Bei Facebook nichts zu verbergen?

Seine Facebook-Pinnwand auf „nur für Freunde“ zu stellen, ist schon besser. Auch weil vielleicht neugierige Anwälte mal vorbeischauen.

Law Blog: Gericht sagt zu spät, wer die Richter sind – Letztes Jahr habe ich etwa einen Schöffen erfolgreich wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, der sich schon jahrelang ausländerfeindlich in sozialen Medien geäußert hat. (…) Facebook ist in bei dieser Recherche mittlerweile der beste Freund des Anwalts. Und ich kann euch sagen, man erlebt da wirklich mitunter handfeste Überraschungen.

Ich wundere mich ja manchmal auch, was da Leute alles mit der Welt teilen.
Aber man steht ja auch mal auf der anderen Seite. Als Co-Admin einer fb-Fotogruppe muss ich neue Mitglieder erst freischalten. Und da will man natürlich keine Spammer in die Gruppe bringen. Also gucke ich natürlich, was die so auf ihrer Seite posten. Und wenn mir das dubios erscheint, dann wird das Neu-Mitglied abgelehnt.
Wenn ich aber auf der Pinnwand aber gar nichts sehe, dann sind schon Fähigkeiten der Profilbildanalyse gefragt. Oder ich gucke, in welchen anderen Gruppen die Person ist. Das gibt manchmal auch Hinweise.

Ein dreifach ungewöhnlicher Prozess

1. Wenn man jemanden überfällt, dann beraubt man in der Regel nicht den Ex-Schwager. 2. Ein Angeklagter wird selten von der Verhandlung ausgeschlossen, weil er zu sehr stört. Und bei der Richterin war es sogar das erste Mal in 20 Jahren. 3. So ein krummes Strafmaß hatte ich bisher noch nicht: Drei Jahre, sechs Monate und zwei Wochen. Die zwei Wochen stammen aus einer frühren Geldstrafe, die mit ins Urteil einbezogen werden musste.

Echo Online: Schwager überfallen – Mehr als dreieinhalb Jahre Haft für Angeklagten

„Wenn, nur das Urteil“ – Ist aber eigentlich egal

Zugegeben, primär ärgert es mich, keinen Auftrag bekommen zu haben, sekundär zeigt folgendes mir auch eine gewisse Gleichgültigkeit:

Da steht ein Bürger einer Stadt in einer anderen, weit entfernten Stadt, vor Gericht. Oder ein Bürger, der in einer entfernten Stadt eine Straftat verübt hat. Für die Zeitung, wo das Gericht steht, ist das berichtenswert. Für die Zeitung aus der Stadt, aus der auch der Angeklagte kommt oder wo er eine Straftat begangen hat, eigentlich nicht.

„Ich nehme nur das Urteil“, meint der eine Redakteur. „Wenn, dann ist nur das Urteil interessant“, sagt ein anderer Redakteur zu einem anderen Fall. Auf eine E-Mail mit Terminankündigung und Honorarvorschlag kommt natürlich keine Antwort. Dass es bei dem einen Fall dann aber gleich am ersten Tag ein Teilurteil gibt, weil der eine Angeklagte gleich gesteht und der andere nicht, ist uninteresant. Und dass gegen Typen verhandelt wird, die auf spektakuläre Art und Weise einen Geldautomaten aus der Wand gerissen hatten, ist auch egal. Weil der Leser es ja nicht mitbekommt. Und dem Reakteur in der weit entfernten Stadt in NRW sein lokaler Leser eigentlich egal ist. Hauptsache, ein paar Euro gespart. Der Leser merkt es ja nicht, da er von dem Prozess in Weitwegstadt nichts mitbekommt.

Richtig. Das merkt der Leser nicht. Aber er spürt die generelle Gleichtgültigkeit, die dahinter steckt. Und steckt irgendwann das mit dem Abo auf.

