Boris Rhein will in Hessen mit der SPD regieren

Ich muss zugeben, ich bin überrascht. Denn – wie schon oft von mir gesagt – die Grünen waren ja kein schwieriger Partner für die CDU. Die waren in meiner Wahrnehmung so unsichtbar in der Koalition, dass das auch eine CDU-Alleinregierung hätte sein können. Aus meiner Sicht gibt es nur ein Grünen-Projekt aus dieser Zeit und das ist der Radschnellweg Frankfurt-Darmstadt (Baubeginn 2018, rund 8 von 30 Kilometern sind fertig).

Aber ansonsten waren die Grünen der CDU in Hessen doch sehr entgegenegekommen: Sie hatte sich bei der Einrichtung eines NSU-Untersuchungsausschusses enthalten> und waren mit der Union für eine lange Verschlusszeit der NSU-Akten, agierten unglücklich beim Ausbau der Autobahn 49 mit den Abholzungen im Dannenröder Forst, eierten herum bei der Ableitung von Abwässern aus der Kali-Produktion, können den Flughafenausbau nicht verhindern und weihen zusammen mit dem damaligen CSU-Bundesverkehrsminister eine Umgehungsstraße ein.

Lange ging dieser Kuschelkurs ja gut, sogar so gut, dass die Grünen nach den ersten fünf Jahren mit der CDU bei der Landtagswahl 2018 Prozente dazugewannen (2018: 19,8%, +8,7%). Und sogar erstmals – und gleich fünf – Direktmandate gewannen, unter anderem hier in Darmstadt. (Und das ohne, dass Fluglärm ein Wahlkampfthema war – fand ich nämlich all die Jahre vorher interessant: DIe Grünen waren als einzige Partei gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens, aber in den Wahlkreisen um den Flughafen herum holten CDU und SPD die Direktmandante.)

So dass sie – meine Vermutung – glaubten, dass sie einfach so weitermachen und dadurch bei der Wahl 2023 quasi im Schlafwagen in die Wiesbadener Staatskanzlei fahren können. Ok, es kam anders.

So gesehen fühlt es sich natürlich ziemlich unfair an, nach dieser Nibelungetreue bis zur Selbstaufgabe, von der CDU ausgebootet zu werden. Und ich bin mir nicht sicher, ob es für Boris Rhein mit der SPD so einfach wie mit den Grünen geht – gerade weil die Genossen doch auch das beobachtet haben, was mir ebenfalls aufgefallen ist.

Ein Gutes könnte die Sache haben: Wenn Tarek Al-Wazir (Grüne) nach seiner Zeit als hessischer Wirtschaftsminister im Landtag bleibt, haben wir endlich wieder einen guten scharfzüngigen Oppositionsredner.

Nachtrag, 14.11.2023: Es gibt ein Interview mit Tarek Al-Wazir in der Frankfurter Rundschau. Kurzfassung: ‚Ich bin viel schöner und klüger als die blöde Nancy, aber der Boris steht ja auf billig. Ich habe den ja eigentlich nie gemocht.‘

Verurteilt wegen „Einschleusen von Ausländern“

Ein für mich als Gerichtsreporter eher seltenes Delikt wurde jetzt beim Darmstädter Landgericht verhandelt: Einschleusen von Ausländern. Das liegt aber auch daran, dass der Bezirk des Landgerichts Darmstadt im Binnenland liegt und keine Grenze zum Ausland hat. Das Besondere an den jetzt verhandeltzen Fällen war, dass ein umgebauter VW Touran verwendet wurde.

(+) Echo online: Bewährungsstrafe für einen kooperativen Schleuser

(+) Echo online: Schleuser vor Gericht: So läuft der illegale Grenztransport (1.11.2023)

„My Aqua“, Billardlounge in Gräfenhausen

Der Darmstädter Hof, Ein markantes Gebäude, das auch Teil der Gräfenhäuser Ortsgeschichte ist, ist wieder voll in Betrieb: Oben Billard, Dart und Tischkicker, und unten gibt es Feinkost-Burger.

Die neue Billard-Lounge „My Aqua“ in Gräfenhausen ist a) gar nicht so neu, b) ist auf Instagram und c) bringt die Chefin in „My Aqua“ ihren Namen unter.

(+) Echo online: Neue Billard-Lounge in Gräfenhausen

„Zwangsbekehrung“ auf der Tagesordnung im Stadtparlament, mit Nachtrag

Bürste einer EAD Kehrmaschine, fotografiert beim Tag der offenen Tür 2015.

Die von ihren Gegnern so genannte „Zwangsbekehrung“ durch den EAD in Darmstadt ist nächste Woche ein Tagesordnungspunkt im Stadtparlament. Seit Seit Januar 2023 kehrt der EAD (Eigenbetrieb für kommunale Aufgaben und Dienstleistungen) in allen Darmstädter Straßen. Alle Grundstückeigentümer müssen dafür bezahlen, aber besonders in der Heimstättensiedlung und Wixhausen gab es Protest. Dort hatten die Eigentümer in vielen Straßen selbst gekehrt und wollten es auch weiterhin machen.

Jetzt hat Oberbürgermeister Hanno Benz (SPD) eine Oberbürgermeistervorlage ins Stadtparlament eingebracht, die beantragt, die neue Straßenkehrsatzung wieder einzukassieren. Und wieder nur noch dort zu kehren, wo der EAD bis Ende 2022 gekehrt hatte.

(€) Echo online: Darmstadts OB lässt erneut über das Straßenkehren abstimmen

Ich sehe ein, dass der EAD aus arbeitstechnischen Gründen gerne ganze Straßenzüge durchfahren möchte und nicht aufpassen will, wo genau er kehren muss und wo nicht. Aber dass nun auch in größeren Quartiere gekehrt wird, wo vorher nicht gekehrt wurde, und wo es die Eigentümerinnen und Eigentümer auch selber machen wollen, finde ich ich etwas eifrig.

