Holpriger Start der neuen Darmstädter Koalition

In Darmstadt gibt es nun eine Koalition aus den regierungserfahrenen Kommunalwahlverliererinnen* Grüne (minus 2,3 Prozent) und CDU (minus 2,6 Prozent) und der neu ins Parlament gekommenen Wahlgewinnerin Volt (plus 6,9 Prozent).

Die neue Koalition startet aber so holprig, als ob alle drei Partner ganz frisch in der Stadtregierung und immer noch überrascht sind, dass sie nun gewählt sind. Grüne und CDU regieren seit 2011 zusammen (vor zehn Jahren hatten sie noch 32,9 beziehungsweise 24,6 Prozent).

Da wurde ohne Not an der Anzahl der Ausschusssitze rumgeschraubt, ebenso plante man plötzlich, die Anzahl der ehrenamtlichen Magistratsmitglieder zu erhöhen (ließ es dann aber doch).

Dann wurden die grüne Baudezernentin Barbara Boczek und der CDU-Bürgermeister Rafael Reißer abgewählt. Bei der Dezernentin (die meiner Meinung nach nicht die beste Kraft auf dem Posten war) wird das von ihrer Partei fachlich begründet – nur mit einer Wortwahl, als ob sie der Opposition angehört hätte. An der Steigerung „Feind, Erzfeind, Parteifreund“ scheint was dran zu sein.

Beim Bürgermeister (der meiner Meinung nach auch nicht die beste Kraft auf dem Posten war) gibt es hingegen so viel Lob, so dass man sich fragt, warum diese Spitzenkraft nun gehen muss? Zumal ja ein weiterer hauptamtlicher Dezernentenposten geschaffen werden soll. Einen Bedarf, den man aber auch erst nach der Kommunalwahl feststellte.

Nun stellen die Grünen mit Jochen Partsch Oberbürgermeister und mit Barbara Akdeniz die Bürgermeisterin. Was ich für nachvollziehbar halte, wenn man den Koalitionsproporz irgendwie abbilden will.

Wenn Volt einen hauptamtlichen Stadtrat stellt und die CDU bald auch wieder zwei, dann ist das von den Prozenten aus dem Wahlergebnis (27,4 zu 15,6) her etwas unausgewogen, dann passt das auch nicht zum Abstand zwischen CDU und Grünen. Aber ein Magistrat mit sechs Dezernenten (3 Grüne, 2 CDU, 1 Volt, OB läuft bei mir extra, weil direkt gewählt) ist unter Umständen nicht vermittelbar. Also bekommen die Grünen auch den OB-Stellvertreter.

Ich will auch nicht ausschließen, dass vier hauptamtliche Dezernenten zu wenig sind und fünf die Arbeit besser schaffen könnten (denn seit 2011 lief nunmal nicht alles rund).

Noch was zum Wahlergebnis: Die Darmstädter Grünen liegen so gar nicht Trend, denn hessenweit haben die Grünen 7,1 Prozent dazugewonnen. Die CDU hat hessenweit 0,5 Prozent verloren. Interessant: Die Grünen haben in Darmstadt mehr Stimmen (stumpf umgerechnet haben 1000 Menschen mehr Grüne gewählt) als bei der Kommunalwahl 2026, aber die Wahlbeteiligung ist aber von 47,8 Prozent auf 54,7 Prozent gestiegen, so dass andere auch mehr Stimmen bekommen haben. Allerdings ist die Einwohnerzahl Darmstadts auch gewachsen und die Grünen sind zur Zeit ja so „in“ wie es die SPD mit Willy Brandt in den 1970er war. Da wäre es ja auch seltsam, wenn unter den Zugezogenen nicht auch Grünen-Wählerinnen und Wähler wären.

* – Ja, nicht nur Grüne und CDU haben verloren, auch AfD, SPD, Uwiga und Uffbasse haben weniger Prozente als 2016. Und die AfD hat sich dabei sogar von 9,2 auf 4,6 Prozent halbiert.

