Zivilkammer verurteilt Babenhausener Familienvater ebenfalls

Das alte Landgericht am Mathildenplatz, davor eine der Osterglocken, die auf der Wiese blühen.

Das alte Landgericht am Mathildenplatz.

Das ging ja dann doch schnell. Eine Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt sieht den wegen Doppelmord verurteilten Babenhausener Familienvater ebenfalls als den Täter. Somit hat das Land Hessen einen Anspruch darauf, dass der Verurteilte Kosten für die Betreuung der Tochter der Getöteten übernimmt. Die Tochter ist Autistin und lebt seit den Morden 2011 in einer Einrichtung, vorher wohnte sie bei ihren Eltern in Babenhausen.

(€) Echo online: Keine neue Beweisaufnahme im Doppelmordfall Babenhausen

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, es kann Berufung eingelegt werden.

Zum Hintergrund, warum es jetzt ein Zivilverfahren gab und wie das so läuft, gibt es einen RND-Artikel vom ersten Verhandlungstag, der das sehr schön erklärt.

RND: Zivilprozess gegen verurteilten Doppelmörder

Nachtrag: Ich verstehe ja nicht so ganz, warum der Verteidiger sich so darauf stützt, dass die Tat nicht mit einem Bauschaumschalldämpfer auf der Pistole begangen werden konnte. Ja, es gibt Schusswaffengutachter, die zeigen, dass so eine Konstruktion ihre Tücken hat und den Lauf verstopfen kann. Auf der anderen Seite haben wir aber ein Resultat: Zwei erschossene Menschen und Bauschaumpartikel an den Tatorten. Eine Kombi aus Schusswaffe und Bauschaum hat also funktioniert.

Der Doppelmord von Babenhausen wird vor einer Zivilkammer verhandelt und ich weiß nicht so recht

Ich war ja 2011 für das Darmstädter Echo bei vielen Verhandlungstagen der Gerichtsreporter beim Prozess um den „Babenhäuser Doppelmord“. Leider sind die Echo-Artikel nicht mehr online.

Nun steht ein aktuelles Echo-Interview mit dem Verurteilten (€) online (ist aber nicht von mir). Es darin auch darum, dass 2022 ein Zivilprozess kommt. Denn das Land Hessen möchte Schadensersatz vom Verurteilten. Es geht um zivilrechtliche Ansprüche des Landes, das nun für die Betreuung der Tochter der beiden Toten aufkommen muss. Nur: Die Zivilkammer übernimmt nicht einfach das Landgerichtsurteil von 2011, sie muss sich selbst einen Eindruck verschaffen. Und könnte zu einem anderen Ergebnis kommen.

2011 und danach hatte ich ja keine Zweifel am Landgerichtsurteil und hatte es auch noch im Jahr 2021 verteidigt; manchmal wird man als Gerichtsreporter ja von Zuschauern angesprochen und tatsächlich nach dem alten Verfahren gefragt. Und ich hatte es auch 2011 in meinem Blog geschrieben (der damals noch „verwickeltes“ hieß).

Denn für mich waren das bei dem Fall zu viele Zufälle wie ich 2011 schrieb.

Auch wenn ich angesichts der Indizien beim Urteil und Staatsanwalt bin („Es kommen zu viele Umstände zusammen, als das man von einem Zufall sprechen könnte“), wünsche ich keinem so etwas als Verwandter oder Freund zu erleben. Oder wie ich es mitzubekommen. Das ist traurig zu spüren, wie Hoffnungen schlagartig verschwinden. Das kurzzeitig wächsern erscheinende Gesicht der Ehefrau, die nach der Urteilsverkündung erstmal vergaß, sich zu setzen, bleibt im Gedächtnis.

Aber nur am Urteil zweifeln, weil es sexier ist, von Fehlurteil zu raunen, ist nicht mein Stil. Zudem das Landgericht Kassel einige Jahre später ein Wiederaufnahmeverfahren ablehnte – und die Kasseler Richter sind nicht solche, die Darmstädter Urteile stets durchwinken.