Ich finde es ja auch interessant, dass die SPD, die ja eher für Gemeinwirtschaft steht, bei der Kehrwoche in Darmstadt keine kommunale, sondern eher für eine Praxis à la FDP mit Eigenverantwortung ist. So dass ich vermute, dass die Position der Genossen eher darin begründet ist, dass die SPD in der Heimstättensiedlung und in Wixhausen recht viele Anhänger hat.

Ich vermute, dass der Oberbürgermeistervorschlag von den Koalitionsfraktionen Grüne, CDU und Volt abgelehnt wird. Warum sollten sie jetzt ihre Meinung ändern? Zudem gehen der Stadt dann die Erträge aus den Jahresgebühren verloren. Aber vielleicht wird die Vorlage ja zur Beratung in die Ausschüsse überwiesen und es findet sich ein Kompromiss.

Aber es gibt natürlich noch einen parteipolitischen Grund für die Koalition, dem OB nicht zuzustimmen: Würde man der Vorlage zustimmen, könnte die SPD bei der nächsten Kommunalwahl 2026 auf ihren Erfolg bei der Abschaffung der Kehrgebühren verweisen. Ebenso wäre das ein Erfolg für Hanno Benz. Der in diesem Jahr die Stichwahl gegen den Grünen-Kandidaten Michsel Kolmer gewonnen hatte. Und sowas will man nicht riskieren. Allerding war das nicht anders als noch Rot-Grün in Darmstadt regierte. Da wurde der Opposition auch kein Stich gegönnt.

Ich als Mieter im Johannesviertel bin nicht von der neuen Straßenkehrsatzung betroffen, hier kehrt der EAD schon sehr lange.

Nachtrag, 3. November 2023: Das Stadtparlament hat mit einer breiten Mehrheit die OB-Vorlage abgelehnt. Maßgeblich zu Anlehnung trugen die Koalitionsfraktionen aus Grünen, CDU und Volt bei, die hätten es mit ihrer Mehrheit aber auch alleine geschafft. Keine Ausschussübherweisung, warum auch, es ging ja nicht um die Sache, sondern um den Schlagabtausch, den man in die jeweilige Bilanz für die Kommunalwahl 2026 einbringen kann.

7. Tag im Prozess mit den Zahnärzten aus Südhessen

Im Darmstädter Landgerichtsprozess gegen die Zahnärzte, die mit ihrer Klinik in Südhessen erfolgreich waren, aber auch Steuern in Millionenhöhe hinterzogen haben sollen, ging es heute in die Schweiz. Dort hatten die Ärzte eine Zahntechnikfirma gründen lassen.

(€) Echo online: Schweizer Firma legt eine Spur

Die „Rheinische Republik“ in Arheilgen 1923

Ein historisches Ereignis, dass ich bis zu dem Artikel gar nicht auf dem Schirm hatte, ist die „Rheinische Republik“, die 1923 ausgerufen wurde und die es bis ins französisch kontrollierte Arheilgen schaffte, das damals noch nicht Darmstadt war.

(€) Echo online: Vor 100 Jahren – Erfolgreicher Widerstand in Arheilgen

Und die Separatisten im Rheinland, die von Frankreich unterstützt wurden, waren nicht die einzigen damals, wie ich feststellte. Die Krise, die in dem Jahr mit der Ruhrgebietsbesetzung durch Frankreich und Belgien begann, durch den passiven Widerstand der Deutschen gegen diese Besatzung und durch die Inflation (das Geld wurde für die Streikenden im Ruhrgebiet gedruckt) immer größer wurde, hatte auch Folgen im damaligen Mitteldeutschland.

1923 gab es in Sachsen und Thüringen Regierungen, die aus SPD und KPD gebildet wurden. Und das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale sah darin eine gute Basis für eine Revolution, die für Oktober/November 1923 geplant war. Aber dann ging die Reichsregierung dazwischen und setzte, mit Hilfe der Reichswehr, die Regierungen in Sachsen und Thüringen ab.

In Bayern war man nicht damit einverstanden, dass die Reichregierung den passiven Widerstand gegen die Ruhrbesetzung, angesichts der Inflationsfolgen, beendet hatte. Die bayerische Staatsregierungs ernannte daraufhin einen Generalstaatskommissar mit dikatorischen Vollmachten, der das Kommando der bayerischen Truppen der Reichswehr übernahm. Idee war aber nicht Bayern abzuspalten, sondern nach Berlin zu marschieren.

Auch in Bayern griff die Reichsregierung ein, wenn auch nicht so massiv wie in Sachsen und Thüringen. Weswegen die Krise noch ein weiteres Moment bekam. Die SPD-Minister in der Reichsregierung traten Anfang November 1923 zurück, weil sie gegen diese ungleichen Konsequenzen für Bayern und Sachsen protestierten.

Im Zuge dieser Krise kam es dann auch zum Hitler-Putsch am 8. und 9. November 1923. Adolf Hitler versuchte, die Führung in Bayern an sich zu reißen, auch mit dem Ziel nach Berlin zu marschieren. Es gibt ein Flugblatt von damals, in dem verkündet wird, dass die Reichsregierung in Berlin abgesetzt sei. Dazu stürmte er mit seinen Leuten eine Versammlung im Münchner Bürgerbräukeller und zwang die dort anwesenden bayrischen Machthaber an seine Seite. Allerdings wurde der Hitler-Putsch am 9. November gestoppt, als die Putschisten von der Polizei zusammengeschossen wurden.