Der Doppelmord von Babenhausen wird vor einer Zivilkammer verhandelt und ich weiß nicht so recht

Ich war ja 2011 für das Darmstädter Echo bei vielen Verhandlungstagen der Gerichtsreporter beim Prozess um den „Babenhäuser Doppelmord“. Leider sind die Echo-Artikel nicht mehr online.

Nun steht ein aktuelles Echo-Interview mit dem Verurteilten (€) online (ist aber nicht von mir). Es darin auch darum, dass 2022 ein Zivilprozess kommt. Denn das Land Hessen möchte Schadensersatz vom Verurteilten. Es geht um zivilrechtliche Ansprüche des Landes, das nun für die Betreuung der Tochter der beiden Toten aufkommen muss. Nur: Die Zivilkammer übernimmt nicht einfach das Landgerichtsurteil von 2011, sie muss sich selbst einen Eindruck verschaffen. Und könnte zu einem anderen Ergebnis kommen.

2011 und danach hatte ich ja keine Zweifel am Landgerichtsurteil und hatte es auch noch im Jahr 2021 verteidigt; manchmal wird man als Gerichtsreporter ja von Zuschauern angesprochen und tatsächlich nach dem alten Verfahren gefragt. Und ich hatte es auch 2011 in meinem Blog geschrieben (der damals noch „verwickeltes“ hieß).

Denn für mich waren das bei dem Fall zu viele Zufälle wie ich 2011 schrieb.

Auch wenn ich angesichts der Indizien beim Urteil und Staatsanwalt bin („Es kommen zu viele Umstände zusammen, als das man von einem Zufall sprechen könnte“), wünsche ich keinem so etwas als Verwandter oder Freund zu erleben. Oder wie ich es mitzubekommen. Das ist traurig zu spüren, wie Hoffnungen schlagartig verschwinden. Das kurzzeitig wächsern erscheinende Gesicht der Ehefrau, die nach der Urteilsverkündung erstmal vergaß, sich zu setzen, bleibt im Gedächtnis.

Aber nur am Urteil zweifeln, weil es sexier ist, von Fehlurteil zu raunen, ist nicht mein Stil. Zudem das Landgericht Kassel einige Jahre später ein Wiederaufnahmeverfahren ablehnte – und die Kasseler Richter sind nicht solche, die Darmstädter Urteile stets durchwinken.

Dazu war für mich gekommen, dass der Angeklagte im Prozess so gut wie nichts zur Sache gesagt hatte. Klar, das musste er nicht, aber in der Lage? Ich frage mich, wie die Anwälte ihn beraten hatten? Ich fragte mich auch, was die Anwälte zur Familie gesagt hatten, denn die gingen von einem Freispruch aus. Es kann natürlich auch so gewesen sein, dass der Angeklagte nicht wollte, dass die Anwälte der Familie sagen, dass sie mit einer Verurteilung rechnen, denn Anwälte sind den Mandanten verpflichtet und nicht den Angehörigen.

Eigentlich hatte ich keine Zweifel, bis zum (€) Prozess gegen einen ehemaligen Kriminalpolizisten und jetzt Bürgermeister wegen Geheimnisverrats über die damals möglicherweise einseitigen Ermittlungen (dpa: Pfungstädter Bürgermeister freigesprochen). Dazu kam der mehrteilige und aufwändig recherchierte Podcast „Die Nachbarn“ (der eigentlich „Mord auf Ex“ heißt). Bis dahin wusste ich nicht, dass sich der damalige Polizeipräsident massiv eingemischt hatte und dass es unter den Ermittlern die Meinung gab, dass man vielleicht nur einseitig ermittle. Und auch wenn die Familie des Angeklagten und Freunde sagten, dass nur einseitig ermittelt worden sei, nun, das hört man leider in zu vielen Prozessen.

Jetzt aber weiß ich auch nicht mehr so recht. Das andere ist natürlich, dass sich der Bundesgerichtshof in seiner Revision, das Landgericht Kassel im Wiederaufnahmeverfahren, das Oberlandesgericht Frankfurt und das Bundesverfassungsgericht mit dem Verfahren beschäftigt haben. Das OLG hatte die Beschwerde gegen die Kasseler Entscheidung, das Verfahren nicht wieder aufzunehmen, verworfen und das Bundesverfassungsgericht hatte eine Beschwerde dagegen abgelehnt.

Landgericht Darmstadt meldet landunter – Kapazitätsprobleme

Das Landgericht Darmstadt meldet ein Personalproblem und spricht in einer Pressemitteilung von einem langjährig wachsenden Personaldefizits „von zuletzt immer noch 25 Richterinnen und Richtern“. Durch Umverteilen sei das nicht mehr zu lösen, so das Gerichtspräsidium:

Angesichts der nicht ausreichenden Anzahl der dem Landgericht Darmstadt zur Verfügung stehenden Richterinnen und Richter kann die in vielen Bereichen bereits eingetretene erhebliche Verlangsamung der Rechtspflege nicht mehr durch Maßnahmen der Geschäftsverteilung abgewendet werden.