Gründe für Armin Laschet

„Vier Gründe, warum Laschet trotzdem Kanzler wird“, kennt Wolfram Weimer und erzählt uns davon auf n-tv.de.

Ich kenne noch einen: Er wir so relativ normal. Der Typ Familienvater, der nur das Beste will, aber eben nicht alles kann, und eben auch nicht Virologie, wie ganz, ganz viele andere von uns auch nicht. Der auch mal was verschusselt, es dann aber auch ausbügelt, auch wenn er es dabei übertreibt (Spiegel: Klausuren verloren, Noten ausgedacht).

Und er ist kein Bayer (in dem Fall sind auch Franken Bayern, tut mir leid). Was außerhalb Bayerns und besonders im Norden doch ganz hilfreich ist. Was aber kein Grund ist, warum Armin Laschet Kanzler wird, sondern, warum es Markus Söder nicht geworden wäre.

Dass ich finde, dass die Union nach 16 Jahren in der Bundesregierung mal abgewählt werden sollte, steht auf einem anderen Blatt.

Was wäre bei einen Shutdown ab Anfang Oktober 2020 mit den Coronavirus-Fallzahlen passiert?

Der Physiker Markus Pössel hat mit Zahlen (den R-Werten) aus dem Shutdown vom Jahresanfang 2021 berechnet, was man mit einem ähnlichen Shutdown ab Mitte Oktober 2020 vielleicht hätte verhindern können.

Seine Fragestellung war: „Was, wenn Bundesregierung und Landesregierungen Mitte Oktober angesichts der klaren Warnzeichen ähnliche Maßnahmen durchgesetzt hätten, wie wir sie im Januar-Februar 2021 dann tatsächlich getroffen haben, und die Menschen entsprechend gehandelt hätten? Entweder für 8 Tage oder für 4 Wochen?“

Und er kommt zu dem Ergebnis:

scilogs.spektrum.de: Wie es alternativ hätte laufen können – „Ja, die meisten Corona-Sterbefälle, die wir bis heute beklagen, hätten verhindert werden können. Wenn die Entscheidungsträger*innen im Oktober andere Entscheidungen getroffen hätten.“

Wir erinnern uns. Ende September 2020 steigen die Coronavirus-Fallzahlen. Die niedrigen Werte vom Sommer waren langsam wieder angestiegen und nun in einem Bereich, in dem sie in ein schnelleres expoentielles Wachstum kippen konnten. (Nebenbei: Das zeigt auch, dass die 7-Tage-Inzidenz von 35 auch nicht der Wert ist, bei dem die Gesundheitsämter Infektionen noch nachverfolgen und isolieren können. Denn die Inzidenzen lagen im Sommer ja unter 35 und sie stiegen trotzdem auf über 100.)

Fallzahlentwicklung bei den Coronavirusinfektionen zwischen März und Ende September 2020.

Also, die Bundeskanzlerin warnte während einer Konferenzschaltung des CDU-Präsidiums vor 19.200 Fällen pro Tag an Weihnachten, wenn das so weitergehe.

tagesschau.de, 28. September 2020: Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zuvor nach Angaben aus CDU-Parteikreisen vor einer massiven Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland gewarnt. „Wenn es so weitergeht mit dem Trend, haben wir 19.200 Infektionen am Tag“, zitierten Teilnehmer der Konferenz laut „Bild“-Zeitung und Nachrichtenagentur Reuters die Kanzlerin.

Am 29. September war dann eine Ministerpräsidentenkonferenz. Aber da wurde kein Shutdown beschlossen, nur ein paar Einschränkungen für die Größe von Veranstaltungen (nzz.de: Bussgelder in der Gastronomie, schärfere Vorgaben für Partys).

Am 14. Oktober 2020 war wieder eine MPK, die Fallzahlen waren inzwischen – auch für Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten – gut sichtbar steil exponentiell am steigen, aber es gab noch immer keinen Shutdown.

Fallzahlentwicklung bei den Coronavirusinfektionen zwischen März und Mitte Oktober 2020.

