Was wäre bei einen Shutdown ab Anfang Oktober 2020 mit den Coronavirus-Fallzahlen passiert?

Der Physiker Markus Pössel hat mit Zahlen (den R-Werten) aus dem Shutdown vom Jahresanfang 2021 berechnet, was man mit einem ähnlichen Shutdown ab Mitte Oktober 2020 vielleicht hätte verhindern können.

Seine Fragestellung war: „Was, wenn Bundesregierung und Landesregierungen Mitte Oktober angesichts der klaren Warnzeichen ähnliche Maßnahmen durchgesetzt hätten, wie wir sie im Januar-Februar 2021 dann tatsächlich getroffen haben, und die Menschen entsprechend gehandelt hätten? Entweder für 8 Tage oder für 4 Wochen?“

Und er kommt zu dem Ergebnis:

scilogs.spektrum.de: Wie es alternativ hätte laufen können – „Ja, die meisten Corona-Sterbefälle, die wir bis heute beklagen, hätten verhindert werden können. Wenn die Entscheidungsträger*innen im Oktober andere Entscheidungen getroffen hätten.“

Wir erinnern uns. Ende September 2020 steigen die Coronavirus-Fallzahlen. Die niedrigen Werte vom Sommer waren langsam wieder angestiegen und nun in einem Bereich, in dem sie in ein schnelleres expoentielles Wachstum kippen konnten. (Nebenbei: Das zeigt auch, dass die 7-Tage-Inzidenz von 35 auch nicht der Wert ist, bei dem die Gesundheitsämter Infektionen noch nachverfolgen und isolieren können. Denn die Inzidenzen lagen im Sommer ja unter 35 und sie stiegen trotzdem auf über 100.)

Fallzahlentwicklung bei den Coronavirusinfektionen zwischen März und Ende September 2020.

Also, die Bundeskanzlerin warnte während einer Konferenzschaltung des CDU-Präsidiums vor 19.200 Fällen pro Tag an Weihnachten, wenn das so weitergehe.

tagesschau.de, 28. September 2020: Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zuvor nach Angaben aus CDU-Parteikreisen vor einer massiven Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland gewarnt. „Wenn es so weitergeht mit dem Trend, haben wir 19.200 Infektionen am Tag“, zitierten Teilnehmer der Konferenz laut „Bild“-Zeitung und Nachrichtenagentur Reuters die Kanzlerin.

Am 29. September war dann eine Ministerpräsidentenkonferenz. Aber da wurde kein Shutdown beschlossen, nur ein paar Einschränkungen für die Größe von Veranstaltungen (nzz.de: Bussgelder in der Gastronomie, schärfere Vorgaben für Partys).

Am 14. Oktober 2020 war wieder eine MPK, die Fallzahlen waren inzwischen – auch für Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten – gut sichtbar steil exponentiell am steigen, aber es gab noch immer keinen Shutdown.

Fallzahlentwicklung bei den Coronavirusinfektionen zwischen März und Mitte Oktober 2020.

Erst Ende Oktober 2020 entschlossen sich die Ministerpräsidenten zum „Wellenbrecher Shutdown“.

zeit.de: Bund und Länder wollen die Corona-Infektionszahlen mit massiven Kontaktbeschränkungen über den November hinweg in den Griff bekommen.

Fallzahlentwicklung bei den Coronavirusinfektionen zwischen März und Ende Oktober 2020.

Aus meiner Sicht (und das sage ich seit Ende Oktober 2020, weil ich bis dahin der Politik vertraute) entschlossen sich die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten einen Monat zu spät. Alle. Sechs von der CDU, einer von der CSU, die sieben der SPD, einer von den Grünen und einer von der Linken. Und nein, die „Alternative“ ist keine Alternative.

Schnelltest bei symptomfreie Personen nicht so zuverlässig

Hm, die Antigen-Schnelltest sind im Feld unzuverlässiger als gedacht, meldet der Spiegel (€). Sie erkennen infizierte, aber symptomfreie Personen nicht so gut. Der von Roche liegt bei 85% Erfolgsquote, aber es gibt Tests, die gehen runter bis auf 13%.

Das ist ein Problem, weil so ja die Infizierten nicht mehr so gut rausgefischt werden. Großflächige Öffnungen auf Basis von Schnelltests scheinen mir keine gute Idee mehr zu sein.

Aus Österreich kommt nun der Vorschlag, dass die Menschen ihre Proben mit dort entwickelten Gurgeltests machen und dass diese mittels viel empfindlicher PCR im Labor untersucht werden.

Lockerungen und ihre Grundlage

Ich frage mich, auf welchen Grundlagen gerade von Lockerungen gesprochen wird?

Aktuell sind wir auf dem Niveau vom 30. Oktober 2020, das war als der Shutdown light begann (und zu spät, weil die Ministerpräsidenten Anfang Oktober nicht wollten). Das hatte nach ein zwei Wochehn zu stagnierenden Zahlen geführt. So dass dann ‚Geschäfte zu‘ und etwas später um ‚Schulen zu‘ dazukamen. Was auch funktioniert hat, denn seit Weihnachten sinken die Fallzahlen. Was auch ein Erfolg ist. Weswegen ich auch nicht verstanden hätte, wenn man da jetzt was verschärft hätte.