Dazu war für mich gekommen, dass der Angeklagte im Prozess so gut wie nichts zur Sache gesagt hatte. Klar, das musste er nicht, aber in der Lage? Ich frage mich, wie die Anwälte ihn beraten hatten? Ich fragte mich auch, was die Anwälte zur Familie gesagt hatten, denn die gingen von einem Freispruch aus. Es kann natürlich auch so gewesen sein, dass der Angeklagte nicht wollte, dass die Anwälte der Familie sagen, dass sie mit einer Verurteilung rechnen, denn Anwälte sind den Mandanten verpflichtet und nicht den Angehörigen.

Eigentlich hatte ich keine Zweifel, bis zum (€) Prozess gegen einen ehemaligen Kriminalpolizisten und jetzt Bürgermeister wegen Geheimnisverrats über die damals möglicherweise einseitigen Ermittlungen (dpa: Pfungstädter Bürgermeister freigesprochen). Dazu kam der mehrteilige und aufwändig recherchierte Podcast „Die Nachbarn“ (der eigentlich „Mord auf Ex“ heißt). Bis dahin wusste ich nicht, dass sich der damalige Polizeipräsident massiv eingemischt hatte und dass es unter den Ermittlern die Meinung gab, dass man vielleicht nur einseitig ermittle. Und auch wenn die Familie des Angeklagten und Freunde sagten, dass nur einseitig ermittelt worden sei, nun, das hört man leider in zu vielen Prozessen.

Jetzt aber weiß ich auch nicht mehr so recht. Das andere ist natürlich, dass sich der Bundesgerichtshof in seiner Revision, das Landgericht Kassel im Wiederaufnahmeverfahren, das Oberlandesgericht Frankfurt und das Bundesverfassungsgericht mit dem Verfahren beschäftigt haben. Das OLG hatte die Beschwerde gegen die Kasseler Entscheidung, das Verfahren nicht wieder aufzunehmen, verworfen und das Bundesverfassungsgericht hatte eine Beschwerde dagegen abgelehnt.

Gericht sieht mehr Planung als Chaos


Kleine Überraschung im Landgericht. Staatsanwaltschaft und Verteidigung plädieren bei einem Angeklagten auf eine Bewährungsstrafe wegen Beihilfe zu einem Bankraub, aber das Gericht sieht den Offenbacher, der den Fluchtwagen fuhr, als Mittäter, der bei der Planung dabei war: Dreieinhalb Jahre Haft, somit keine Bewährung.

Und auch sonst hatte das Gericht mehr Planung aller Angeklagten ausgemacht als es die schnelle Festnahme nahelegte. Die Truppe hatte am Weltspartag 2016 eine Bankfiliale überfallen und war nach wenigen Stunden verhaftet worden.

Echo online: Räuber-Trio muss nach Banküberfall in Babenhausen in Haft

Babenhäuser Bankräuber angeklagt

Das war gestern im Darmstädter Landgericht nicht einfach für eine Mutter mit drei Kindern. Während sie weinend einen Kinderwagen wiegte, gesteht ihr Partner und der Vater der Kinder, dass er sich hatte überreden lassen, einen Bekannten zu einem Banküberfall zu fahren.

Der Überfall war allerdings schlecht vorbereitet, die Räuber hatten die Flucht nicht geplant und das Auto hatte auch sein reguläres Kennzeichen …

Echo online: „Ich wollte nicht als Schlappschwanz dastehen.“

Nach einem Jahr hat der Bundesgerichtshof entschieden

Zufälle gibt’s. Erster Zufall: Gestern traf ich im Gericht die Staatsanwältin, die die Anklage im Doppelmordprozess von Babenhausen mitvertreten hatte und fragte, ob die Revision zu dem Urteil schon entschieden sei. Sie wusste aber nichts.

Kurz darauf kam via E-Mail die Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs, dass keine Rechtsfehler vorlagen und das Urteil rechtskräftig ist. Zweiter Zufall: Als ich die Staatsanwältin fragte, war mir nicht bewusst, dass das Urteil vor genau einem Jahr gesprochen worden war.