Erst Ende Oktober 2020 entschlossen sich die Ministerpräsidenten zum „Wellenbrecher Shutdown“.

zeit.de: Bund und Länder wollen die Corona-Infektionszahlen mit massiven Kontaktbeschränkungen über den November hinweg in den Griff bekommen.

Fallzahlentwicklung bei den Coronavirusinfektionen zwischen März und Ende Oktober 2020.

Aus meiner Sicht (und das sage ich seit Ende Oktober 2020, weil ich bis dahin der Politik vertraute) entschlossen sich die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten einen Monat zu spät. Alle. Sechs von der CDU, einer von der CSU, die sieben der SPD, einer von den Grünen und einer von der Linken. Und nein, die „Alternative“ ist keine Alternative.

Neuer Politikstil 2.0 – Wie verderben wir den anderen die Laune am Parlament?

Man könnte ja bei dem Anträge-Hin-und-Her zur konstituierenden Sitzung des Darmstädter Stadtparlaments – mit erst größerem Magistrat und schließlich kleineren Ausschüssen – fast den Eindruck bekommen, hier sollte „den Neuen“ gründlich die Laune verdorben werden. Und vielleicht klappt es ja und die bleiben bei der nächsten Wahl dann weg und man ist wieder fein unter sich?

Nur haben wir dann am Ende genau die Typen Menschen im Parlament (ich rede nicht von Parteien!), die die Bürgerinnen und Bürger da eigentlich nicht drin haben wollen.

Kommunalwahl 2021, eine erste Analyse

Das „Gesamtergebnis“ der Stimmzettel, bei denen nur Listen angekreuzt waren. Online stehen die Zahlen beim eKom21-Votemanager.

Mal eine erste kurze Analyse zum Trendergebnis in Darmstadt.

Die Grünen haben bislang weiterhin ihre rund 29 Prozent, die sie 2016 im Endergebnis schon hatten.

Dabei hätten sie 2021 eigentlich zulegen können oder sogar müssen. Denn der politische Trend spricht für sie. OB Jochen Partsch gewann die OB-Wahl 2017 im ersten Wahlgang. 2018 bei der Landtagswahl holte Hildegard Förster-Heldmann ein Direktmandat. Dann wurde zwischen 2016 und jetzt mehr in Darmstadt umgesetzt als zwischen 2011 und 2016. Nebenan im Landkreis haben die Grünen sechs Prozentpunkte mehr als 2016 und auch der Bundestrend ist grün, siehe Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.

(Nachtrag: Hessenweit haben die Grünen bei den Trendergebnissen 8,1 Prozentpunkte zugelegt, in Darmstadt sind sie aber von 31% (Trend 2016) auf 28,4% (Trend 2021) runtergegangen. 2016 hatte den Grünen hier das Kumulieren und Panaschieren nichts geholfen, da wurden aus 31 Trendprozenten am Ende 29,7 echte Prozente.)

Die Freien Wähler (FWD) und die WGD kommen zur Zeit auf jeweils einen Sitz im kommenden Stadtparlament. Ok, das könnten die Sitze sein, die die Grünen verloren haben. Aber dennoch sind zwei Sitze für die, die die besseren Grünen sein wollten, etwas mau. Vor allem, wenn ich auf Volt gucke, die als nicht orginär Darmstädter Liste aus dem Nichts sechs Prozent holten. Ich vermute, die Vorgeschichte von WGD und FWD hat einen Erfolg verhindert. Denn die beiden Listen sind ja aus einem Bündnis von Bürgerinitiativen hervorgegangen. Was auf die Wähler aber wahrscheinlich wie die Populistische Front und die Volksfront von Judäa wirkte. Und wenn der Wahlkampf der Freien Wähler auch noch so war wie in der Facebook-Kommunalwahlgruppe, dann konnte das nichts werden. Da wurde jeder Kritiker reflexartig weggebissen und auch sonst war man eher borniert als konstruktiv unterwegs.

