Das war Versuchung bei der Union wohl doch zu groß

Was die Unionsanträge auf jeden Fall gebracht haben: Mobilisierte Linke, Sozialdemokraten und Grüne. Am 31. Januar demonstrierten in in Darmstadt linke Gruppen gegen CDU, CSU und AfD.


Ich habe mir ja auch so meine Gedanken gemacht zu dem was diese Woche im Deutschen Bundestag so passiert.
Die AfD hat in den Umfragen seit längerem um die 20 Prozent. Woher kommen die? Denn, Überraschung, die Partei war ja mal so gut wie abmeldet. Das war im August 2015. Bei der Forschungsgruppe Wahlen hatte die Alternative für Deutschland 3,0 Prozent, bei Allensbach waren es 3,5 Prozent. Die Partei, die auch immer wieder Querelen in ihren Landesverbänden hatte, war so gut wie abgemeldet. Aber dann bekam die AfD Aufwind. Und ich bringe den mit der Flüchtlingslage ab September 2015 zusammen. Was man aber hätte ahnen können. Schweden hatte schon vor 2015 mehr Flüchtlinge aufgenommen als Deutschland. In Schweden waren deswegen ab 2006 die rechten Schwedendemokraten im Stockholmer Reichstag.
Mit der Flüchtlingslage hatte die AfD, die 2013 als „Professorenpartei“ gestartet, gegen die Rettungen im Euro-Raum und bei der Bundestagswahl 2013 mit 4,7 Prozent gescheitert war, endlich ein Thema. Was auch ganz gut zu dem Parteiflügel passte, der eher national als wirtschaftsliberal unterwegs ist und die Professoren nach und nach abgewählt oder vertrieben hatte.
Eigentlich hat sich die AfD mit dieser Rechtsverschiebung, spielen mit NS-Duktus („Alles für Deutschland“) und NS-Verharmlosungen („Fliegenschiss“) keinen Gefallen getan. Ohne dies wäre die Partei, so meine Einschätzung, schon längst in Koalitionen mit der CDU und der CSU.
Aber wegen dieser extra-rechten Ausrichtung wollte und will keine der anderen Parteien was mit der AfD zu tun haben. Der aktuelle CDU-Vorsitzende sprach von einer „Brandmauer“ – und das mit ihm als Parteichef die AfD halbiert werde, aber das nur als Spitze am Rande.
So, und jetzt hat die Alternative um die 20 Prozent in den Umfragen. Weil sich – so meine Deutung – für diese Wählerinnen und Wähler seit neuneinhalb Jahren in der Migrationspolitik zu wenig oder nicht reagiert wurde.
Ich vermute, die Unionsstrategen werden irgendwann festgestellt haben, dass ihre Brandmauer ihrer Partei ja gar nicht hilft. Sondern nur dafür sorgt, dass sie Parteien wie SPD und Grünen in ihre Regierungen holt. Weswegen nach und nach CDU- und CSU-Wähler zur AfD wechseln. Zur Erinnerung: 2013 hatte die Union bei der Bundestagswahl 41,5 Prozent. 2017 waren es 32,9 Prozent und 12,6 Prozent für die AfD.
Um nicht mehr der AfD „die Lufthoheit über den Stammtischen“ (so sagte das mal früher Franz-Josef Strauß) und in den Online-Netzwerken zu überlassen, musste also was passieren. Was meiner Meinung nach für alle Parteien interessant sein sollte. Denn die AfD bestimmt den Diskurs.
Und so kam der CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz zusammen mit seinen Leuten wahrscheinlich auf die Idee mit den aktuellen Anträgen und einem Gesetzesvorschlag. Mit der Einladung, dass ja jede Fraktion mitstimmen könne.
Und jetzt mein Aber: Wenn man anbietet, sich und die anderen etablierten Parteien mal wieder vor die Lage bringen und die demokratische Mitte stärken, dann prescht man nicht alleine vor. Da läd man vertraulich FDP, Grüne und SPD ein und bespricht das, ohne vorab irgendetwas anzukündigen. Und erst dann tritt man zusammen vor die Kameras und präsentiert gemeinsam, dass die etablierten Parteien fähig sind, auf die Lage zu reagieren. Okay, ob da nicht doch was durchgestochen worden wäre, weiß ich nicht.
Aber da war die Versuchung und die Hoffnung bei der Union wohl doch zu groß, alleine Punkte zu machen. Am 23. Februar wissen wir, ob dieser Plan aufging.

Jedenfalls ist eine Sache gelungen: Menschen, die CDU, FDP und AfD nicht wählen, sind jetzt wahrscheinlich mobilisiert. Am 31. Januar waren deswegen rund 5000 Menschen bei einer Demo in Darmstadt, am 1. Februar kamen rund 2000 Menschen in Darmstadt zusammen.








Verzögerte Vertrauensfrage – Olaf Scholz nutzt eine einmalige Lage aus

Bundeskanzler Olaf Scholz nutzt mit dem Verzögern der Vertrauensfrage etwas aus, was es noch nie gab: Ein konstruktives Misstrauensvotum gegen die rot-grüne Minderheitsregierung geht nur mit der AfD. Ich glaube aber nicht, dass Friedrich Merz diese Kooperation wagt.