Aber bei 13.000 Fällen pro Tag (in der ersten Welle lag das Maximum bei knapp 6000 am Tag) und den wenigen Daten zu Infektionsorten, sehe ich wenig Spielraum, da was anders zu machen. Zumal wir noch die Mutanten haben, die in Brasilien, Großbritannien und Südafrika gefunden wurden. Die – so habe ich es jetzt verstanden – deswegen leichter einen anstecken können, weil sie weniger Virus brauchen.

Ich sehe auch Probleme bei der 50er-Inzidenz. Wenn ab da die Nachverfolgbarkeit nicht mehr geht, müsste die Grenze zum Einschreiten doch deutlich unter 50 liegen. Denn wenn man erst ab 50 wieder die Kontakte beschränkt, ist das System doch schon überlastet.

Die Folgen des zu späten Shutdowns

This illustration, created at the Centers for Disease Control and Prevention (CDC), reveals ultrastructural morphology exhibited by coronaviruses.

Jetzt werden weitere Einschränkungen diskutiert, weil die Fallzahlen nicht runter- und die Toten sogar hochgehen.

Tja, hätten die Landesregierungen auf die Warnung der Kanzlerin vor 19.200 Fällen/Tag an Heiligabend wenn es so weitergeht, gehört, wären wir auf einem deutlich niedrigeren Niveau (das einzige Mal wo es mal niedrig sein soll) Denn diese Warnung kam am 28. September und am 29. September war eine Ministerpräsidentenkonferenz. Und am 9. Oktober war noch eine. Zum Lockdown light entschloss man sich aber erst Ende Oktober.

Coronavirusfälle in Deutschland mit Blick auf die Zahlen im Oktober und November und den möglichen Fallzahlen bei einem Lockdown light im Oktober vs. dem im November. Quelle: ourworldindata.org

Und jetzt schaue ich mal auf die Kurve der Fälle pro 1.000.000 Einwohner.

Der Lockdown light begann am 2. November, nach einer Woche, ab dem 9.11., stiegen die Fallzahlen nicht weiter an, blieben aber auf dem Plateau von über 200/1.000.000. Wenn ich das jetzt mal auf den 5. Oktober übertrage (das war auch ein Montag wie der 2.11.) und dann am 12. Oktober gucke, dann wäre das Plateau bei 48 Fällen/1.000.000 erreicht worden, also vier Mal weniger als jetzt.
Und bei den Todesfällen wären wir mit einem Lockdown light (ab 5. Oktober) bei zirka 0,2 Fällen/1.000.000 am 12. Oktober gelandet. Zur Zeit sind es laut Grafik 4,8/1.000.000.

Coronavirus in Darmstadt und im Landkreis, 23.10.2020

SARS-CoV-2, Quelle: CDC Alissa Eckert, MS; Dan Higgins, MAM

Der Landkreis hat am Freitag zum ersten Mal die Anzahl der Coronavirus-Infektionen seit Pandemiebeginn nach Kommunen aufgeschlüsselt. Da das in absoluten Zahlen war, habe ich das auf je 1000 Einwohner umgerechnet und Darmstadt dazugepakt (ist ja Kreisstadt ), nee, da wohne ich und es liegt mitten im Landkreis.

Coroanvirusinfektionen pro 1000 Einwohner seit Pandemiebeginn.

Von Österreich gelernt – Der Shutdown im Berchtesgadener Land

This illustration, created at the Centers for Disease Control and Prevention (CDC), reveals ultrastructural morphology exhibited by coronaviruses.

Wie war das im März in Ischgl gelaufen? Die Regierung eines Alpenlands beendete die Saison, die Touristen mussten abreisen und brachten Coronaviren mit nach Hause.

Wie läuft das jetzt im Berchtesgadener Land? Die Regierung eines Alpenlands beendet die Saison, die Touristen müssen abreisen … nee, oder? Doch.

BR: Die Ausgangsbeschränkungen treffen auch die Hotels im Landkreis hart. Geschätzt machen derzeit rund 2.500 Gäste dort Urlaub. Sie alle müssen abreisen. – Der bayerische Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) sagte, es liege in der Verantwortung jedes Einzelnen, sich (…) „durchaus sicherheitshalber selber testen zu lassen“.

Erinnerungen an Corona im März

Eigentlich ist das nur eine Merk- und Wiederfindehilfe für mich. Nur wenn ich das jetzt so ins Blog schreibe, dann braucht es doch noch etwas Text.