Bürokratie, der fünfte apokalyptische Reiter

Eine Pandemie ist ein Jahrhundertereignis, aber die Bürokratie kennt nur ihr Klein-Klein. Ein Darmstädter Musiker hat noch vor der Pandemie eine Förderung für eine Tournee bekommen. Aber dieses Geld 2020 dann für ein Album verwenden, das ging nicht.

Und ein Weinhändler mit Gastronomie fällt als Mischbetrieb durch das Unterstützungsnetz des Bundes. Besonders schön: Als Selbstständiger soll man sich ja auf schlechte Zeiten in seinem Unternehmerleben vorbereiten. Dass Bund und Länder trotz Warnung im Jahr 2013 Null auf eine Pandemie vorbereitet waren, ist ja was anderes.

ARD-Mediathek: Bloß durchhalten! Selbstständige trotzen Corona

Kommunalpolitische Gegner aber Geschwister beim Politikstil

Die Freien Wähler Darmstadt haben bei einem ihrer Videos in einer Facebook-Gruppe die Kommentare deaktiviert. Was die wohl sagen würden, wenn die Grünen, gegen die die FWD bewusst antritt, sowas machen würden?

Die Freien Wähler Darmstadt (FWD) haben unter einem ihrer Postings auf der Facebookseite „Kommunalwahl Darmstadt 2021“ die Kommentare deaktiviert. Ich habe das dort ganz allgemein kritisiert und vermutet, dass man das nicht gut finden würde, wenn es die Grünen machen würden. Woraufhin ein Sympathisant der FWD meinte, dass dort Kommentare unnötig seien. Und dass ich bei oder für die Grünen wäre. Als ich widersprach und vorschlug, dass er mal googlet, was ich so mache, bevor er zugibt, dass er sich geirrt hat, lehnte er das ab. Und schrieb gar nichts mehr, als ich ein wenig aus diesem Blog zitiert habe.

Tja, die Nummer zeigt mir leider, dass Teile der Anhänger der FWD (oder die FWD?) einigen Darmstädter Grünen ähnlicher sind, als Ihnen lieb sein wird. Nicht unbedingt bei den Inhalten, aber beim Politikstil.

Nämlich einen, der die Welt in eine mit Freunden und Feinden einzuteilt, eine Welt in der die, die einem frecherweise widersprechen, zu den „Feinden“ gehören und per se schlechte Menschen sind, die man dissen darf. Ich erinnere da nur an den Kommentar eines Grünen-Stadtverordneten, der mir „allgemein bekannte Grünen-Feindlichkeit“ unterstellte, als ihm die Argumente ausgingen und er die für Darmstadt typische grüne Nebelkerze zündete.

Nebenbei: Wenn der FWD-Anhänger mich nicht kennt, dann kann das mit der „allgemein bekannten Grünen-Feindlichkeit“ nicht so ganz stimmen.

Zurück zum Politikstil: Solche Leute kommen nicht gar darauf, dass es einem wie mir eher wichtig ist, dass Politik mehr als Parteipolitik ist, dass es um die Sache, einen vernünftigen Umgang und Stil geht.

Politik, besonders in der Kommune ist für mich eine „öffentliche Sache“ bei der alle Demokraten eingebunden werden sollten. Es geht um das Ringen um die beste Lösung und nicht um „gute Idee, leider nicht von uns, also Nein“. Politik ist nicht etwas bei der eine Gruppe andere ausgrenzt, ignoriert, abbügelt und nur diskutiert, wenn es einem in den Kram passt – sowie sagt, „jetzt haben wir die Mehrheit, was ihr wollt ist egal, lasst uns mal machen, das ist unsere Sache“.

Kurz: Ich bin für „Res Publica“ und gegen „Cosa Nostra“.

Nachtrag: Mir ist klar, dass diese Facebook-Gruppe eine übersichtliche Mitgliederanzahl hat und wahrscheinlich treffen sich da sehr viele Kandidaten fürs Stadtparlament, so dass dort eher im eigegen Saft geschmort wird.

