Wildtierverbot – und es gibt doch den neuen Politikstil

Donnerstag (14.3.) wurde es im Stadtparlament relativ spät. Normalerweise endet eine Sitzung um 22 Uhr, aber da der Tagesordnungspunkt zur Aufhebung des Wildtierverbots um fünf vor zehn aufgerufen wurde, beantragte Uffbasse-Fraktionschefin Kerstin Lau, den Punkt doch zu behandeln.

Grüne und CDU sprachen nicht dagegen – obwohl es ein Uwiga-Antrag war, der einen grün-schwarzen Beschluss aufheben wollte. OK, richtig vermeidbar war er nicht, denn es gab ja das Verwaltungsgerichtsurteil, das das Wildtierverbot für Zirkusse in einem Beschluss aufgehoben hatte, weil der Zirkus Krone geklagt hatte.

Woraufhin die Uwiga beantragte den früheren Beschluss aufzuheben, „um weitere rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden und die Verwaltung von dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zu entbinden.“

Das hätte ja schon genug des neuen Politikstils sein können, aber es gab noch eine Zugabe. Erstens wurde zugestimmt und zweitens einem weitern Vorschlag der Opposition zugestimmt. Ein Änderungsantrag von Uffbasse wurde teilweise übernommen: Zirkusse müssen künftig „eine Haftpflichtpolice und ein schlüssiges Sicherheitskonzept hinsichtlich Stabilität und Ausbruchssicherheit der Transporter, Stallzelte und Gehege“ ihren Anträgen beilegen.

Echo Online: Parlament kassiert Wildtierverbot wieder
Uwiga-Antrag zum Antrag zum “Wildtierverbot” (PDF, 60 kB)
Helmut Kletts (Uwiga) Rede zum Antrag
Uffbasse-Änderungsantrag
Kerstin Laus (Uffbasse) Rede zum Änderungsantrag
Pressemitteilung des Tierschutzvereins Darmstadt zur Rücknahme des Wildtierverbotes für Zirkusse
via Peta: Urteil des Amtsgerichts Darmstadt vom Februar 2009 gegen den Zirkus Krone

Wieder mal „Neuer Politikstil”: SPD-Ausschussvorsitzender mitten in der Legislatur von Grün-Schwarz abgewählt

Die Darmstädter SPD-Fraktion stellt nicht mehr den Vorsitzenden im neuen Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaftsförderung. Im Vorgängerausschuss für Wirtschaftsförderung und Liegenschaften war Santi Umberti Vorsitzender, im neu konstituierten Ausschuss besetzte Grün-Schwarz den Vorsitz nun mit Peter Franz (CDU).

Der Ausschuss musste neu konstituiert worden, da Liegenschaften nun zum Bauausschuss gehört; die Dezernate waren mit dem Ausscheiden Schul- und Klinikdezernenten Dierk Molter (FDP) neu geschnitten worden waren.

Für die Sozialdemokraten kam die Abwahl überraschend, sie gingen davon aus, dass der Ausschussvorsitz bei Umberti bleibt. Die CDU sieht darin keine Abwahl, für sie ist es ein völlig neuer Ausschuss. (Naja …, etwas spitzfindig.) Und den neuen Ausschüssen habe die SPD ja zugestimmt.

Anstelle des Wirtschaftsausschussvorsitz soll die SPD nun den Vorsitz im Wahlvorbereitungsausschuss (bislang bei der CDU) erhalten – nur sind die Wahlen zur Zeit gelaufen.

Der „Neue Politikstil” wird vielleicht gegenüber den Bürgern gefahren werden, aber im Parlament und den Gremien (Wahlen im Magistrat zum HEAG-Holding Aufsichtsrat) ist der „Neue Politikstil” zur Zeit traditionelle Machtpolitik.

Dazu passt auch, wie in der aktuellen Stadtverordnetenversammlung (3.11.) für mich fast krampfhaft auf die Geschäftsordnung verwiesen wurde, um bloß nicht über einen UffbasseAntrag abzustimmen. Mit dem sollte der Magistrat aufgefordert werden, mit der Bima (Bundesimmobilienanstalt) zu sprechen, um die ihr gehörenden leeren US-Kasernen in Darmstadt für eine Übergangszeit als Wohnungen, beispielsweise für Studenten, zu nutzen. Grün-Schwarz lehnte es gegen die anderen Fraktionen schließlich ab, den Antrag auf die Tagessordnung der laufenden Sitzung zu nehmen.