Gabor Steingart schrieb in seinem Morning Briefing am 4. März 2020 unter anderem über das Coronavirus:

Fazit: Bald könnte es zu einem natürlichen Ende der Hysterie kommen. Das wärmere Wetter schwächt die Überlebensfähigkeit des Virus, stärkt die Immunkräfte des Körpers und führt zu mehr räumlicher Distanz zwischen den Menschen. Im kommenden Winter werden sich die meisten Teilnehmer dieses Angstseminars kaum mehr an ihr Coronafieber erinnern – und falls doch, dann mit einem Schmunzeln.

Ich höre schon wie Ende 2020 die Eltern über die Schulschließungen, die Wirte über ihre geschlossenen Gaststätten, und die Veranstaltungsbranche über das ruhige Jahr 2020 schmunzeln.

Das Coronavirus im Juli

SARS-CoV-2, Darstellung des Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Foto: Alissa Eckert, MS, Dan Higgins, MAMS

Seit Anfang Juli schaukeln sich unsere Infektionszahlen hoch. Was machen eigentlich unsere Regierungen in Bund und Ländern gerade?

Wenn ich die Zacken glätte, sehe ich einen Kurvenanstieg, der in ein Exponentialfunktion führt.

(Der Eintrag ist eine Kopie eines fb-Eintrags und eines Kommentars von mir vom 12. August, er steht jetzt im Blog, damit ich ihn schneller finde.)

Quelle: www.ourworldindata.org – Daily new confirmed COVID-19 cases

„Gesundheitsämter viel zu knapp besetzt.“

SARS-CoV-2, Darstellung des Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Foto: Alissa Eckert, MS, Dan Higgins, MAMS

„Für eine zweite Pandemiewelle sind die Gesundheitsämter viel zu knapp besetzt“, sagt Ute Teichert, jetzt Ende Juli 2020. Sie ist die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesund­heitsdienstes (BVÖGD). „Mit den steigenden Infektionszahlen rollt ein riesiges Problem auf uns zu.“ Sie hat das natürlich nicht mir erzählt, sondern der medialen Funke-Gruppe aus der das Ärzteblatt zitiert: Warnungen vor Problemen in Gesundheitsämtern.

Sie schlägt ein bundeswei­tes Freiwilligenregister vor. Diese (aber bitte schön bereits geschulte) Kräfte sollen die Gesundheitsämter unterstützen.

Tja. Das hatte ich am 12. April ja schon vorgeschlagen. Genauer: Ich hatte kritisiert, dass unsere Bundes- und Landesregierungen ab 2013 sowas nicht schon in die Wege geleitet hatten, als RKI und PEI das Modi-Sars-Szenario dem Bundestag vorgestellt hatten.

12. April 2020: Coronaviren – ein seit 2003 bekanntes Pandemie-Risiko mit Szenario von 2012 – Man hätte sich auch überlegen können, wie man die Gesundheitsämter durch die Ausbildung Ehrenamtlicher zu zu solchen Nachverfolgern unterstützt. (…) Die haben im Idealfall nie zu tun, werden aber regelmäßig geschult und können im Ernstfall dann die Kontakte der Infizierten verfolgen.

Coronavirus-Lageeinschätzungen im Januar 2020

SARS-CoV-2, Darstellung des Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Foto: Alissa Eckert, MS, Dan Higgins, MAMS

22. Januar 2020
3sat nano: Wie gefährlich ist das Corona-Virus?
– (ab 2’14“): „Insgesamt gehen wir davon aus, dass sich das Virus nicht sehr stark auf der Welt ausbreitet.“ RKI-Präsident Prof. Dr. Lothar Wieler.
– (ab 3’14“): „Heute ist es so, dass wir einen wesentlich geringeren Anteil haben an Todesfällen, auch die Ausbreitungsgeschwindigkeit scheint geringer zu sein. So dass ich davon ausgehe, dass sich das SARS-Horrorszenario von 2003 nicht wiederholen wird.“ (…) „Und ich bin durchaus der Meinung, dass man sich darauf vorbereiten müsste. Insofern teile ich nicht ganz die Gelassenheit des Robert-Koch-Instituts.“ Prof. Dr. Aleander Kekulé

tagesschau.de: Muss sich Deutschland wappnen? – „Die jetzige Risikobewertung zeigt, dass von den Menschen, die infiziert werden, nur wenige sehr stark krank werden – und auch nur ein kleiner Teil verstirbt. Darum ist die Virulenz oder das pathogene Potenzial dieses Virus nach dem heutigen Kenntnisstand insgesamt als klein einzuschätzen.“ RKI-Präsident Prof. Dr. Lothar Wieler

„Wir können das derzeit noch nicht einschätzen. Die Einschätzung derzeit ist, dass das noch überschaubar ist und wir wahrscheinlich nicht vor der nächsten großen Pandemie stehen.“ Prof. Dr. Marylyn Addo, Leiterin Sektion Infektiologie UKE Hamburg

28. Januar 2020:
Spiegel: Die Ankunft des Coronavirus in Deutschland – „Die Gefahr für die Gesundheit der Menschen in Deutschland bleibt nach unserer Einschätzung weiterhin gering.“ (…) „Für übertriebene Sorge gibt es keinen Grund.“ Bundesgesundheitsminister Jens Spahn