Strafprozess ist blöd, da kommen Sachen raus: Eine Reise nach Thailand

Ein Strafprozess ist immer blöd, weil da auch Sachen auf den Tisch kommen können, die man lieber für sich behalten hätte. Sage ich, wenn ich so manche Dinge in einem Prozess mitbekomme.

Aktuelles Beispiel ist ein Verfahren beim Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt (ich war nicht dort), bei dem Klimaschutzaktivisten vorm Amtsgericht stehen, weil sie eine Straße blockiert hatten. Als das Gericht fragt, wo denn einer der Angeklagten sei, hieß es laut Bild/t-online, dass er auf Bali sei, mit seiner Freundin. Eine Insel auf die man in der Regel fliegt. Tja. Langstreckenflug in einen Urlaub und Klimaschutz, das passt nicht so recht zusammen.

t-online.de: Bali-Flug statt Gericht? Klimaaktivisten reagieren

Dabei wäre dieser ‚Wasser predigen, Wein trinken‘-Eindruck locker vermeidbar gewesen. Denn wenn ich die t-online-Meldung richtig verstehe, was das Verfahren zuerst ein Strafbefehl der Staatsanwaltschaft. Den hätte man bezahlen können, es hätte keinen Prozess gegeben und man hätte unbemerkt nach Bali fliegen können.

Zu einem öffentlichen Prozess kommt es bei einem Strafbefehl nur, wenn man Einspruch einlegt, dann gibt es eine Amtsgerichtsverhandlung. Zu der bei solchen Verfahren natürlich die lieben Pressekollegen kommen – und wahrscheinlich auch kommen sollen, es soll ja das Stück „gute Klimaschützer gegen den bösen Staat“ gegeben werden.

So aber ging die PR-Aktion ohne Not nach hinten los.

Und zu der angeblichen Erklärung des Aktionsbündnisses „Letzte Generation“, die beiden hätten den den Flug als Privatleute gebucht, nicht als Klimaschützer, das müsse man auseinanderhalten können: Nun, dann bin ich seit gerade eben Veganer, Fleisch und tierische Produkte konsumiere ich ja nur als Privatperson, das muss man auseinanderhalten können.

Es gibt eben Momente, da bleibt einem nur zuzugeben, dass man einen Fehler gemacht hat. Das zuzugeben ist auch keine große Kunst, schwer scheint nur zu sein, zu erkennen, wann man nach Canossa gehen sollte.

OB will keine dritte Amtszeit

Aus einer Pressemitteilung der Darmstädter Grünen:

Jochen Partsch, seit 2011 GRÜNER Oberbürgermeister der Wissenschaftsstadt Darmstadt, hat heute öffentlich bekannt gemacht, dass er nicht noch ein weiteres Mal zur Wahl zur*zum Oberbürgermeister*in antreten wird. (…) Am 7. Juni wird der Kreisvorstand zu einer Kreismitgliederversammlung einladen, auf der die GRÜNE Kandidatur zur Wahl der*des Oberbürgermeister*in beschlossen wird. In der Woche vorher (22. KW) wird die Kandidatin bzw. der Kandidat der Partei durch den Kreisvorstand vorgeschlagen.

Ich hatte mir ja auch so ein paar Gedanken gemacht, als reinkam, dass der OB am 4. Mai mitteilen wird, ob er 2023 nochmal kandidiert.

Nach zwei Amtszeiten aufzuhören, ist meiner Meinung nach eine gute Idee. Da kann Jochen Partsch mit einer „schade, dass er geht“-Stimmung aufhören. Wie es in einer dritten Amtszeit laufen wird, weiß keiner, aber wenn es dann „gut, dass er geht“ heißt, wäre eine Chance vertan worden.

Jetzt wird sich zeigen, wie dick die Personaldecke der Darmstädter Grünen ist. Beim Baudezernat musste ja seit 2011 zweimal auf externe Fachfrauen zurückgegriffen werden.

Tempolimit, Kommunalwahl und Prozente

Was hat die Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Kasinostraße gebracht? Das hat das Darmstädter Echo (€) gefragt.

Eine Vermutung meinerseits, abseits vom Straßenverkehr: Das mitten im Kommunalwahlkampf eingeführte Tempo 30 hat die Grünen 2021 vor einer deutlichen Wahlniederlage bewahrt.