* – Ja, es stimmt, man kann hier im Blog nicht (mehr) kommentieren. Was hier leider nur wegen und seit der DSGVO so ist. Könnte man kommentieren, müsste ich aufklären, was beim Kommentieren passiert, ich würde Daten erheben etc.

Ich bin hier im Blog aber auch der Ansprechpartner, wenn einer wissen will, welche Daten ich über ihn habe. Und da man mit solchen Anfragen eine One-Man-Show gut beschäftigen kann, erhebe ich keine Daten. Das Blog setzt keine Cookies, trackt niemanden und ich weiß nicht, wer hier vorbeischaut. Auch der Hosting.Anbieter sammelt keine Daten, soweit ich es deaktivieren konnte.

Immer ein Thema: Bürgermeister auf Wahlplakaten

Ein Wahlplakat der Darmstädter Grünen beim Einkaufszentrum Kranichstein. Dieser Mann auf dem Foto ist der Oberbürgermeister. Aber das steht nicht auf dem Plakat.

Jetzt nimmt ja doch noch eine Wahlgeschichte Fahrt auf, die ich anfangs anders eingeschätzt hatte. Es gibt hier in Darmstadt Wahlplakate der Grünen, auf denen steht „Starke Grüne für Jochen Partsch“. Was auf dem Plakat nicht steht: Dieser Jochen Partsch ist Darmstädter Oberbürgermeister. Er ist auch Mitglied der Grünen.

Zuerst fällt mir ja auf, dass es bei der Kommunalwahl 2016 solche Plakate nicht gab. Und dann sind die Grünen doch eher eine an Inhalten orientierte Partei.

Egal, die Plakate sind der Wählergemeinschaft Uwiga wegen was anderem aufgefallen. Die Uwiga findet, dass der Oberbürgermeister hier neutral sein müsste. Weil es nicht um seine Wahl geht und er auch nicht kandidiert.

Das sehen die Grünen natürlich ganz anders. Und verweisen gegenüber dem Darmstädter Echo auch darauf, dass es andere doch auch machen würden. Und bei Facebook haben Grünen-Sympthisanten auch nichts gegen die Aktion und verweisen ebenfalls auf andere, die es auch so machen würden. (Ob die das auch so sehen würden, wenn die Tempo 30-Sünder auf der Kasinostraße auf andere Tempo-30-Sünder verweisen? In der Grundschule lief das ja so: Rüdiger hatte Blödsinn gemacht, wurde erwischt und sagte „Aber der Freddy hat das doch auch gemacht.“ Und die Lehrerin fragte zurück: „Aha. Und wenn der Freddy aus dem Fenster springt, springst Du hinterher?“)

Allerdings sehe ich auch kein Problem, wenn ein Grünen-Parteimitglied für seine Partei Werbung macht. Auch wenn das Mitglied zufällig Oberbürgermeister ist. Und dann ist die Kommunalwahl ja ein Darmstädter Thema, da kann ein OB auch eine Meinung zu haben.

Aber die Uwiga weist noch auf ein anderes Problem hin: Der Oberbürgermeister ist bei dieser Kommunalwahl der Wahlleiter. Und der müsse unparteiisch agieren.

Hm, da die Grünen ja schauen was andere so tun, schaue ich auch mal: Was haben bei dieser Konstellation andere gemacht? Interessant. Sie traten zurück – also vom Wahlleiteramt. Im Kreis Recklinghausen hatte sich der scheidende SPD-Landrat und Wahlleiter 2020 in einem Video für seinen SPD-Parteifreund als Nachfolger ausgesprochen. Der Landrat gab das Wahlleiteramt ab.

2016 hatte das Verwaltungsgericht Hannover einen SPD-Wahlleiter gerügt: „Die von ihm zwischen erstem Wahlgang und Stichwahl initiierte Informations- und Motivationskampagne hat gegen das Gebot der Chancengleichheit der Wahl verstoßen.

Auch 2016 sagte ein SPD-Bürgermeister in Burgwedel, dass er bei der Kommunalwahl nicht für die Partner SPD und Grüne werben wolle. „Sein Bürgermeisteramt verpflichte zu absoluter Neutralität.

