Amtsübergabe und Medienrummel

OB-Wahlsieger Jochen Partsch (Grüne) bekam heute (21.) von Walter Hoffmann (SPD) die Amtkette aufgezogen ;-). Der erste Arbeitstag des neuen Oberbürgermeisters ist der kommende Samstag (25.).

Amtskettenwechsel. Jochen Partsch ist ab dem 25. Juni Darmstadts erster nicht-SPD-OB seit dem Krieg.

Ich weiß ja nicht, was die Zuschauer und Stadtverordneten von der Amtskettenübergabe von Walter Hoffmann an Jochen Partsch gesehen haben, aber ich – und das wo ich zu der Meute gehörte – fand diesen Kameraoverkill nur noch daneben und peinlich. Meiner Auffassung nach ist die Presse im Hintergrund und sollte nicht das gestaltende Element sein, weil dadurch das zu beschreibende und messende System durch unsere Anwesenheit noch mehr als sonst beeinflusst wird. Da wäre es besser, wenn die Stadt zwei Fotografen engagiert (etwas Wettbewerb sollte schon sein), diese ordentlich bezahlt und dann die Bilder allen zur Verfügung gestellt werden müssen.

Der von Kameras belagerter Noch-OB Walter Hoffmann verliest Jochen Partschs Ernennungsurkunde.

Und auch hier wieder Maneuverkritik: Hätte man die Zeremonie mit Kameraträgern unten und Politikern oben auf der leicht erhöhten Ebene ablaufen lassen, auf der der Magistrat sitzt (wenige Meter hinter dem Rednerpult), hätten alle was gesehen. Ach ja, vor sechs Jahren in der Orangerie standen auch nicht die – jetzt nicht persönlich nehmen, aber die schließlich nicht gewählten – Ehefrauen auch nicht im Weg rum.

Erste OB-Kandidaten-Zusammenstellung im „Vorhang auf“

Für den aktuellen „Vorhang auf“ (S. 30 und 31) habe die fünf OB-Kandidaten Walter Hoffmann (SPD), Helmut Klett (Uwiga), Jochen Partsch (Grüne), Rafael Reißer (CDU) und André De Stefano (Piratenpartei) und (die seit gestern) Ex-Kandidaten Jörg Dillmann und Kerstin Lau (Uffbasse) zu Themen wie Haushalt, Konversion, ICE, Nordostumgehung und neue Straßenbahnlinien befragt.

Die Uffbasse-Doppelnominierung scheiterte am Wahlgesetz, aber bei Redaktionsschluss stand das noch nicht offiziell fest.

Man kann natürlich vermuten, dass die Ablehnung der Doppelspitze eingeplant war. So gab es Aufmerksamkeit (und wehe die Medien hätten nicht berichtet, dann wäre das ja auch falsch und ungerecht gewesen), man hatte Selbstständigkeit bewiesen und letztendlich doch keinem Wunschkandidaten Stimmen im ersten Wahlgang weggenommen.

OB-Abwahl aus dem Aufsichtsrat: Aktiengesetz sticht Hessische Gemeindeordnung

Einen Verstoß gegen die Hessische Gemeindeordnung hatte diese Woche die Darmstädter SPD ausgemacht, weil ihr OB Walter Hoffmann vom Posten des Heag Holding-Aufsichtsratvorsitzenden abgewählt.

In der HGO (§125) steht nämlich:

„Der Bürgermeister oder das von ihm bestimmte Mitglied des Gemeindevorstands führt in den Gesellschaftsorganen den Vorsitz, wenn die Gesellschaft der Gemeinde gehört oder die Gemeinde an ihr mehrheitlich beteiligt ist“

„Deshalb setzt sich die SPD dafür ein, diesen einzigartigen Vorgang einer kommunalrechtlichen Prüfung zu unterziehen“, teilten die Sozialdemokraten in einer Presseerklärung mit.

„Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung“, ist ein ironisches Sprichwort unter Juristen. Und es stimmt. Denn wenn man es hier befolgt, ist die Sache klar. Die HGO gilt hier nicht, da §107 im bundesdeutschen Aktienrecht eine andere Regelung vorsieht:

Der Aufsichtsrat hat nach näherer Bestimmung der Satzung aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und mindestens einen Stellvertreter zu wählen.