Cannabis vs. Nikotin

Der psychiatrische Gutachter: „Es gibt Leute, die sagen ‚Cannabis ist weniger schädlich als Nikotin‘. Was in Teilen richtig ist.“ Und fügte hinzu: „Ich will das jetzt nicht propagieren.“ Denn der Facharzt für Psychiatrie merkte, dass die Richter anfingen zu grinsen.

In der Pause plauderte ich mit einem Verteidiger. „Als der Gutachter das mit dem Cannabis sagte, habe ich mich gleich umgedreht, weil ich mir dachte, dass Sie das bestimmt aufschreiben.“

Stimmt.

Falscher Journalist ruft Angeklagten an

Neulich kam in einem Prozess heraus, dass ein Zeuge einen der Angeklagten angerufen hatte, und sich als Journalist einer Frankfurter Zeitung ausgegeben hatte. Der Angeklagte gab an, das Gespräch beendet zu haben, weil er dem Scheinjournalisten nicht glauben konnte, dass der ihm helfen könne. (Wie sich später herausstellte, war es einer Bekannter der Geschädigten.)

Na danke, dachte ich mir. Hätte der Angeklagte dem Richter damals von dem ominösen Anruf erzählt, hätte möglicherweise ich den Gericht erklären dürfen, dass ich das nicht war. Denn ich bin der einzige männliche Journalist, der den Prozess beobachtet. Zwei andere Zeitungen haben Kolleginnen geschickt.

Und etwas nicht gemacht zu haben ist immer etwas knifflig zu belegen.

Voller Gerichtssaal – Handy konfisziert

Volle Gerichtssäle wie im Fernsehfilm oder den Gerichtsshows sind irre selten. Und wenn es voll ist, dann bedeutet das für Richter und Wachtmeister erhöhte Aufmerksamkeit. Denn die Zuschauer sind dann meistens da, weil Bekannte, Freunde oder Verwandte vor Gericht stehen oder Opfer waren.

Am Mittwoch war es entsprechend voll, der Fall hat Wellen geschlagen, weil die Familie es nicht einfach hinnehmen wollte, dass der Sohn und Bruder tot ist. Erstmal flogen die Jurastudenten aus dem Saal, die an dem Tag im Landgericht waren, um mal die Praxis zu beobachten; dafür durften die interessierte Öffentlichkeit dann rein. Praktischerweise war die erste Reihe für die Presse reserviert, denn neben den üblichen Schreibern der Lokalzeitungen, waren noch Radio und Fernsehen, teilweise vom gleichen Sender aber verschiedenen Redaktionen, da.

Der Vorsitzende erinnerte auch sofort ans absolute Handyverbot was recht schnell ein Opfer fand: Einen Agentur-Kollegen. Der schrieb auf seinem Smartphone gleich mit – was den Wachtmeister und Richter aber nicht interessierte. Das schlaue Kästchen wurde bis zur Mittagspause eingezogen und ich guckte, dass bei mir auch der Vibrationsalarm aus war.

Da alle Plätze besetzt waren, und vor dem Saal weitere Zuschauer und Journalisten warteten galt zudem die „weggegangen, Platz vergangen“-Regel. Der Kollege vom Radio, der zwischendurch was anderes erledigen wollte/musste musste daher zweimal draußen warten, bis ein anderer ging.

Justiz und Schnelligkeit – Zwei Welten treffen aufeinander

„Es muss eine möglichst zeitnahe Reaktion erfolgen“, sagte die Jugendstaatsanwältin zu den Zuhörern und alle nickten. Gegen Schluss fragte ich nach, was denn „zeitnah“ bedeutet. Ein Bagatellverfahren sei nach drei Monaten „schnell“ ausermittelt, meinte die Staatsanwältin. „Das ist aber nicht tatnah“, stellte eine Zuhörerin fest.

