Als die SPD noch Wahlen gewann und die CDU Stimmung gegen Ausländer machte

SPD: 40,9 Prozent. CDU/CSU 35,1 Prozent. Das war das Ergebnis der Bundestagswahl vor genau 20 Jahren, am 27. September 1998. Da hieß es dann, dass es das für die CDU gewesen sei. Die Union habe ihre strukturelle Mehrheit verloren, sie werde sich auf Jahrzehnte in der Opposition einrichten können.

Und auch für die Hessenwahl im Frühjahr 1999 sah „Der Spiegel“ keine Chance für Roland Koch. Im Dezember 1998 schrieb er:

Roland Koch steckt tief im Elend der Christdemokraten, die seit dem Desaster der Bundestagswahl (…) So opponiert die Hessen-Union schon fast ein halbes Jahrhundert – und wohl auch die nächsten vier Jahre.

Aber irgendwas ist ja immer. Roland Koch entfachte eine Stimmungskampagne gegen die rot-grünen Doppelpasspläne – auf die die Bundesregierung aber auch nicht verzichten wollte – und gewann die Hessenwahl.

Deswegen regiert hier seit 20 Jahren nun die CDU.

Daniel Günther und die Christian-von-Boetticher-Affäre

Der neue schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther war während der Christian-von-Boetticher-Affäre 2011 Landesgeschäftsführer der CDU. Die Älteren werden sich an den CDU-Spitzenmann von Boetticher erinnern, der um die 40 Jahre alt war und eine kurze Beziehung zu einer 16-jährigen hatte. Für ihn trat dann Jost de Jager als Spitzenkandidaten an, der aber 2012 gegen Torsten Albig (SPD) verlor.
Irgendwie hatten die Kollegen vom Abendblatt recht, wenn man heute den den Schluss ihrer Affairenchronologie von 2011 liest (Vorsicht, ein langer Text).

Hamburger Abendblatt, 29.12.2011: Christian von Boetticher: Feind, Todfeind, Parteifreund – Wenn Jost de Jager die Wahl verliert, steigen die Chancen, dass Männer wie Geerdts, Liebing, Wadephul und Günther in die erste Reihe kommen.

Trolle im Wahlkampf: Bevölkerungswachstum

Neulich behauptete einen Grünen-Freud im Wahlkampf folgendens auf Facebook Darmstadt …

Manchmal ist das auf fb schon spaßig. Die jetzige grün-schwarze Koalition in Darmstadt sei in sechs Jahren erfolgreicher gewesen als die SPD die 60 Jahre davor, behauptet einer. Und als er nach einem Beispiel gefragt wird, werden als einziges die Einwohnerzahlen von 2011 und 2016 genannt. Ok, da wären zwar auch Bürgerversammlungen gewesen, die es vorher noch nie gab (eine zur Nordostumgehung lass ich jetzt mal unter den Tisch fallen), aber gut.

(Nachtrag: Dieses Manöver „steile These und ein drister Beleg“ ist übrigens die Taktik eine politischen Trolls. Denn während man sich an dem Beleg abarbeitet und guckt, ob der stimmt, kann der schon die nächste Behauptung in die Welt setzen etc.)

Da ich keine Lust habe, mich auf fb rumzuärgern (und am Ende gelöscht zu werden, weil der Kommentator seinen Kommentar und die daran anhängenden löscht) hier mal eine kleine Analyse (hier habe ich ja Hausrecht, das macht alles besser kontrollierbar, hier lasse nur ich Beiträge verschwinden. :-D).

Eigentlich könnte ich es ganz kurz machen: Unglaublich aber wahr, aber die Einwohnerzahl Darmstadts wuchs schon die 60 Jahre davor. 1950 waren es 95.000, im Jahr 2010 waren es 144.000. Das sind 1,5 mal mehr als 1950. Bis 2016 wuchs die Bevölkerung dann auf 160.000 Einwohner. Das ist um das 1,1-fache. Also waren die Sozis (gegen die geht ja die Behauptung) erfolgreicher, die Stadt wachsen zu lassen.