Bundesgerichtshof bestätigt Verurteilung im Doppelmordprozess

Lebenslange Haft für Doppelmord von Babenhausen

Medienrummel, Mikros, eine fassungslose Familie

Die Familie des Angeklagten glaubt weiterhin an seine Unschuld. Und der Verein „Monte Christo“ wurde gegründet, um schuldlos in Not geratenen Opfern von Strafverfolgung und Justiz sowie deren Angehörigen zu helfen.

Doppelmord in Babenhausen: Urteil – Schneller als die Agentur – Zerbrechende Hoffnungen

Die Justizia auf dem Landgericht Darmstadt. Foto: Marc Wickel

Da war ich doch einen Tick schneller als die Agentur mit meiner Meldung. Dazu gehört aber neben einem Galaxy Tablet auch ein Mobilfunknetz, nur das ist Voodoo im Darmstädter Landgerichtsgebäude.

Ist aber morgen nicht mehr so wichtig (sogar schon heute abend, meine Meldung ist zugunsten des vollen Artikels verschwunden.)

Siehe auch: Lebenslange Haft für Doppelmord von BabenhausenChronologie der ErmittlungenMedienrummel, Mikros, eine fassungslose FamilieBabenhausen-Doppelmord: Anklage fordert lebenslange Haft

Ich war ganz froh, dass mich keiner der Angehörigen vor der Verkündung gefragt hatte, wie ich das sehe. Denn ich hatte eine Woche zuvor über ein Urteil in einem anderen Indizienmordprozess (gleiche Kammer, zufällig der gleiche Staatsanwalt) geschrieben und da war der Angeklagte mit weniger Indizien schuldig gesprochen worden.

Heute saß ich – wie die Verhandlungstage zuvor auch – hinter einem Teil der Familie, die felsenfest davon überzeugt war und ist, dass der Ehemann, Vater dreier Kinder, Bruder, Sohn und Schwiegersohn unschuldig ist. Die bis zuletzt gehofft hatte. Und jetzt den Glauben in die Justiz endgültig verloren hat.

Fassungs- und ratlos, teilweise weinend, immer wieder die Köpfe schüttelnd verfolgte die Familie die Urteilsbegründung. „Das gibt‘s doch nicht“, hörte man regelmäßig jemanden flüstern. Die Angehörigen und Freunde des Angeklagten überzeugte die Urteilsbegründung in keiner Hinsicht. Immer wieder stießen sie hilflose Seufzer aus, holten tief Luft und fühlten sich der Justiz ausgeliefert, da diese nur Fakten bewerte, mit denen sie den Angeklagten verurteilen könne. „Die machen ihr Ding, wir hätten gar keine Rechtsanwälte gebraucht“, stellte die Mutter des Angeklagten resignierend fest. „Der wahre Täter lacht sich ins Fäustchen“.

Auch wenn ich angesichts der Indizien beim Urteil und Staatsanwalt bin („Es kommen zu viele Umstände zusammen, als das man von einem Zufall sprechen könnte“), wünsche ich keinem so etwas als Verwandter oder Freund zu erleben. Oder wie ich mitzubekommen. Das ist traurig zu spüren, wie Hoffnungen schlagartig verschwinden. Das kurzzeitig wächsern erscheinende Gesicht der Ehefrau, die nach der Urteilsverkündung erstmal vergaß sich zu setzen, bleibt im Gedächtnis.

Nachtrag: Mich beschäftigt ja ein wenig die Einschätzung der Lage bei Prozessbeobachtern und Verwandten des Angeklagten. Kollegen und ich gingen von einem Schuldspruch aus, aber die Verwandten waren fassungslos und einige Zuschauer hatten mit einem Freispruch gerechnet. War die Berichterstattung jetzt so unklar, haben die Menschen den Prozess doch eher beiläufig verfolgt oder will man sich einfach alles offen halten?

Medienaufgebot im Landgericht – Doppelmord in Babenhausen

Im April 2009 wurden in Babenhausen ein Mann und seine Frau erschossen, die Tochter angeschossen. Am Tatort gab es kaum Spuren, die erwachsene Tochter hat geschlafen, als auf sie geschossen wurden, sie ist zudem durch eine Behinderung eingeschränkt. Schüsse gehört hatte offenbar niemand.