(€) Echo online: Gerichtspräsidium sieht ordnungsgemäßen Betrieb nicht gewährleistet. Ministerin widerspricht

So neu scheint mir das alles nicht. 2018 hatte das Landgericht zeitweise zwei „Hilfskammern“ für Wirtschaftsverfahren gebildet, um in dem Bereich hinterher zu kommen, eine davon hatte ehemalige Geschäftsführer der eines Fußballvereins unter anderem wegen Insolvenzverschleppung verurteilt. Ende 2018 wurden die Hilfstrafkammern aufgelöst, Anfang 2019 teile das Landgericht dazu mit, dass es zwar 75,5 Richterstellen habe, aber „„der errechenbare Bedarf liegt allerdings um über zehn Stellen höher“ (€)

Und Anfang 2019 hatte der hessische Richterbund hingewiesen, dass nach seinen Berechnungen „mindestens 300 Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte mehr benötigt werden, um den gegenwärtigen Arbeitsanfall zu bewältigen

Dass das Land Hessen meiner Meinung nach zuwenig Personal einstellt, ist das eine, das andere ist etwas Grundsätzliches was 2017 Juraprofessor Henning Ernst Müller von der Uni Regensburg in einer Bundestagsanhörung sagte:

BT-Drucksache 18/11161 – Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften: „Eigentlich müsste in jedem neuen Gesetz, in dem höhere Strafe beziehungsweise neue Strafgesetze stehen, auch aufgenommen werden, dass in den Ländern entsprechend viele Stellen bei Staatsanwaltschaft und Richterschaft geschaffen werden, damit das umgesetzt werden kann. Sonst hat das alles keinen Sinn.“

Rotlicht, Blaulicht und Erpressung

Ein Amtsgerichtsprozess, der schon zweimal terminiert und ausgefallen war, fand nun statt:

(€) Echo online: Früherer Stripper für Erpressung einer Polizistin bestraft

Interessant war auch, wie die Erpressung aufflog. Die Geschädigte hatte nichts unternommen. Aber der Angeklagte schien seiner Ex-Freundin unbedingt noch einen mitgeben zu wollen und hatte sie wegen Arzneimittelmissbrauch angezeigt. Aber die Polizei ermittelte dann auch gegen ihn.

Mit dem Auto auf die Familie zugefahren

Zuerst dachte eine Zeugin, dass der Fahrer eines Ford Mondeo die Frauen mitnehmen wollte, dann aber zeigte sich, dass er mit dem Auto auf die Gruppe zufuhr. „My father is trying to kill us“, sagte ein Mädchen.

Echo online: Vater rast auf Frau und Töchter zu

Ich bin nach solchen Taten ja immer wieder überrascht, dass Ehefrauen daraus nicht die Konsequenz ziehen und die Beziehung beenden und stattdessen wegen der Familie bleiben und hoffen, dass sich nichts wiederholt. Denn das geht zu oft schief. Ich denke da ganz aktuell an die 28-Jährige, die Ende Februar 2021 von ihrem Ehemann erwürgt und ein Jahr zuvor von ihm mit einem Messer schwer verletzt worden war.

Heute ist der „Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“ und die Daten aus Deutschland sind auch schlecht:

Deutsche Welle: Gewalt gegen Frauen nimmt zu – Jede Stunde würden in Deutschland durchschnittlich 13 Frauen Opfer von Gewalt in Partnerschaften, erläuterte Bundesfrauenministerin Christine Lambrecht die Statistik. Alle zweieinhalb Tage werde eine Frau durch eine Gewalttat ihres Partners oder Ex-Partners getötet.

Und bevor eine Frau umgebracht wird, kann es gut sein, dass der Partner sie schon davor mehrmals bedroht und angegriffen hat.

Biebesheimer wegen Totschlag verurteilt


Ein Mann vermisst seine Frau und macht sich mit seinen Kindern und seiner Schwägerin auf die Suche. Sie finden die Frau, leblos an einem Feldrand. Die Schwägerin versucht ihre Schwester wieder zu beleben.

Was sie nicht weiß, ihr Schwager hat seine Frau zwei Stunden davor bei einem Streit erwürgt, die Leiche dort abgelegt, eine falsche WhatApp vom Handy seiner Frau verschickt und dann die Suche inszeniert. Das war am 27. Februar. Nun gibt es ein Urteil.