Tata.

Bevölkerungsentwicklung Darmstadt 1939-2016

Dabei wäre ich sowieso vorsichtig, die Stadtentwicklung der vergangenen 60 Jahre komplett der SPD in die Schuhe zu schieben. Das haben die Genossen womöglich gar nicht verdient. Zwischen 1971 und jetzt war das Baudezernat nämlich wie folgt besetzt:

Herbert Reißer (CDU), Rafael Reißers Vater, war zwischen 1971 und 1980 Stadtbaurat, Wolfgang Rösch (CDU) war von 1981 bis 1994 Baudezernent. Bis dahin wurden hauptamtliche Dezernate noch mit einzelnen Oppositionspolitikern besetzt. Ihm folgte Michael Siebert von den Grünen, er war Bürgermeister und Baudezernent. Dann krachte die Koalition und von 1996 bis 1997 war Wolfgang Gehrke (CDU) Bürgermeister und Baudezernent, dann war Hans-Jürgen Braun (Grüne) Baudezernent (bis (2003). Dieter Wenzel (SPD) folgte ihm nach und 2009 wiedergewählt. Seit 2011 entscheiden die Grünen über das Baudezernat, das mit Brigitte Lindscheid (Grüne), dann Cornelia Zuschke (ok, parteilos aber auf Grünen-Ticket) und jetzt Barbara Boczek (Grüne) besetzt wurde. Ok, angenommen, das Amt ist unwichtig und der OB entscheidet eh alles. Warum wollte und will man es dann besetzen? Eben.

Und jetzt ernsthaft: Seit 1998 wächst Darmstadt wieder, zogen anfangs rund 1000 Neubürger pro Jahr in die Stadt sind es inzwischen 2000 pro Jahr. Die Erklärung dafür ist aber nicht die Farbenlehre der jeweiligen Regierungskoalition (1998 übrigens rot-grün) sondern, dass Darmstadt zu den Schwarmstädten gehört, wo junge Menschen wegen Ausbildung, Studium und Arbeitsplatz hinziehen. Und dann Freunde, Bekannte und andere nachholen, weil es dort so klasse sein soll.

Jetzt sind die Darmstädter Hochschulen und Unternehmen aber auch nicht in den vergangenen sechs Jahren entstanden, die gibt es schon etwas länger, Merck beispielsweise seit 1668, die Technische Hochschule seit 1877.

Bevölkerungszuwachs war das einzige Beispiel, das genannt wurde. Daher kann ich jetzt mit der Klugscheißerei schon aufhören.

Die CDU gibt die CPU

Der Vergleich mit der Bundestagswahl 2013 zeigt, dass die Union von über 40 Prozent auf um die 30 Prozent in den Umfragen abgestürzt ist (Zur Dramatisierung habe ich die schlechtesten Werte genommen, die hatte die INSA-Umfrage vom 7. März 2013).

Ich kann ja verstehen, dass die CDU zur CPU (Christlich-panische Union ) wird, wenn die Union in Umfragen auf 30,5 und die SPD auf 31,5 Prozent kommt. Und dann unreflektierte unterirdische Banner gepostet werden, wie dieses oder jenes).
Aber erstens vergisst die Union ihre Geschichte. Unter Helmut Kohl sah es zum Anfang eines Wahljahrs immer schlecht aus und es hat trotzdem viermal geklappt. Zweitens: Die Union hatte bei der Bundestagswahl über 41 Prozent. Und dass sie jetzt bei 30 + x gehandelt wird, ist nicht der „Erfolg“ der SPD oder Martin Schulz‘ … und das weiß auch die Union.

Disclaimer: Ich bin übrigens nach Schröder weit davon entfernt, nochmal einem SPD-Kanzerkandidaten zu vertrauen.

