Flüchtlinge, Milliarden, Steuerhinterziehung und Fehler

Gerade bin ich über ein Meme gestolpert, das auf die niedrigen Kosten durch Flüchtlinge und die hohen Verluste durch Steuerhinterziehung hinweist. Ich frage mich nur, warum die Verfasser die Zahlen nicht mal kurz recherchieren? Zumal ja auch Sachen rauskommen können, die einem in den Kram passen.

Ich habe mal nach den Zahlen gegooglet, es ist also kein Hexenwerk, das können tumbere Zeitgenossen auch:

2017 hat Deutschland für Flüchtlinge rund 20 Milliarden Euro aufgewendet. Vier Milliarden waren die Kosten für minderjährige Flüchtlinge. Und gerade bei dieser Zahl wäre es schlau – mit Blick auf das Anliegen dieses Memes – dass die auf jeden Fall stimmt.

Dafür können die hinterzogenen Steuern sogar bei 40 Milliarden liegen.

Die 55 Milliarden durch Cum-Ex sind eine Summe aus mehreren Jahren und mehreren europäischen Ländern und nicht aus dem Jahr 2017 und nicht nur aus Deutschland.

Im weiteren gibt es zu Cum-Ex leider noch kein höchstrichterliches Urteil, das sagt, dass das strafbar ist. Bislang ist das tatsächlich ein Geschäftsmodell und darauf können sich die berufen. Von strafbar reden nur wir, die Staatsanwaltschaft und das Bundesfinanzministerium. (Nachtrag, seit Sommer 2021 gibt es ein BGH-Urteil, SpOn: Cum-Ex-Geschäfte sind strafbare Steuerhinterziehung.)

Die 160 Milliarden Euro pro Jahr stimmen, die Zahl ist aber von 2014.

Demo für die Wälder auf dem Luisenplatz

„Auch 200 Hektar sind ein wertvolles Biotop.“ (Ernst-Ludwig Becker, BUND Darmstadt)

Am Samstag wurde auf dem Luisenplatz für den Erhalt des Hambacher Forstes demonstriert, aber auch auf den Darmstädter Westwald geschaut.

Echo online: „Der Wald soll bleiben“

In der Vorbereitung zu dem Termin hatte ich zum Hambacher Forst ja einiges nachgeguckt. Und habe dann umgerechnet wie viel 200 Hektar – soviel ist von dem Hambacher Wald noch übrig – sind. Da war ich dann doch überrascht, denn 200 Hektar sind zwei Quadratkilometer. Das habe ich dann mehrmals nachgemessen (Google Maps kann auch Flächen ausrechnen), auch auf einer Website zum Hambacher Forst, da mir das so wenig schien. 200 Hektar, das ist zweimal das Merck-Werksgelände oder der Osten Bessungens zwischen Heinrich und Klappacher Straße und zwischen Heidelberger und Nieder-Ramstädter Straße.

Größte Überraschung war für mich, dass das Fürstentum Monaco auch nur 200 Hektar groß ist. Dass das kleiner als Darmstadt ist, hätte ich nicht gedacht.

Was allerdings nicht stimmt, war ein JPG aus dem Internet (nicht auf der Demo!), auf dem behauptet wurde, dass der Hambacher Wald 12.000 Jahre alt sei. Dazu hatte der Bonner Geobotanik-Professor Wolfgang Schumacher im Kölner Stadtanzeiger gesagt: „Vor 12.000 Jahren war im Hambacher Forst nichts als Tundra. Das richtige Alter dürfte bei 4000 bis 5000 Jahren liegen.“ Auch sei der Wald nicht der letzte große Mischwald.

Solche falschen Infografiken ärgern mich. Denn wenn man die Verbreiter dann darauf anspricht, dann kommen sie oder ihre Freunde gerne mit der „guten Sache“, dass das doch ein Anstoß zum Nachdenken sei oder gar „nur witzig gemeint“ sei. Auf der anderen Seite wird jedoch über Fake News gestöhnt und auf eine angebliche Lügenpresse geschimpft. Aber mal fünf Minuten googlen (so lange dauert das, ich habe das mal in meiner Browserhistory nachgeguckt), bevor man sowas „teilt“, ist dann doch zu viel. Und was ist, wenn der politische Gegner mit der „guten Sache“, „witzig“ und „Denkanstoß“ argumentiert?

Das Verhältnis zwischen Wissenschaft, Medien und Politik

Um Populismus und „Fake News“ ging es neulich in der Schader-Stiftung.

Es ist gar nicht so einfach auf Populismus und „Alternative Fakten“ zu reagieren, ist mein Fazit aus einem Podiumsgespräch bei der Schader-Stiftung. Beispielsweise sind Pseudonyme im Netz manchmal auch (überlebens)wichtig und dann gibt es ja auch noch die Meinungsfreiheit.

Und auch wenn sich Publikum und die Menschen auf dem Podium – Sylke Gruhnwald („Republik“), Prof. Dr. Andrea Rapp (Literaturwissenschaftlerin), Volker Stollorz (Science Media Center Köln), Karin Wolff (CDU-Landtagsabgeordnete und ehemalige Hessische Kultusministerin) und Moderator Prof. Dr. Jens Steffek, (Politikwissenschaftler an der TU) – einig waren, so vermute ich, dass der Grat zwischen Fakten und Fiktion sehr schmal ist, ich sage nur „Homöopathie„.

Deutungshoheit gewinnen und von den Tatsachen ablenken

We’re not at war with the administration, we’re at work. Marty Baron, Washington Post-Chefredakteur
Inzwischen zeigen die USA sehr schön was mit solchen Behauptungen im Stile „You are fake news!“ versucht wird: Deutungshoheit gewinnen und von den Tatsachen abzulenken.

Denn die Taktik dahinter ist: Wenn der eine sagt, dass das Glas kaputt sei und der andere, dass es voll sei, dann neigt man dazu, erstmal halbvoll zu glauben. Damit hat aber der, der das Glas kaputt gemacht hat, schon gewonnen. Nur gibt es keinen Mittelweg zwischen voll und kaputt. 

Leider ist es nicht immer so einfach wie in dem Glasbeispiel und das gibt Trump, Spicer & Co. den Spielraum, den sie brauchen.