Trolle im Wahlkampf: Bevölkerungswachstum

Neulich behauptete einen Grünen-Freud im Wahlkampf folgendens auf Facebook Darmstadt …

Manchmal ist das auf fb schon spaßig. Die jetzige grün-schwarze Koalition in Darmstadt sei in sechs Jahren erfolgreicher gewesen als die SPD die 60 Jahre davor, behauptet einer. Und als er nach einem Beispiel gefragt wird, werden als einziges die Einwohnerzahlen von 2011 und 2016 genannt. Ok, da wären zwar auch Bürgerversammlungen gewesen, die es vorher noch nie gab (eine zur Nordostumgehung lass ich jetzt mal unter den Tisch fallen), aber gut.

(Nachtrag: Dieses Manöver „steile These und ein drister Beleg“ ist übrigens die Taktik eine politischen Trolls. Denn während man sich an dem Beleg abarbeitet und guckt, ob der stimmt, kann der schon die nächste Behauptung in die Welt setzen etc.)

Da ich keine Lust habe, mich auf fb rumzuärgern (und am Ende gelöscht zu werden, weil der Kommentator seinen Kommentar und die daran anhängenden löscht) hier mal eine kleine Analyse (hier habe ich ja Hausrecht, das macht alles besser kontrollierbar, hier lasse nur ich Beiträge verschwinden. :-D).

Eigentlich könnte ich es ganz kurz machen: Unglaublich aber wahr, aber die Einwohnerzahl Darmstadts wuchs schon die 60 Jahre davor. 1950 waren es 95.000, im Jahr 2010 waren es 144.000. Das sind 1,5 mal mehr als 1950. Bis 2016 wuchs die Bevölkerung dann auf 160.000 Einwohner. Das ist um das 1,1-fache. Also waren die Sozis (gegen die geht ja die Behauptung) erfolgreicher, die Stadt wachsen zu lassen.

Tata.

Bevölkerungsentwicklung Darmstadt 1939-2016

Dabei wäre ich sowieso vorsichtig, die Stadtentwicklung der vergangenen 60 Jahre komplett der SPD in die Schuhe zu schieben. Das haben die Genossen womöglich gar nicht verdient. Zwischen 1971 und jetzt war das Baudezernat nämlich wie folgt besetzt:

Herbert Reißer (CDU), Rafael Reißers Vater, war zwischen 1971 und 1980 Stadtbaurat, Wolfgang Rösch (CDU) war von 1981 bis 1994 Baudezernent. Bis dahin wurden hauptamtliche Dezernate noch mit einzelnen Oppositionspolitikern besetzt. Ihm folgte Michael Siebert von den Grünen, er war Bürgermeister und Baudezernent. Dann krachte die Koalition und von 1996 bis 1997 war Wolfgang Gehrke (CDU) Bürgermeister und Baudezernent, dann war Hans-Jürgen Braun (Grüne) Baudezernent (bis (2003). Dieter Wenzel (SPD) folgte ihm nach und 2009 wiedergewählt. Seit 2011 entscheiden die Grünen über das Baudezernat, das mit Brigitte Lindscheid (Grüne), dann Cornelia Zuschke (ok, parteilos aber auf Grünen-Ticket) und jetzt Barbara Boczek (Grüne) besetzt wurde. Ok, angenommen, das Amt ist unwichtig und der OB entscheidet eh alles. Warum wollte und will man es dann besetzen? Eben.

Und jetzt ernsthaft: Seit 1998 wächst Darmstadt wieder, zogen anfangs rund 1000 Neubürger pro Jahr in die Stadt sind es inzwischen 2000 pro Jahr. Die Erklärung dafür ist aber nicht die Farbenlehre der jeweiligen Regierungskoalition (1998 übrigens rot-grün) sondern, dass Darmstadt zu den Schwarmstädten gehört, wo junge Menschen wegen Ausbildung, Studium und Arbeitsplatz hinziehen. Und dann Freunde, Bekannte und andere nachholen, weil es dort so klasse sein soll.

Jetzt sind die Darmstädter Hochschulen und Unternehmen aber auch nicht in den vergangenen sechs Jahren entstanden, die gibt es schon etwas länger, Merck beispielsweise seit 1668, die Technische Hochschule seit 1877.

Bevölkerungszuwachs war das einzige Beispiel, das genannt wurde. Daher kann ich jetzt mit der Klugscheißerei schon aufhören.