Ja, das Tempolimit kam kurz vor der Kommunalwahl im vergangenen Jahr. Bei der die Grünen dann auch mehr absolute Stimmen als 2016 errangen. Allerdings war die Wahlbeteiligung auch höher als fünf Jahre vorher, so dass es für die Grünen am Ende doch 2,3 Prozentpunkte weniger waren als 2016. Ohne die dazugewonnenen Stimmen wäre es also nicht bei nur minus 2,3 Prozentpunkten geblieben.

Was, nebenbei bemerkt, das Gegenteil des Hessentrends war. Landesweit hatten die Grünen mit plus 7,1 Prozent abgeschnitten. Wäre ich Grüner, würde ich mir ja so meine Gedanken machen – nicht dass das irgendwann so läuft wie mit der Darmstädter SPD, die nach zwei Wahlniederlagen seit 2011 in der Opposition ist.

Übrigens: Ich bin schon lange für Tempo 30 innerorts, daher habe ich auch nichts gegen Tempo 30 in der Kasinostraße.

Huiii, ÖPNV-Förderung für Neubürger und Autoabmelder

Die ÖPNV-Förderung nimmt Fahrt auf, Neubürger und Autoabmelder bekommen für drei Monate eine kostenlose Fahrkarte. Das hier ist natürlich ein Symbolfoto mit einer fahrenden Straßenbahn.

Die ÖPNV-Förderung nimmt Fahrt auf, Neubürger und Autoabmelder bekommen für drei Monate eine kostenlose Fahrkarte. Das hier ist natürlich ein Symbolfoto mit einer fahrenden Straßenbahn.

Jetzt gibt es in Darmstadt ab Sommer ein kostenloses Drei-Monatsticket (€), wenn man Neubürger ist oder sein Auto abmeldet. Dafür steht für das kommende Jahr etwas mehr als eine Million Euro im Haushalt. Und für dieses Jahr sind es rund 500.000 Euro.

Ich finde, man hätte das Geld für was ähnliches, aber aufschlussreicheres für den ÖPNV ausgeben können.

Ich habe mal nachgeguckt, die SPD hatte 2019 berechnet, dass das 300-Euro-Jahresticket im Jahr drei Millionen Euro kosten würde. Jetzt werden für Drei-Monatstickets eine Million Euro im Jahr ausgegeben, genauer: sind dafür eingeplant.

Ich finde, man hätte diese 1,5 Millionen Euro in eine Rücklage legen sollen, um dann Mitte 2023 einen einjährigen Test mit dem 300-Euro-Jahresticket starten zu können. Ein Jahr, damit auch alle Jahreszeiten und Feiertage unterkommen und erst 2023 weil dann vielleicht auch kein Corona einem die Evaluation verfälscht (und man dann auch nicht mehr drei Millionen Euro auf einmal auf den Tisch legen muss).

Vielleicht kommt dabei dann raus, dass der ÖPNV dann zu voll wird und die Kosten für den Kapazitätsausbau das 300-Euro-Jahresticket viel zu unwirtschaftlich machen. Aber das halte ich für wesentlich interessanter als zu gucken, ob Leute nach drei Monaten ohne Auto auch ohne Auto bleiben.

Ach ja, nur mal zum Vergleich, wie viel Geld da für das 3-Monats-Ticket in die Hand genommen wird. In Darmstadt gibt es ein Sozialticket, das im Jahr rund 400.000 Euro kostet.

Aber bis das eingeführt war, hat es etwas gedauert. 2016 hatte die damals noch existierende Arbeitsloseninitiative Galida auf eine Einführung gedrängt. 2017 war es dann soweit, aber da zog der Oberbürgermeister die Magistratsvorlage zum Beschluss in der laufenden Stadtparlamentssitzung zurück. Das Sozialticket kam dann zwei Jahre später im Juni 2019 (€).

Frank-Walter Steinmeier zeigt das Personalproblem bei CDU und CSU

So, nun ist Frank-Walter Steinmeier wieder zum Bundespräsidenten gewählt worden. Und ich nehme bei CDU und CSU ein leichtes Grummeln wahr. Nur, dass die SPD den Bundespräsidenten stellt, ist ein hausgemachtes Problem der Union. Da wurden einige Schüsse überhört. Seit Jahren.