Und wieso gilt jetzt das Aktiengesetz? Weil in Grundgesetz Artikel 31 ganz kurz, schlicht und deutlich steht:

Bundesrecht bricht Landesrecht.

Der Heag-HSE-Konflikt – 2. Teil

Nanchdem diese Woche ein Abwahlantrag gegen den Heag Holding-Aufsichtsratsvorsitzenden Oberbürgermeister Walter Hoffmann (SPD) bekannt geworden war, sind inzwischen einige Stellungnahmen dazu erschienen.

Hoffmann ist Aufsichtsratvorsitzender bei der Heag Holding und bei der Tocher HSE. Während die Heag Holding gerne im Auftrag der Stadt (ihrer Eigentümerin) von Eon einen ganzen Satz HSE-Anteile zurückkaufen will, macht der HSE-Vorstand Bedenken geltend. Dem Vernehmen wäre es dem lieber, wenn die Stadt nicht so viel bei der HSE zu sagen hätte.

Im Detail: Die Stadt will von Eon 40 Prozent der HSE-Anteile für 305 Millionen Euro zurückkaufen. Kaufen wird die Heag Holding, die Mutter des Energieversorgers. Noch im Oktober hieß es in der Magistratsvorlage dazu „Der verhandelte Kaufpreis ist sehr attraktiv“, und es wurde auf eine Rehie von Gutachten verwiesen:

– HEAG-Wertgutachten zum 31.12.2009: 331 Mio. EUR
– HSE-Wertgutachten für die Aufsichtsratssitzung/Hauptversammlung der HSE vom 9.7.2009: 370 Mio. EUR (+/- 20%)
– Thüga/E.ON-Bewertung bezogen auf Verkauf der Thüga AG: 444 Mio. EUR
– Marktbewertung aus vergleichbaren M&A-Transaktionen: 390 bis 479 Mio. EUR.

Jetzt aber sagen OB Hoffmann und HSE-Vorstand Albert Filbert, dass die AKW-Laufzeitverlängerung Unternehmenswert und -renditen reduziert haben. (Nebenbei: Ein Vorstand, der sagt, dass in seiner Zeit das Unternehmen weniger wert wurde, finde ich sehr bemerkenswert.)

Echo Online, 25.11.2010: Hoffmann will Neubewertung der HSE – Filbert wies darauf hin, dass er nicht eingebunden war in die Verkaufsverhandlungen mit E.ON, die Heag Holding aber seit Mai dieses Jahres über negative Folgen des aufgekündigten Atomausstiegs und der Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke unterrichtet war. (…) Deshalb sei der Kaufpreis für die Aktien »signifikant überhöht«. In dieser Situation, so Hoffmann, müsse der Unternehmenswert erneut überprüft werden, um ein realistisches Bild und Klarheit zu bekommen. Dies sei auch aus haftungsrechtlichen Gründen und wegen der Bürgschaft wichtig.

Aufsichtsratsmitglieder und ein Heag-Vorstand sagen aber:

Echo Online, 25.11.2010: Hoffmann will Neubewertung der HSE – Grundlage für das Votum für den Kauf waren, auch das Szenario längerer Betriebszeiten von Atomkraftwerken zum Thema. (…) Demnach sei der Kaufpreis annehmbar erschienen. Das bestätigen ein weiteres Aufsichtsratsmitglied und Heag-Vorstand Klaus-Michael Ahrend.

Auch in der Magistratsvorlage (und später im Stadtparlament) war bei den Risiken keine Rede von der Laufzeitverlängerung. Als Risiken nennt die Vorlage (vom September 2010, aber die Koalitionspläne in Berlin waren ja sogar schwarz-gelbe Wahlversprechen und in der Planung):

– Verbot durch Kartellamt
– Keine Bankenfinanzierung
– Zinsänderungsrisiko
– Reduktion der HSE-Dividenden

Laufzeitverlängerung war kein Thema. Ich frage mich zudem, warum jetzt -zu einem Zeitpunkt an dem Fristen auslaufen – die Neubewertung kommen muss (und die sich dem Vernehmen nach schon länger hinzieht) wenn Filbert vom Wertverlust durch die Laufzeitverlängerung schon wusste und angeblich auch der Heag Holding-Vorstand. Und in beiden Unternehmen ist der OB Aufsichtsratvorsitzender.