Da musste die Jugendstaatsanwältin einräumen, dass Juristen-„Schnell“ nicht das ist, was die Bürger unter „schnell“ verstehen. Ein ehemaliger Staatsanwalt versuchte das noch zu relativieren, indem er auf die Personalsituation bei Polizei und Justiz hinwies. Nur: Wenn ich in einem Artikel was falsches schreibe oder die Zeitung was verpasst, interessiert auch keinen warum – was zählt, ist auf dem Platz.

Und dieses „Schnell“ ist meiner Einschätzung nach eines der Probleme bei der Jugendkriminalität. Wenn frühestens nach drei Monaten eine Reaktion auf ein Fehlverhalten (das so übel war, dass ermittelt wurde und ein Richter darüber entscheiden muss) kommt, ist das einfach zu spät. Drei Monate (oder mehr) Zeit sich cool zu fühlen. Drei Monate, nach denen man die Hälfte von dem was passiert ist, vergessen hat. Drei Monate, in denen man glaubt dem zahnlosen Staat ausgetrickst zu haben. Drei Monate, in denen manche glauben wieder Scheiße bauen zu können, weil sie der Rechtsstaat vermeintlich nicht bremst.

Das fiel mir jedenfalls ein, als ich von der Vorgeschichte las, die die beiden Typen hatten, die nachmittags am 12. September wahrscheinlich einen Mann zu Tode getreten haben.

Süddeutsche Zeitung, 14.9.2009 – Urlaub in Stadelheim Ostbau

Hip-Hop, Drogen, Knast und die geliebten Eltern: Wer sind die mutmaßlichen Täter, die den 50-jährigen Geschäftsmann in München zu Tode geprügelt haben? Eine erste Annäherung.

Die Passauer Neue Presse formuliert da weniger zurückhaltend:

Sie leben in den Tag hinein, lassen sich treiben, lungern in der Stadt herum – und sind chronisch pleite. Die Totschläger Markus S. (18) und sein Spezl Sebastian L. (17) haben in ihrem kurzen Leben noch nichts zustande gebracht. Berufslos, arbeitslos.

Ach ja, Reuters: Zypries nach S-Bahn-Angriff gegen härtere Strafen. Hm, mein Problem geht ja nicht Richtung Sühne, wie lange man bestimmte Täter aus Rache wegsperren will, sondern wie lange man sie wegsperren muss, damit sie keine Gefahr mehr für andere sind?

Zoff nach Bewährungsurteil

Der Angeklagte war noch einmal davon gekommen. Zahlreiche Taschendiebstähle, aber eine Bewährungstrafe; also wurde er auch aus der U-Haft entlassen.

Eine Woche später erzählte mir ein Anwalt, dass die Geschichte dann noch nicht zu Ende gewesen sei. Erstmal soll der Mann nach dem gefühlten Freispruch etwas gefeiert und gebechert haben. Und dann sei er auf dem Polizeipräsidium etwas laut und handgreiflich geworden, weil es ihm zu lange gedauert haben soll, bis die Beamten ihm sein Hab und Gut aushändigten, das sie ihm vor der U-Haft abgenommen hatten.

Unschuldig

„Ich bin unschuldig“, sagte mir der Angeklagte in einer Verhandlungspause. Und wollte seine Position besser in der Zeitung untergebracht wissen. Ich sagte ihm, dass ich mich an der Verhandlung orientieren werde, sein Anliegen sei kein Grund für mich, das zu ändern. Und dann etwas gemeines: „Dass sie unschuldig sind, sagen alle.“ Aber er könne gerne mit der Redaktion telefonieren, sagte ich und schrieb ihm die Telefonnummer auf – steht sowieso im Internet.

Er war eigentlich richtig nett zu mir. Denn in der Verhandlung sagte eine Polizistin aus, dass der Angeklagte mal Ärger mit ihr hatte, sich vor ihr aufbaute und sie anschrie – mit einem Fingerbreit Abstand zwischen den Nasenspitzen.