Ok, das war jetzt in NRW und Niedersachsen und wir sind in Hessen. Aber die Einschläge kommen näher: In Rüdesheim hatte 2019 ein Wahlleiter seinen CDU-Parteifreund mit einem Statement unterstützt und gab das Wahlleiteramt danach ab.

Aber es gibt sogar ein Urteil zu einer Wahl in Hessen, und das kam 2003 vom Bundesverwaltungsgericht. Das hob eine Bürgermeisterwahl in Bad Homburg auf. Da hatte der CDU-Amtsvorgänger einseitig für den CDU-Kandidaten Partei ergriffen und als Wahlleiter gegen das Neutralitätsgebot verstoßen. Dazu kam aber noch, dass Informationen zu einem Grundstück nicht weitergegeben worden waren.

Ein Gerichtsurteil von 2008 gibt es allerdings auch, vom „Hof“, wie ihn hessische Verwaltungsjuristen nennen, dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof. Und der hatte als höchstes hessisches Verwaltungsgericht eine Bürgermeisterwahl in Schotten für zulässig erklärt, bei der der SPD-Bürgermeister und Wahlleiter Wahlwerbung für seine Nachfolgerin gemacht hatte.

Tja. Alles wohl doch nicht so völlig eindeutig, wie es Parteistrategen und Fanboys einem verkaufen wollen.

Tempo 30 – und woanderes kommt Darmstadt nicht voran

Die Kasinostraße soll zwischen Frankfurter Straße und Rheinstraße, also auch hier beim Tegut, Tempo 30 bekommen.

Huh, die Darmstädter Autofahrer schreien auf, Tempo 30 auf Teilen der Kasinostraße, zwischen Rheinstraße und Frankfurter Straße. Was ok für mich ist, ich bin ja schon seit den 90ern für Tempo 30 innerorts. Wobei, was ist dann mit den Radwegen auf den Bürgersteigen und der Ampel beim Tegut? Sowas ist doch bei Tempo 30 nicht mehr vorgesehen. Bleibt zu hoffen, dass das nicht von den Verwaltungsgerichten kassiert werden kann.

Echo online: Tempo 30 kommt (€)

Ich werde aber das Gefühl nicht los, dass das ein Wahlkampfmanöver ist, das Grünen und, ja, auch der CDU helfen soll. Der Grünen-OB kann mit dieser “ Executive Order“ (ja, Tempo 30 ist eine Anordnung) seinen Wählerinnen und Wählern zeigen, dass er was tut. Und die CDU kann sich damit profilieren, dass sie sagt, dass sie dagegen ist. Drei Wochen vor der Kommunalwahl am 14. März. Es scheint mir das gleiche Spiel wie damals bei dem Antrag, dass ganz Darmstadt eine Tempo 30-Zone werden soll. Der ja vom Bundesverkehrsministerium abgelehnt wurde.

Die Grünen konnten danach auf die Ablehnung verweisen, dass sie ja den großen Wurf versucht hätten, den aber das böse CSU-geführte Verkehrsministerium* verhindert habe. Und die CDU konnte sagen, dass sie ja nicht so ohne weiteres für Tempo 30 sei und sich als nicht so radikale Verkehrspolitiker darstellen.

Und jetzt wäre es auch eine schöne Sache, wenn auch das Tempo 30 auf der Kasinostraße Teil eines Plans ist und nicht eine der vielen Einzelmaßnahmen, die vergessen machen sollen, dass es seit zehn Jahren für den Darmstädter Verkehr kein Konzept mehr gibt. Der Darmstädter Verkehrsentwicklungplan von 2006 oder so wurde noch mit der Nordostumgehung (NOU) berechnet. Die NOU wurde ab 2009 von den Grünen klar abgelehnt und 2011 mit der grün-schwarzen Koalition politisch beerdigt und dann verwaltungsrechtlich abgeplant. Aber da wurde nicht zeitgleich angefangen, zu planen, wo der Verkehr, für den die NOU gedacht war, nun hin soll.*** 2016 wurde dann mit einem alles umfassenden Masterplan angefangen, aber der Verkehr dann doch erstmal ausgeklammert.