"Partsch wird die Wahl ohnehin haushoch gewinnen"

Ha, die Darmstädter Oberbürgermeisterwahl am 19. März ist gelaufen! „Der grüne Oberbürgermeister Jochen Partsch wird die Wahl ohnehin haushoch gewinnen“, sagt der Politikwissenschaftler Björn Egner. Naja, genauer gesagt, sagt er, dass sich die Darmstädter CDU das wahrscheinlich so überlegt hat, als sie keinen OB-Kandidaten aufstellte.

hessenschau.de: „Dass die CDU so schlecht abschneidet, ist bemerkenswert“ – „Ich kann schon verstehen, dass (die CDU) nicht antritt. Sie weiß: Der grüne Oberbürgermeister Jochen Partsch wird die Wahl ohnehin haushoch gewinnen. (… Die CDU) hat dort außerdem offenkundig ein Personalproblem.“

Wobei meiner Meinung nach die CDU kein Personalproblem hat, Bürgermeister Rafael Reißer, Kämmerer André Schellenberg oder die ehemalige Kultusministerin Karin Wolff müssten schon wissen, wie man regiert. Und die Stadtverordneten Roland Desch und Wilhelm Kins haben in ihrem Berufsleben größere Behörden bzw. eine Versicherung geleitet.

Kommentar: Die grün-schwarze Koalition in Darmstadt spielt auf Zeit

Die Zusammensetzung des am 6. März 2016 neu gewählten Darmstädter Stadtparlaments.

Da Grüne und CDU seit der Kommunalwahl keine Mehrheit mehr haben, aber zusammen weiterregieren wollen, brauchen sie einen Partner. Es scheint ein paar Entscheidungen gegeben zu haben, wie das Echo meldet.

Echo online: Es läuft auf Uffbasse hinaus

Endlich. Kommunalwahl war am 6. März, nun bist bald der 6. Juni. Warum dauert das so lange? Auch wenn im Stadtparlament neun Gruppen sitzen, schwieriger wurde die Koaltionsfindung dadurch nicht, da erstens nur ein dritter Partner gesucht werden musste und zweitens es nur zwei Aspiranten gab. Warum also erst jetzt? Von schwierigen Verhandlungen höre ich nichts.

Ich vermute ja, dass Grüne und CDU viel Zeit haben, weil es keine Mehrheit gegen sie gibt. Eine Koalition ohne Grün-Schwarz aus SPD, Uffbasse, FDP, Uwiga, Linke und den Piraten hätte ja keine Mehrheit gehabt. Und mit der AfD will ja keiner. Also spielte die Zeit für die alte Koalition, denn hauptamtliche Dezernenten können nur in den ersten sechs Monaten nach der Kommunalwahl vorzeitig ohne Zweidrittelmehrheit abgewählt werden.

Und wann ist man als Wahlverlierer in einer so guten Lage? Mehrheit verloren und Weiterlesen

Flashback 2011: Grüne und CDU unterschreiben Koalitionsvertrag

Im Mai 2011 wurde die erste grün-schwarze Koalition für Darmstadt und in einer hessischen Großstadt vorgestellt. Ich hatte damals dazu etwas für die Bessunger Neuen Nachrichten geschrieben. Man kann jetzt ja schön vergleichen. Eine Sache aus dem Artikel hatte die Koalition nach der Haushaltsklausur dann auch kassiert, viel Spaß beim Suchen:

Am 20. Mai 2011 wurde bei strahlendem Sonnenschein auf dem Hofgut Oberfeld
die grün-schwarze Koalition besiegelt.

Drei Wochen grün-schwarze Koalitionsverhandlungen, drei Wochen ohne dass etwas in den Medien „durchgestochen“ wurde, endeten vergangene Woche Freitag (17. Mai 2011) mit der Koalitionsvertragsunterzeichnung auf dem Hofgut Oberfeld. Ähnlich wie die Ampelkoalitionäre vor fünf Jahren (damals im Darmstadtium) hatten die Grüne und CDU eine Baustelle – das Hofgut Oberfeld – als Unterzeichnungsort ausgewählt. Während die meisten Grünen-Vertreter mit dem Fahrrad in den Hofguthof fuhren, kamen die CDU-Vertreter durchweg zu Fuß – weil die Unionschristen ihre Autos auf dem Parkplatz außerhalb abgestellt hatten. Zwei Tage zuvor Weiterlesen