Als 2012 ein Nachfolger für den unglücklich agierenden Christian Wulff gesucht wurde, blieb der Union nichts anderes übrig als Joachim Gauck zu wählen – der 2010, unterstützt von SPD, Grünen, Freie Wähler und SSW, gegen Christian Wulff kandidiert hatte.

Spätestens da hätte der Union klar sein müssen, dass ihr Leute fehlen und dass sie jemanden aufbauen sollte. Denn 2017 hatte sie wieder niemanden, den sie dem SPD-Kandidaten Walter Steinmeier entgegen setzen konnte.

Naja, und wieder fünf Jahre später hat die Union immer noch keinen Kandidaten und keine Kandidatin.

Und wenn ich mir überlege, dass 2004 der in der Bundespolitik unbekannte Horst Köhler auf den Schild gehoben worden war, weu

Seit Jahren Personalprobleme bei der CDU

Dass die CDU ein Personalproblem bei der Besetzung von Spitzenämtern hat, müsste die Partei eigentlich seit Oktober 2016 wissen. Da schlug die SPD Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsident vor und die CDU war nicht in der Lage einen eigenen Kandidaten oder eine eigene Kandidatin zu benennen. Auch die CSU schien nicht aushelfen zu können.

Und dabei gab es schon 2012 einen Warnschuss von. Da musste die CDU Joachim Gauck als Christian Wulffs Nachfolger nehmen.

Warum keine Ministerien von Bayern geleitet werden

Die CSU macht Stimmung und jammert, dass es im kommenden Bundeskabinett keine Minister aus Bayern gibt. Nun, Bayern ist ein Opfer des Erfolgs der CSU.

Wer in Bayern lebt, nicht ganz blöde ist, politisch begabt und den starken Ehrgeiz hat, in der Politik was zu werden, war bislang in die CSU eintreten. Und dabei ist dann die eigene Ideologie erstmal egal. Weil man bei der CSU, die ja seit Jahrzenten dort regiert, entsprechende Netzwerke hat und lange Zeit auch auf der kommunalen Ebene Mehrheiten eingefahren hat, am ehesten Karriere machen kann.

Den anderen Parteien fehlen in Bayern einfach die guten Leute.

Ach ja: Hätte die CSU bei der Bundestagswahl besser abgeschnitten, hätte sie – als eigenständige Partei, wie sie sich sieht – ja eine Koalition aus SPD, Grünen und CSU anstreben können.

Feste Agenda 21-Förderung in Darmstadt läuft aus

Darmstadts ehrenamtlich wirkende Agenda 21-Gruppen sollen keine Mittel mehr bekommen, es gibt einen Magistratsbeschluss von vor den Herbstferien. Damit ist nun das eingetreten, was ich mir vor rund zehn Jahren dachte, als die Stadt Stadtteilforen und Bürgerbeteiligungsformate wie den Bürgerhaushalt aus der Taufe hob. Denn damit wurden in meinen Augen Parallelstrukturen geschaffen, auch wenn die Aktiven das so nicht sehen werden. Ich hätte es damals besser gefunden, wenn die neuen Beteiligungsstrukturen bei den schon bestehenden Agenda 21-Gruppe angesiedelt worden wären.

Prinzipiell halte ich es für richtig, wenn man bürgerschaftliches Engagement bündelt und strukturiert und es am Ende nicht (und das ist jetzt ein erfundenes, zugespitztes Beispiel) eine Agenda Gruppe für Eberstadt, ein Stadtteilforum Eberstadt, einen Stadttteilverein und noch andere Gruppen gibt, die eigentlich das gleiche wollen, aber sich zu unterschiedlichen Zeiten gegründet haben.

Nur eine der städtischen Begründungen, warum man die Förderung einestellen werde, finde ich dann doch ungeschickt. Eine Begründung ist laut Echo, dass die Projektmittel in diesem Jahr nicht voll ausgeschöpft wurden. Ok. Nur haben wir die Sonderlage Pandemie. Und dann wird mit solchen Begründungen doch das „Dezemberfieber“ gefördert. Eine Gruppe, Abteilung etc. stellt vor Jahresablauf fest, dass sie noch Gelder übrig hat. Wenn sie die nicht ausgeben, gibt es im nächsten Jahr aber weniger. Also wird noch schnell irgendwas beschafft, was zwar den Beschaffungsvorgaben entspricht, aber eigentlich nicht gebraucht wird. Wirtschaftlich ist das nicht, im Sinne aller auch nicht, aber das eigene Budget bleibt, weil man ja seinen Bedarf belegt hat.