Parallel dazu kamen Maßnahmen wie Fahrradstraßen, eine Straßenbahntrasse, eine Fahrrad- und Fußgängerbrücke, breitere Radwege, autoarmes Quertier Lincolnsiedlung (was Berufspendler, die dringend eine Wohnung brauchen nicht interessiert) oder eine Protected Bike Lane und Tempo 30. Einiges wurde mangels eigenem städtischen Plan von der Initiative „Radentscheid“ übernommen.** Alles schön und sinnvoll, nur eben ohne einen Masterplan Mobilität, oder wie man sonst einen Verkehrsentwicklungsplan nennen würde. So ein Plan wäre ja auch eine Chance. Nämlich denen, die meinen, es gehe zu sehr gegen die Autos, zu zeigen, dass es doch eine Gesamtplanung gibt, in der alle Verkehrsteilnehmer vorkommen.

* – Dass ich finde, dass der CSU-Bundesverkehrsminister schon längst entlassen hätte sein müssen, steht auf einem anderen Blatt. Aus dem übrigens auch steht, dass ich da von der Kanzlerin und den Koalitionsabgeordneten bei CDU, CSU und SPD entsprechende Initiative erwartet hätte.

** – In diese Lücke hätte vielleicht auch eine andere Gruppe stoßen können. Aber da wurde ja lieber in den Sozialen Netzwerken gebasht als ein Konzept zu entwickeln und dafür Unterschriften zu sammeln.

*** – Gäbe es einen (besseren) Ersatz für die NOU, wäre der Stadtregierung 2020 vielleicht auch die Diskussion um die Sanierungsarbeiten auf der B26 entgangen, die zeigte, dass da eine Behörde ihre Hausaufgaben nicht gemacht hatte.

EU-Kommissionspräsidentin gibt Versäumnisse zu

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat im EU-Parlament Versäumnisse bei der Vakzinbestellung eingeräumt.

„Wir waren spät bei der Zulassung, wir waren zu optimistisch bei der Massenproduktion, und vielleicht waren wir uns auch zu sicher, dass die Bestellungen pünktlich geliefert werden.“

Und deswegen war es natürlich richtig, bei mehreren Herstellern zu bestellen, um Ausfallsrisiken zu minimieren. Nur bestellt man dann aber bei jedem gleich so viel, dass es auf jeden Fall für alle EU-Bürger reicht. Denn wenn im blödesten Fall am Ende nur ein Impfstoff durchkommt (wegen Problemen bei Zulassung, Produktion und Logistik), dann hat man auf jeden Fall genug davon da.

Überschüssigen Impfstoff gibt es bei der worst case-Variante nicht, denn der wird ja später geliefert und kann umgeleitet werden. Oder es gibt ihn gar nicht.

Tatsächlich aber waren die Bestellungen aufgeteilt und es wurden bei drei Herstellern je 400 Millionen Dosen bestellt. Je nach Vakzin reichen die für 200 oder 400 Millionen Bürger, weil man zweimal geimpft werden muss. Nur beim Johnson & Johnson-Produkt soll eine Impfung reichen.

Curevac: 405 Millionen Dosen
Johnson & Johnson: 400 Millionen Dosen
Astra-Zeneca: 400 Millionen Dosen
Biontech: 300 Millionen Dosen
Sanofi: 300 Millionen Dosen
Moderna: 160 Millionen Dosen

Und angesichts der vielen Toten, Kranken, Langzeitkranken, den Folgen für die Bildungs- und Gesundheitssysteme sowie die Volkswirtschaften und die Steuereinnahmen, war Sparen bei der Vakzinbeschaffung halt falsch. Und da erwarte ich, von einer Behörde wie der EU, die ja auch nicht so schlecht bezahlt, dass deren Leute sowas berücksichtigen.