Und dass der Abwahlantrag ein „Kommunikationproblem“ sein soll, ist auch interessant, denn bis es zu so etwas kommt, muss doch einiges passiert sein. Wir erinnern uns:

Echo Online, 23.11.2010: Offener Konflikt im Heag-Aufsichtsrat – Zunächst hatte Hoffmann auf entsprechende Vorhalte dem Kontrollgremium zugesagt, er werde sich zwischen dem Vorsitz bei der Heag-Holding und dem der HSE entscheiden, doch zog er dies später zurück – düpierte Mitglieder wollten schon bei der letzten Aufsichtsratssitzung einen Abwahlantrag stellen, scheiterten aber aus formalen Gründen.

Zu der Geschichte gibt es Reaktionen von CDU (Schaden von der Stadtwirtschaft abwenden – Antrag auf Abwahl Hoffmanns richtig) Grünen (GRÜNE fordern Oberbürgermeister Hoffmann auf, seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender nachzukommen und die Interessen der Gesellschaft zu wahren.) und Uwiga (UWIGA befürchtet riesiges Finanzdesaster für die Stadt). Bei der SPD steht nichts. Ist das jetzt gehaltvolles Schweigen, wie damals, als der OB sich im FAZ-Interview zum OB-Kandidaten gemacht hatte? Und der SPD-Vorstand ihn erstmal nicht nominierte.

Abwahlantrag gegen OB Walter Hoffmann – Heag-HSE-Konflikt – 1. Teil

Nicht im Stadtparlament, sondern im Heag-Aufsichtsrat, dort ist der Darmstädter OB Hoffmann Vorsitzender. Aber auch das ist schon interessant genug:

Echo Online: Offener Konflikt im Heag-Aufsichtsrat – Stadtwirtschaft: Abwahlantrag gegen den Vorsitzenden Walter Hoffmann – Gegner sehen Interessenkonflikte

Kurz zur Einordnung: Der Heag-Holding gehören unter anderem der Versorger HSE (der seinen Strom über die Entega vertreibt), die Bauverein AG (Immobilien) und die Heag Mobilo (ÖPNV).

Die HSE-Zentrale in der Frankfurter Straße in Darmstadt.

Die Stadt Darmstadt will eigentlich Eons Anteile am Versorgungsunterenehmen HSE zurückkaufen, die Stadtverordneten hatten mit breiter Mehrheit dafür gestimmt. Aber der Heag-Aufsichtsrat hat zur Zeit laufend Sondersitzungen, und der Rückkauf (den angeblich alle wollen) kommt nicht voran. Als ob auf Zeit gespielt würde würde und am Ende der Rückkauf wegen Unklarheiten „bedauerlicherweise“ scheitert.

Oberbürgermeister Walter Hoffmann (SPD) steht dabei anscheinend in einem Interessenkonflikt. Im Aufsichtsrat der Heag Holding und als Beteiligungsdezernent managed er die städtischen Beteiligungen, in den Heag- und HSE-Aufsichtsräten (in denen er jeweils Vorsitzender ist) scheint er weitgehend den Plänen des HSE-Vorstands Filbert zu folgen. Dem Vernehmen nach findet Filbert die Stadt als Bürgen für seine Geschäfte gut, stört sich aber an der Aussicht, dass die Stadt bald 93 Prozent der Anteile hält und dann mehr Kontrollmöglichkeiten hätte. Weswegen zusammen mit Hoffmann im Hintergrund bei der Heag Holding und der HSE der Rückkauf hintertrieben wird.

Filbert behauptet, die von der Bundesregierung beschlossene Atomkraftwerke-Laufzeitverlängerung würde den Wert der auf Ökostrom setzenden HSE reduzieren. Obwohl Gutachten dagegen sprechen, geht der Oberbürgermeister darauf ein. Die Heag soll die HSE auffordern sich selbst zu begutachten. Nochmal: Das Unternehmen, das sich gar nicht freut, künftig mehr von der Stadt kontrolliert zu werden, soll seinen Wert einschätzen.