Im Mai 2010 will die Polizei einen Nachbarn als Täter ermittelt haben. Er soll das Ehepaar erschossen haben, weil er sich durch den Lärm der Nachbarn gestört gefühlt haben soll. Heute startete der Prozess. Der Angeklagte bestreitet die Tat: „Ich bin unschuldig und habe den Menschen nichts angetan.“ Im Übrigen beruft er sich auf sein Aussageverweigerungsrecht.

Angesetzt sind zehn Verhandlungstage, am ersten Tag kamen 50 Zuschauer (Saal war voll) fünf Fernsehteams und mindestens sechs Fotografen. Weggegangen, Platz vergangen, ist dann das Wachtmeister-Motto. „Wenn einer rausgeht, können sie rein.“ Und dann waren da noch mindestens sieben Reporten mit Blöckchen.

Verteidiger Veikko Bartel erklärt im Darmstädter Landgericht, dass sein Mandant unschuldig sei.

Der folgende Text ist aus einer Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Darmstadt und des Polizeipräsidiums Südhessen vom Mai 2010 zur Verhaftung des nun angeklagten Mannes.

Gut ein Jahr nach dem Gewaltverbrechen, bei dem die Eheleute K. und P. T. (damals 62 und 58 Jahre alt) erschossen und ihre damals 37 Jahre alte behinderte Tochter durch mehrere Schüsse lebensgefährlich verletzt worden war, hat die Polizei einen 40 Jahre alten Mann aus Babenhausen auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle festgenommen.

Bei seinen Vernehmungen vor der Polizei und später vor dem Ermittlungsrichter machte der Beschuldigte von seinem Recht Gebrauch, nicht zur Sache auszusagen. Ungeachtet dessen sind sich Staatsanwaltschaft und Polizei sicher, dass das Motiv in einem lang andauernden nachbarschaftlichen Streit zwischen dem Tatverdächtigen und den Opfern lag.

Auf die Spur, die zu dem Vierzigjährigen führte, kamen die Ermittler durch eine Computerüberprüfung. Der Beschuldigte soll einige Zeit vor der Tat mit dem Firmencomputer auf eine Internetseite in der Schweiz zugegriffen haben, die sich mit dem Eigenbau von Schalldämpfern beschäftigt. Ein zufälliger Aufruf der Seiten kann ausgeschlossen werden. Spezialisten konnten eine bestimmte Wörterkombination, mit der nach selbstgebauten Schalldämpfern gesucht wurde, recherchieren. Kurz nach der Tat war der Firmencomputer des Tatverdächtigen durch einen angeblich technischen Defekt vernichtet worden. Dennoch gelang es Spezialisten im Firmennetzwerk die Spuren zu finden, die den Tatverdächtigen schwer belasteten. Gutachten, die erst seit Kurzem den Ermittlungsbehörden zur Verfügung standen, belegten diese Aktivitäten.

Daneben ermittelten Staatsanwaltschaft und Polizei zahlreiche weitere verdächtige Umstände, die einen dringenden Tatverdacht begründeten und keinen vernünftigen Zweifel an der Tatbegehung durch den Beschuldigten zuließen. Dazu gehörte die zweifelsohne schwer belastete Beziehung zwischen dem Tatverdächtigen und den Opfern. Viele Erkenntnisse hieraus stellten Stück für Stück ein Mosaik zusammen. Dieses Bild machte die seit Jahren bestehende und äußerst problematische nachbarschaftliche Beziehung deutlich.

Auch ein Einsatz von so genannten Man-Trailer-Hunden ließ erkennen, dass der Täter sich sehr gut am Tatort und dessen unmittelbarer Umgebung ausgekannt haben musste. Verblüffend war auch die Tatsache, dass die Hunde unabhängig voneinander zu der Firma des Tatverdächtigen liefen. Sie hatten lediglich den Geruch einer Tatortspur aufgenommen.