(€) Echo online: Ehemann wegen Totschlag verurteilt

Kein Angeklagter und kein Anwalt im Amtsgericht

Auf einem dieser Stühle hätten Anwalt und Mandant sitzen können.

Eigentlich sollte vorm Amtsgericht wegen eines „Hitlergrußes“ verhandelt werden. Aber der Angeklagte, der angeblich an einer Querdenken-Aktion teilgenommen und den laut Staatsanwaltschaft gezeigt haben soll, kam nicht ins Gericht. Und ein Anwalt kam auch nicht.

Echo online: Strafbefehl gegen Querdenker

Plädoyers für Mord und Totschlag

Das ist das Gebäude A des Darmstädter Justizkomplexes. Rechts davon ist das Gebäude B, links die Bauten C und D (sieht man nicht). Gebäude A ist Gebäude A, weil es das älteste ist, es geht nicht danach, wo welcher Bau steht.

Mord hat die Staatsanwaltschaft angeklagt, auf Totschlag hat sie jetzt plädiert. Und auch die Verteidigung sieht die Tat vom 27. Februar 2021 als Totschlag. Aber die geforderten Haftstrafen unterscheiden sich dann doch. Und der Nebenklägeranwalt sieht die Tat als Mord.

(€) Echo online: Biebesheimer Mordprozess: Anwälte plädieren auf Totschlag

Landgericht: Mann tötet Freundin, damit sie ihn nicht mehr anzeigen kann

Das ist das Gebäude A des Darmstädter Justizkomplexes. Rechts davon ist das Gebäude B, links die Bauten C und D.
Gebäude A ist Gebäude A, weil es das älteste ist, es geht nicht danach, wo welcher Bau steht.

„Es war der erste Dienst im neuen Jahr“, erinnert sich ein Polizeibeamter. Ein Mann und seine Mutter kamen gegen 12.30 Uhr zum Polizeiposten Pfungstadt. „Der Mann hat geweint“, beschreibt der Beamte, seine Mutter habe geschockt gewirkt. „Er hat was wirklich schlimmes gemacht“, habe die Frau gesagt. Und der damals 35 Jahre alte Sohn sagt, er habe seine Lebensgefährtin zerschnitten, so der Polizist während seiner Aussage im Darmstädter Landgericht.

Das war am 3. Januar 2019. Der Mann wurde festgenommen und ist seitdem in Untersuchungshaft. Ende 2019 wurde er von der 11. Landgerichtskammer wegen Mord aus niedrigen Beweggründen zu lebenslanger Haft verurteilt. Aber der Bundesgerichtshof hob das erste Urteil wegen eines Verwertungsverbots auf. Nun hat die 16. Kammer den Prozess wiederholt und den Angeklagten erneut wegen Mord – aber wegen Verdeckung einer Straftat – verurteilt.

(€) Echo online: „Sie haben Ihre Freundin umgebracht, und zwar auf bestialische Weise“

Geständnis am 5. Tag

Es scheint, als muss sich bei manchen Menschen erst ein gewisser Druck aufbauen, bis sie sich offenbaren können. So hat der Angeklagte im Prozess um einen Mord in Biebesheim am 5. Verhandlungstag ein Geständnis abgelegt. Gegenüber den psychiatrischen Gutachtern hatte er die Tat noch bestritten und an den ersten Verhandlungstagen auch nichts dazu gesagt.

Dann hatte der Vorsitzende Richter den Angeklagten am dritten Tag darauf hingewiesen, dass die Indizien bislang auf ihn als Täter hinweisen, und ob er nicht etwas dazu sagen wolle. Am vierten Tag wurden Videos der Polizei als Beweismittel eingeführt. Eines zeigte, wie ein Beamter die Leichenablage nachstellte, um Fahrzeiten zu ermitteln. Und dann sah man noch das Video von dem Ort, wo die Tote gefunden wurde, mit Blick auf die Leiche und ihr Gesicht.

(€) Echo online: Mund zugehalten und zugedrückt

Urteil nach zwei Jahren und zwei Verhandlungstagen

Vor über zwei Jahren war ein tödlicher Unfall an der Kreuzung Rhein- und Darmstädter Straße in Weiterstadt.

Am zweiten Verhandlungstag um einen für einen Weiterstädter Radfahrer tödlichen Unfall kam fast alles auf einmal dran: Unfallgutachten, Plädoyers und Urteil. Fürs Schreiben ist es mir ja lieber, wenn sich das verteilt. Der Unfall in Weiterstadt war am 2. August 2019, der Amtsgerichtsprozess jetzt im Oktober und November.

(€) Echo online: Lkw-Fahrer verurteilt

(€) Echo online: Tödlicher Unfall in Weiterstadt: Woher kam der Radfahrer? (19.10.2021)