Echo online: Agenda-Gruppen ziemlich überrascht

Baukosten Lichtwiesenbahn – 2013: 8,3 Millionen Euro geschätzt, 2021: 27 Millionen Euro

Die Straßenbahntrasse zur Lichtwiese wird fertig – und teurer.

Die Lichtwiesenbahn ist nun leider zu einem unrühmlichen Beispiel geworden, wie bei einem öffentlichen Bauprojekt die Kosten steigen können. Und wie man nachher die zuerst genannte Zahl nicht mehr mit der letzten vergleichen kann, weil das Projekt zwischendrin um eine Haltestelle etc. erweitert wurde. (Natürlich steigen die Kosten auch bei privaten Projekten ungeplant, nur müssen die das nicht erzählen und können es für sich behalten.)

Und da wir in Darmstadt seit 2013 viele Wechsel bei der Leitung des Baudezernats hatten, kann man frech sagen, dass mit jedem Wechsel die Baukosten stiegen.

Als das Projekt von der Baudezernentin Brigitte Lindscheid (Grüne) 2013 vorgestellt wurde, ging man noch von 8,3 Millionen Euro Gesamtkosten aus. Die die Stadt muss nur einen Teil bezahlen, aber es sind natürlich trotzdem Steuergelder, die das Land Hessen zuschießt.

Aber dann kamen weitere Ausgaben dazu: Für die Haltestelle Kletterhalle, Signalanlagen für einen eingleisigen Abschnitt, den Umbau der Haltestelle Hochschulstadion, sowie Sozialgebäude und allgemeine Baukostensteigerungen. Somit sollte die Lichtwiesenbahn im Jahr 2015, Baudezernentin war inzwischen Cornela Zuschke (parteilos), insgesamt 16 Millionen kosten.

Im November 2018, Baudezernentin war inzwischen Barbara Boczek (Grüne), hieß es dann dass die Baukosten bei rund 20,2 Millionen liegen werden (€), wegen der konjunkturell bedingten Entwicklung in der Baubranche.

Nun haben wir 2021, der Dezernent ist Michael Kolmer (Grüne) und die Baukosten steigen um weitere sieben Millionen Euro (€) auf einen Betrag zwischen 27 und 28 Millionen Euro. Unter anderem habe man 70 Brandbomben aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden und Versorgungsleitungen, die man nicht zuordnen konnte.

Die ersten Fahrgäste sollen ab Ostern 2022 mit der Bahn auf die Lichtwiese fahren können. Im Juni 2013 war man noch davon ausgegangen, dass die Trasse bei optimalen Abläufen im Dezember 2017 in Betrieb gehen könnte. Im November 2015 war man dann davon ausgegangen, dass – wieder bei optimalen Abläufen – die Bauarbeiten 2017 beginnen und die Trasse zum Fahrplanwechsel im Dezember 2018 fertig sein könnte. Wenn man also jetzt von plangemäß spricht, dann ist das ein mehrfach angepasster Plan.

Ach ja, in den grün-schwarzen Koalitionsverträgen stand die Lichtwiesenbahn ab 2011 drin („Das Straßenbahnnetz wollen wir stärken und ausbauen, wo es nötig und sinnvoll
ist. (…) Besonders hoch ist der Druck (…) und zum Campus Lichtwiese der Technischen
Universität.“)

Und was ist eigentlich mit dem Nutzen-Kosten-Faktor, wenn die Baukosten sich mehr als verdreifacht haben?

Unterschätzt

Da hatte ich die SPD vor drei Jahren und dann nochmal vor einem Jahr deutlich unterschätzt. Vor drei Jahren hatte ich launig überlegt, dass es 2021 keine Groko mehr geben wird, weil die SPD unter 5 Prozent kommt. Und 2020 hatte ich die Kür von Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten für unpassend gehalten, weil die SPD mitten in der Pandemie zum Wahlkampf überging.

Dabei weiß ich es ja besser. In der Politik gilt: „Irgendwas ist ja immer.“ Was soviel bedeutet, dass man im Rückblick natürlich alles schlüssig erklären kann. Aber eben nicht vorhersehen. Denn es gilt auch „Der beste Plan hält nur bis zum ersten Feindkontakt.“