Ja, Schwarz-Grün-Gelb, also Jamaika, ginge auch, aber das hat der Meisterstratege und wegen seiner Grünenfeindlichkeit bekannte Markus Söder aus Bayern ja inzwischen verbaut.

Ich glaube auch nicht, dass die Grünen im Moment nochmal mit der FDP koalieren wollen. Und die Union eigentlich auch nicht – wenn sie sich an die holprige Koalition zwischen 2009 und 2013 erinnert.

Bleibt also abzuwarten, wie sich die Stimmung entwickelt und ob Olaf Scholz dann doch vor Mitte Januar die Vertrauensfrage stellt.

Nebenbei: „Sofort“ Neuwahlen geht alleine schon deswegen nicht, weil die Parteien noch ihre Listen- und Direktkandidaten aufstellen müssen können. Und auch für diese Parteitage gibt es Fristen, die einzuhalten sind. Und ich weiß nicht, ob dann eine Wahl zwischen Weihnachten und Heilige Drei Könige wirklich gewollt ist.

Nachtrag: Olaf Scholz‘ Vorhaben, die Vertrauensfrage erst im Januar zu stellen, kann natürlich auch dazu führen, dass die SPD Sympathiepunkte verliert. Das kann aber bei jedem politischen Manöver passieren. Und ich habe manchmal das Gefühl, dass diese Unsicherheit das ist, was den Reiz der Politik ausmacht.

Große Koalition und doch kein schnelles Ende

SPD und CDU überlegen, wie sie aus dem Stimmungstief (wenn nicht noch mehr) herauskommen könnten. Nur ist das nicht so einfach. Das zeigen Überlegungen bei „Zettels Raum“:

Warum das mit dem Kanzlerinnenwechsel oder einem vorzeitigen Ende der sogenannten „großen Koalition“ nicht so einfach sein könnte:

Zettels Raum: Die große Lösung und die lästigen Formalien – (…) Frust bei Landtagswahlen sind schlicht kein akzeptabler Grund um einen Koalitionsvertrag aufzukündigen (…) der Hoffnungsträger ist zwar CDU-Chef – muß aber feststellen, daß das wenig reale Macht bedeutet. (…) Natürlich könnte Merkel auch als Kanzlerin freiwillig zurücktreten.(Aber dann) muß der Hoffnungsträger (mit SPD oder FDP und Grünen sprechen). (Nur), die Grünen fühlen sich inzwischen viel stärker als ihr Wahlergebnis 2017(…)

Überlegungen zur künftigen Dreier-Koalition in Darmstadt

Die Zusammensetzung des am 6. März 2016 neu gewählten Darmstädter Stadtparlaments. Irgendwann werden dafür die Farben ausgehen.

Irgendwie ist das Kommunalwahlergebnis von 2016 ein deja vu auf 2006. Der große und der kleine Koalitionspartner haben einige Prozente verloren und brauchen nun einen dritten Partner.

Waren es 2006 SPD (~29%) und Grüne (~15%), sind es jetzt Grüne (~29%) und CDU (~18%). Allerdings fehlt 2016 eine zweite Partei mit ~30% (das war 2006 die CDU, 2016 hat die SPD ~17%), diese Stimmen sind unter AfD, FDP, Linke, Piraten, Uffbasse und Uwiga verteilt.

Und wie 2006 erscheint Uffbasse als guter Partner. Klar, die haben eine rein Darmstädter Agenda, eine Bundes- und Landesebene funkt da nicht dazwischen. Und als „Kämpfer gegen das Etablierte“ (Echo online: „Wir kämpfen gegen das Etablierte“) gilt Uffbasse auch als eine Gruppe, die nicht so scharf auf einen Sitz im hauptamtlichen Magistrat ist und lieber ihre Inhalte umgesetzt sehen würde.

Bei den Kommunalwahlen 1993 und 1997 konnte man nur ganze Listen wählen. Seit 2001 darf man zudem Kumulieren und Panaschieren und es gibt nur noch eine 1-Sitz-Hürde.

Da wäre die FDP schon anders drauf, die Weiterlesen

Wahl Sachsen-Anhalt: Knapp an „Weimar“ vorbei

Weimar liegt in Thüringen, ist aber auch Synonym für die erste deutsche Republik, die 1933 endete. Und ein Schritt auf dem Weg zum Ende 1933 war die Reichstagswahl vom 31. Juli 1932. Damals hatten NSDAP und KPD eine Mehrheit im Reichstag. Zusammen regieren konnten und wollten sie nicht, aber sie konnten jede Regierung blockieren.

Das war „Weimar“, wenn man in Diskussionen den Teufel an die Wand malen will, nicht die vielen Parteien im Reichstag, nicht die Volksentscheide, nicht der vom Volk direkt gewählte Reichspräsident und auch nicht das Regieren mit Notverordnungen. Die destruktive Mehrheit der extremen Rechten und der extremen Linken, gegen die nichts mehr ging, war das Problem.