Flügelschlagen bei der CDU in Darmstadt

Mal am Rande, weil das wegen der langen SPD-Tradition in der Stadt immer gerne untergeht: Auch die CDU hat so ihre Flügel. Nur sind die nicht so auffällig wie die Gruppen um die beiden Sozialdemokraten Günther Metzger und Peter Benz in den achtziger Jahren. Zumal die Union in Darmstadt zwischen 1996 und 2011 nicht mitregierte und es wenig zu verteilen und auch weniger Aufmerksamkeit gab – oder erinnert sich einer an die Querelen in der hessischen AfD 2013/2014?

Beim CDU-Parteitag konnte der Kollege die CDU-Flügel von der Stimmung her und auch bei den Zahlen greifen.

Echo online: Schwaches Ergebnis für neuen Darmstädter CDU-Vorsitzenden – Zum erwarteten großen verbalen Schlagabtausch war es nicht gekommen, wenngleich sich zwei Lager bei den späteren Reden zeigten.

Und vier Tage vorher gab es eine überraschende Kampfkandidatur um den Fraktionsvorsitz.

Aber das ist auch nicht so neu. 2008 zeigte sich das Weiterlesen

HR fragt nach schwarz-grünem Kuschelkurs

Also echt, liebe Kollegen vom HR, aber beim Thema „schwarz-grüner Kuschelkurs“ kann man sich besser vorbereiten und ein bisschen mehr nachhaken.

hessenschau.de: Interview zur Strategie-Debatte Grünen-Spitze findet sich nicht zu kuschelig

Es gibt ja nicht nur das Flüchtlingsthema. Was ist mit dem Grünen-Kurs beim Terminal 3? 2013 hieß es noch: „…und keinen Bau des Terminals 3“. Und was ist mit dem Kuschelkurs beim NSU-Komplex? Weder CDU noch Grüne haben im Landtag für den Ausschuss gestimmt. Aber die Vorfälle stammen schließlich aus der Zeit der CDU-Alleinregierung. Und 2006 klangen die Grünen da noch ganz anders.

taz: Schwarz-grüne Nebelkerzen Ein Untersuchungsausschuss in Wiesbaden soll den NSU-Skandal aufklären. Aber dafür interessieren sich die dortigen Koalitionspartner nur bedingt.

Überlegungen zur künftigen Dreier-Koalition in Darmstadt

Die Zusammensetzung des am 6. März 2016 neu gewählten Darmstädter Stadtparlaments. Irgendwann werden dafür die Farben ausgehen.

Irgendwie ist das Kommunalwahlergebnis von 2016 ein deja vu auf 2006. Der große und der kleine Koalitionspartner haben einige Prozente verloren und brauchen nun einen dritten Partner.

Waren es 2006 SPD (~29%) und Grüne (~15%), sind es jetzt Grüne (~29%) und CDU (~18%). Allerdings fehlt 2016 eine zweite Partei mit ~30% (das war 2006 die CDU, 2016 hat die SPD ~17%), diese Stimmen sind unter AfD, FDP, Linke, Piraten, Uffbasse und Uwiga verteilt.

Und wie 2006 erscheint Uffbasse als guter Partner. Klar, die haben eine rein Darmstädter Agenda, eine Bundes- und Landesebene funkt da nicht dazwischen. Und als „Kämpfer gegen das Etablierte“ (Echo online: „Wir kämpfen gegen das Etablierte“) gilt Uffbasse auch als eine Gruppe, die nicht so scharf auf einen Sitz im hauptamtlichen Magistrat ist und lieber ihre Inhalte umgesetzt sehen würde.

Bei den Kommunalwahlen 1993 und 1997 konnte man nur ganze Listen wählen. Seit 2001 darf man zudem Kumulieren und Panaschieren und es gibt nur noch eine 1-Sitz-Hürde.

Da wäre die FDP schon anders drauf, die Weiterlesen