Nachtrag I: Dazu auch Helmut Kletts (Uwiga) Kommentar:

Dazu gab es auch einen vor der Sitzung verteilten UWIGA-Antrag (http://www.uwiga.com/fraktion,483) – vom Uffbasse-Antrag wussten wir zu dem Zeitpunkt nichts.
Die UWIGA wollte ihren Antrag zur aktuellen Stunde (mit Dank für diese Stunde an Uffbasse) erst nach Rückfrage der Sachverhalte – da offensichtlich viele Nebelkerzen zuvor geworfen wurden – formulieren. Mein Gespräch mit der Bima (Herrn Niebelschütz) fand erst am Vorabend zur StaVo statt. Da erfuhr ich, dass dieses Angebot einer Zwischennutzung schon zu „Wenzel-Zeiten“ gemacht wurde. Wegen „atmosphärischer Störungen“ zu den Akteuren hielt er es für besser, alle Fraktionen mit einzubeziehen. Welche Gründe tatsächlich hinter all dem Gerangel stecken (seitens der Bima, wie auch der Stadt) kann ich nur vermuten. Bloße Unterstellungen seitens der Koalition gegen die Bima zu äußern ist aber weder zielführend noch ausreichend.

Schade : Irgendwie hat sich das Parlament durch diese Antrags- Abwehr-Aktion selbst entmündigt. Die 2/3-Mehrheit zur Antragsannahme wäre schlicht demokratisch anständig und erwartbar gewesen. Angesichts der Brisanz und Aktualität des Themas hätte es sogar eine parlamentarische „Sternstunde der Souveränität“ werden können. Stattdessen das Gegenteil, ein „Kuschen und Kneifen“ und hinter der GO sich verschanzen.
Liebe Koalition, es ist aber damit noch nicht ausgestanden. Der Antrag wird – jetzt fristgerecht – wieder kommen.

Nachtrag II: Uffbasse kündigt nun eine große Anfrage an:

Wir sind nach wie vor der meinung, das zumindest geprüft werden sollte, ob- und zu welchen vorraussetzungen eine vorübergehende nutzung der wohnflächen möglich ist. Nicht nur studenten, auch viele andere darmstädter bürger und welche die es werden wollen, suchen günstigen, bezahlbaren wohnraum. Es ist aufgabe der stadt, wo möglich diesen zu schaffen.

Nachtrag III: Ich bin nicht allein. Zum Kasernen für Studenten-Thema gibt es einen Echo-Kommentar:

Politik nach alter Art – (…) Ganz im alten Politikstil lehnte es die Mehrheit von Grünen und CDU ab, Anträge von Uffbasse, Uwiga und Piraten überhaupt auf die Tagesordnung zu nehmen. (…) Es gehört aber schon viel Arroganz dazu, wenn Grünen-Fraktionschefin Förster-Heldmann der Opposition vorwirft, die „Tiefe der Probleme“ nicht mal zu ahnen, Grün-Schwarz aber nicht bereit ist, diese Tiefen auszuloten (…)

Sprüche im Stadtparlament

Neben der Haushaltsdebatte (Haushalt für 2010 ist beschlossen) gab es noch ein paar Highlights in der Stadtparlamentssitzung am Donnerstag, die ich mal dreist als exklusiv ;-) war nicht exklusiv, war nur schneller, präsentiere:

Debatte, ob Darmstadt wieder dem Schlossmuseumsverein beitreten soll (wurde von CDU, FDP und SPD dann beschlossen):

Jörg Dillmann (Uffbasse) – gegen den Beitritt: „Die einen wollen keine Musikanlage in der Oetinger Villa finanzieren, die anderen kein Schlossmuseumskonzept.“

„Ich denk‘, dass dem Prinz Donatus sein Nachttöpchen ins Landesmuseum gestellt werden sollte.“

Ctirad Kotoucek (CDU) – für den Beitritt: „Wenn da ein cooler Raubritter gewohnt hätte, sähe das für Uffbasse anders aus.“

„Das Schlossmuseum ist auch ein Beitrag zur Bildung der Jugend.“ Darauf Jörg Dillmann: „Ich war mit der Schule damals im Schlossmuseum, und Sie können sehen was draus geworden ist.“

Debatte um einen Antrag der Linkspartei am Straßenschild Hindenburgstraße den Zusatz „Kriegsherr, Staatspräsident und Wegbereiter Hitlers“ anzubringen. (wurde von allen außer der Linkspartei abgelehnt.)

Jörg Dillmann: „Vielleicht könnte man sich ja darauf einigen auf das Schild „Luftschiff“ zu schreiben.“ Da fiel nicht nur mir vor Lachen der Stift aus der Hand.