Doppelmord in Babenhausen: Urteil – Schneller als die Agentur – Zerbrechende Hoffnungen

Die Justizia auf dem Landgericht Darmstadt. Foto: Marc Wickel

Da war ich doch einen Tick schneller als die Agentur mit meiner Meldung. Dazu gehört aber neben einem Galaxy Tablet auch ein Mobilfunknetz, nur das ist Voodoo im Darmstädter Landgerichtsgebäude.

Ist aber morgen nicht mehr so wichtig (sogar schon heute abend, meine Meldung ist zugunsten des vollen Artikels verschwunden.)

Siehe auch: Lebenslange Haft für Doppelmord von BabenhausenChronologie der ErmittlungenMedienrummel, Mikros, eine fassungslose FamilieBabenhausen-Doppelmord: Anklage fordert lebenslange Haft

Ich war ganz froh, dass mich keiner der Angehörigen vor der Verkündung gefragt hatte, wie ich das sehe. Denn ich hatte eine Woche zuvor über ein Urteil in einem anderen Indizienmordprozess (gleiche Kammer, zufällig der gleiche Staatsanwalt) geschrieben und da war der Angeklagte mit weniger Indizien schuldig gesprochen worden.

Heute saß ich – wie die Verhandlungstage zuvor auch – hinter einem Teil der Familie, die felsenfest davon überzeugt war und ist, dass der Ehemann, Vater dreier Kinder, Bruder, Sohn und Schwiegersohn unschuldig ist. Die bis zuletzt gehofft hatte. Und jetzt den Glauben in die Justiz endgültig verloren hat.

Fassungs- und ratlos, teilweise weinend, immer wieder die Köpfe schüttelnd verfolgte die Familie die Urteilsbegründung. „Das gibt‘s doch nicht“, hörte man regelmäßig jemanden flüstern. Die Angehörigen und Freunde des Angeklagten überzeugte die Urteilsbegründung in keiner Hinsicht. Immer wieder stießen sie hilflose Seufzer aus, holten tief Luft und fühlten sich der Justiz ausgeliefert, da diese nur Fakten bewerte, mit denen sie den Angeklagten verurteilen könne. „Die machen ihr Ding, wir hätten gar keine Rechtsanwälte gebraucht“, stellte die Mutter des Angeklagten resignierend fest. „Der wahre Täter lacht sich ins Fäustchen“.

Auch wenn ich angesichts der Indizien beim Urteil und Staatsanwalt bin („Es kommen zu viele Umstände zusammen, als das man von einem Zufall sprechen könnte“), wünsche ich keinem so etwas als Verwandter oder Freund zu erleben. Oder wie ich mitzubekommen. Das ist traurig zu spüren, wie Hoffnungen schlagartig verschwinden. Das kurzzeitig wächsern erscheinende Gesicht der Ehefrau, die nach der Urteilsverkündung erstmal vergaß sich zu setzen, bleibt im Gedächtnis.

Nachtrag: Mich beschäftigt ja ein wenig die Einschätzung der Lage bei Prozessbeobachtern und Verwandten des Angeklagten. Kollegen und ich gingen von einem Schuldspruch aus, aber die Verwandten waren fassungslos und einige Zuschauer hatten mit einem Freispruch gerechnet. War die Berichterstattung jetzt so unklar, haben die Menschen den Prozess doch eher beiläufig verfolgt oder will man sich einfach alles offen halten?

„Wenn, nur das Urteil“ – Ist aber eigentlich egal

Zugegeben, primär ärgert es mich, keinen Auftrag bekommen zu haben, sekundär zeigt folgendes mir auch eine gewisse Gleichgültigkeit:

Da steht ein Bürger einer Stadt in einer anderen, weit entfernten Stadt, vor Gericht. Oder ein Bürger, der in einer entfernten Stadt eine Straftat verübt hat. Für die Zeitung, wo das Gericht steht, ist das berichtenswert. Für die Zeitung aus der Stadt, aus der auch der Angeklagte kommt oder wo er eine Straftat begangen hat, eigentlich nicht.

„Ich nehme nur das Urteil“, meint der eine Redakteur. „Wenn, dann ist nur das Urteil interessant“, sagt ein anderer Redakteur zu einem anderen Fall. Auf eine E-Mail mit Terminankündigung und Honorarvorschlag kommt natürlich keine Antwort. Dass es bei dem einen Fall dann aber gleich am ersten Tag ein Teilurteil gibt, weil der eine Angeklagte gleich gesteht und der andere nicht, ist uninteresant. Und dass gegen Typen verhandelt wird, die auf spektakuläre Art und Weise einen Geldautomaten aus der Wand gerissen hatten, ist auch egal. Weil der Leser es ja nicht mitbekommt. Und dem Reakteur in der weit entfernten Stadt in NRW sein lokaler Leser eigentlich egal ist. Hauptsache, ein paar Euro gespart. Der Leser merkt es ja nicht, da er von dem Prozess in Weitwegstadt nichts mitbekommt.

Richtig. Das merkt der Leser nicht. Aber er spürt die generelle Gleichtgültigkeit, die dahinter steckt. Und steckt irgendwann das mit dem Abo auf.