Folge einer niedrigeren Neubewertung im Sinne Filberts wäre: Die 305 Millionen Euro für den Rückkauf würden überteuert erscheinen. Mit möglichen rechtlichen Folgen für die, die zustimmen.

Aber wann das HSE-Wert-Gutachten vorliegt, wird dem Aufsichtsrat – der schon seit Wochen in der Sache tagt – nicht gesagt. Eventuell komme es erst Ende Dezember. Was ein rechtliches Problem aufwerfen würde, denn der ausgehandelte Kaufvertrag muss in 2010 durchgeführt werden – ansonsten würde die Stadt vielleicht ihr Vorkaufsrecht nicht mehr ausüben können. HSE-Anwälte und OB sagen, das wäre kein Problem fürs Vorkaufsrecht, HEAG Holding und der Aufsichtsrat bezweifeln das.

Nebenbei, wenn man in Konspirationen denken würde, könnte man den Eindruck haben, dass bei der harschen Kritik der IHK am Anteilsrückkauf über Bande gespielt wurde.

Wir erinnern uns, dass das nicht der erste Fall wäre, in dem der OB gegen das Parlament dem HSE-Vorstand folgt :

Die im Frühjahr aufgedeckte, großzügige Pensionsregelung für den HSE-Finanzvorstand wurde vom OB später gegen alle andern städtischen Vertreter im Aufsichtsrat bestätigt. Oder Hoffmanns Unterstützung der HSE-Pläne sich an einem kanadischen Unternehmen zu beteiligen, das Klimaschutz-Zertifikate handelt. Obwohl HSE-Chef Filbert im Haupt- und Finanzausschuss dazu in Schwimmen gekommen war und einiges ungeklärt bliebt (wie der Anteilskauf, als der Aktienkurs am höchsten stand), bliebt der OB hinter Filbert. Das undurchsichtige Vorhaben wurde vom Stadtparlament mehrheitlich abgelehnt und muss nun rückabgewickelt werden.

Ein paar Links (über die HSE-Logo-Geschichte hinaus) stehen dort: Doppeltes HSE-Logo macht die Runde

Interview mit Walter Hoffmann

Diesen Freitag ist ein Interview mit OB Walter Hoffmann erschienen (Seite 3, PDF ca. 2,6MB) , dass ich und der Herausgeber der Bessunger Neuen Nachrichten/Eberstädter Lokalanzeiger geführt haben. Man sieht, das geht auch in Anzeigenblättchen.

Was mir auffiel: Walter Hoffmann sieht sich mehr als Vermittler zwischen den Positionen in der Stadt und gegenüber der Stadt. Und das führt dann zu Positionswechseln, beispielsweise beim ICE-Anschluss, die einsam und nicht immer nachvollziehbar scheinen.

Kandidaten-Spekulatius zu Weihnachten

Neulich hatte ich mit SPD-Mitgliedern darüber spekuliert, wen die Darmstädter SPD 2011 als Oberbürgermeisterkandidaten nominiert. Dass darüber nicht erst seit dem vergangenen Stadtparlament (mit zurückgezogegen 2010er-Etat) geredet wird, zeigt, dass der Amtsinhaber deutlich angeschlagen ist.

Eine mögliche Kandidatin ist Brigitte Zypries, Bundestagsabgeordnete und bis neulich noch Justizministerin. „Nö“, sagte der Genosse, „da ist Darmstadt zu klein. Für eine ehemalige Bundesministerin ist sowas in Städten wie Köln interessant, aber nicht Darmstadt mit seinen 140.000 Einwohnern.“

Und wie bestellt, wird heute darüber spekuliert, ob Zypries 2013 in Frankfurt als OB-Kandidatin antreten könnte:

Frankfurter Rundschau, 22.12.1009: Kandidatin zur Unzeit – Im Frankfurter Parteihaus sind sie gar nicht gut darauf zu sprechen, dass der frühere Bundesfinanzminister und hessische Ministerpräsident [Brigitte Zypries] als OB-Kandidatin für 2013 in Frankfurt empfiehlt.