Wikipedia: Sie konnten jede Regierung zum Rücktritt zwingen, indem sie auf der Basis von Artikel 54 der Weimarer Verfassung mittels Reichstagsabstimmung Minister einzeln abwählten.

Und an so einem Patt ist Sachsen-Anhalt gerade so vorbeigeschrammt, weil die FDP es nicht und die Grünen es noch mit 5,2 Prozent in den Landtag geschafft haben. Ansonsten hätten CDU und SPD auf der einen Seite um die 40,4 Prozent sowie Linke und AfD 40,6 Prozent gehabt, was vermutlich ein Sitz mehr für AfD und Linke bedeutet hätte.

Doch eine gute Prognosequalität

Nun, Jörgs Kommunalwahl-Prognose lag mit ihren je 22 bis 23 Prozent (und damit je 16-17 Sitzen) für CDU, Grüne und SPD qualitativ richtig. Ich erinnere mal an meinen Eintrag von vorgestern:

Mal rumspinnen vor 18 Uhr: Bei allen Unschärfen könnten CDU, Grüne und SPD – sagen wir mal – je 16 oder 17 Sitze haben. Also 32 oder 34 für die jetzige Koalition, aber man bräuchte schon 36 bei 71 Sitzen. Wer wird in diesem Bund dann der Dritte?

Und das ist passiert. In Summe haben Grüne (21) und CDU (13) 34 Sitze, was Weiterlesen

Zwischenstand: 34 Sitze für Grüne und CDU

In Darmstadt wird morgen weiter ausgezählt, die Verwaltung hat 80 von 117 Wahlbezirken zusammen. Demnach teilen sich die Fraktionen die Mandate vorerst wie folgt auf:

CDU: 13
SPD: 12
Grüne: 21
Linke: 5
FDP: 4
Uffbasse: 5
Uwiga: 3
Piraten: 1
AfD: 7

Das sind 34 Sitze für Grüne und CDU. Gestern abend waren es bei den reinen Listenkreuzen noch 35 Mandate, die Grünen haben bis jetzt einen Sitz beim Kumulieren und Panaschieren verloren.

Mal rumspinnen vor 18 Uhr: Was, wenn SPD, CDU und Grüne in Darmstadt nur um die 22 Prozent bekommen?

Die geschätze mögliche Sitzverteilung im künftigen Stadtparlament. Basiert natürich nur auf Überlegungen, nicht auf prognostischen Daten – soviel Geld ist hier nicht über.

Bei Jörg im darmundestad-Blog gibt es ja einen Kommunalwahl-Tipp, mit Prozenten und so. Ich war mit Zahlen-Voodoo auf ähnliche Überlegungen gekommen – sonst hätte ich mir diesen Blogeintrag gespart.

Denn eigentlich bin ich ja nicht so der Prognosenfreund, ich halte es ja lieber mit „erfahrene Propheten warten den Gang der Ereignisse ab“ ;-), aber die mögliche Darmstädter Koalitionen bei Jörgs Ergebnis sind Weiterlesen

Keine Koalition am Lichtwiesenweg

Hier am Lichtwiesenweg würde die Straßenbahn zur Lichtwiese losgehen.

Den Lichtwiesenweg entlang soll eine Straßenbahntrasse gebaut werden. Die Bürgerinitiative, die gegen die Trasse ist, hatte für gestern (Sonntag, 28.), laut eigener Ankündigung TU-Präsidium und Stadtverordnete aller Fraktionen eingeladen. Gekommen waren um die 50 Gegner der Trasse sowie Stadtverordnete und Kandidaten von FDP, Linke, SPD, Uffbasse und Uwiga.

Vertreter der Koalition (des Neuen Politikstils) aus Grünen und CDU waren nicht gekommen – ich hatte keine gesehen – oder sie hatten sich nicht geoutet.

Nachtrag: Eine CDU-Stadtverordnete und ein -Kandidat waren anwesend und still, aber keine aus der ersten Reihe. Damit Weiterlesen

Was so an Arbeit dahintersteckt

Es steckt ja immer mehr Arbeit dahinter als man sieht. Hier mal ein Text, dem man etwas Recherche beim Lesen ja auch nicht so eben ansieht. Ich habe mal gelb markiert, was ich außerhalb des Termins zusammensuchte.

Mein Artikel vom FDP-Neujahrsempfang am Dienstag (9.2.2016). Gelb marktiert ist das nach- und gegenrecherchierte. (Da das Echo eine Paywall hat, ist der Text unscharf.)

Beim FDP-Neujahrsempfang (Echo online: „Fünf Jahre Stillstand sind genug“) habe ich zum Beispiel noch in die von Leif Blum erwähnte Bürgerumfrage geguckt und die Zahlen rausgesucht. Und zu der Landesgartenschau 2014 in Gießen (Darmstadt bewirbt sich für 2022) habe ich auch erstmal suchen müssen. Allerdings fand ich nichts richtiges zum Gießener Defizit außer den Zahlen, die von der Stadt Gießen selbst kommen.