Kunst lenkt ab – Kommt die Darmstadtia-Statue jetzt in den Keller?

Die Darmstadtia-Figur vor Sichtbeton im Darmstadtium

Die Darmstadtia-Figur aus dem Jahr 1864 steht inzwischen im Darmstadtium.


Grüne und CDU in Darmstadt lehnen den SPD-Vorschlag ab, Kunst im Kongresszentrum Darmstadtium, das zur Zeit ja Impfzentrum ist, auszustellen. „Das Impfzentrum fordert von allen Beteiligten – dem medizinischen Personal, aber auch den zu impfenden Personen – ein hohes Maß an Konzentration. Die Abläufe sind einstudiert, Ablenkung wird zur Fehlerquelle“, erklären Nicole Frölich und Yücel Akdeniz (beide Grüne) sowie Roland Desch und Alexander Schleith (beide CDU) in einer Pressemitteilung. „Der Vorschlag des SPD-Kollegen im Impfzentrum Kunst auszustellen erscheint daher aus unserer Sicht absurd.“

Tja, dann werden jetzt wohl auch das Segel über der alten Stadtmauer, das Raketenmodell der Ariane und die Statue der Darmstadtia (die auch noch eng anliegende Kleidung trägt) wohl auch abgebaut oder im Keller verschwinden müssen. Und die Calla, ein wassersammelnder Glastrichter und Teil des Dachs, sollte vielleicht auch besser verhängt werden, bevor einer deswegen zu lange nach oben starrt und sich nicht wieder konzentrieren kann.

Vielleicht sollte man auch überlegen, ob das Darmstadtium das richtige Gebäude für ein Impfzentrum ist? Lenkt die moderne Architektur des Bauwerks, das ja auch gerne mal „Schepp Schachtel“ genannt wird, dann nicht auch ab? Was ist mit diesen seltsamen Namen für die Räume? Helium, Palladium und Xenon sind doch Elemente, wer außer Kernphysikern, Chemikern ujnd Biologen kann sich die denn merken?

Und Kliniken sollten auch ganz schnell überlegen, was sie da tun, zum Beispiel das Projekt „Kunst in der Klinik“ im Universitäts-Herzzentrum Freiburg-Bad Krozingen oder Kunst und Kultur im Uni-Klinikum Tübingen. Und das Impfzentrum in Straubing (CSU-OB, CSU-Freie Wähler-Koalition) sollte auch lieber zurückrudern, wenn ich der Süddeutschen Zeitung glauben darf: Künstler verlegen Ausstellung ins Impfzentrum

Schattenwürfe auf Säulen im Darmstadtium.

Entfernte Citytunnelkunst – Wer war „der Magistrat“?

Schraffuren und Pflanzrohre des Künstlers Helmut Lander zierten bislang die Brüstungen des Wilheminentunnels.

Die Darmstädter SPD-Fraktion kritisiert, wie der Magistrat der Stadt Darmstadt mit den Arbeiten im City-Tunnel des kürzlich verstorbenen Künstlers Helmut Lander umgegangen ist. Seit Mitte Juni werden die Betonbrüstungen des Citytunnels saniert. Dabei wurden Dekorationen des Künstlers entfernt und die Familie nicht informiert.

Die kulturpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Dagmar Metzger stellt sich die Frage, wer in Darmstadt eigentlich darüber entscheidet, wann Kunst nicht mehr zeitgemäß sei. Die Arbeiten Helmut Landers hätten das Stadtbild geprägt. Dagmar Metzger blickt auch auf die Urheberrechte des Künstlers und erinnerte an den Urheberrechtsstreit des Architekten von Gerkan um die Deckengestaltung des Berliner Hauptbahnhofs. Die Deutsche Bahn habe den Rechtsstreit verloren und konnte sich nur durch einen Vergleich mit dem Architekten einigen.

Im Echo-Artikel zu den entfernten und teilweise abgebauten Werken stand zu dem Thema:

Echo online: Am Citytunnel werden Dekorationen von Helmut Lander entfernt – Der Magistrat habe sich gegen die Rekonstruktion entscheiden, weil sie „als Kunstwerke nicht mehr in unsere Zeit passen.“

Frage ist – nach einem Hinweis den ich bekam – nur, wer „der Magistrat“ war. Denn nach meinen Informationen war über die Entfernung der Tunnelkunst dort nicht gesprochen worden. Und auch in der Magistratsvorlage zur Tunnelsanierung steht nichts zu den Kunstwerken. 2006 waren „eine Vielzahl von Schäden“ festgestellt worden und der Tunnel sollte, klarer Fall, das war unstrittig, saniert werden.

Magistratsvorlage 2012/0131: Tunnel Wilhelminenstraße, Sanierung – Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer grundhaften Instandsetzung der Rampenstützwände und Notausgänge. Es ist geplant, die Arbeiten an allen Rampenstützwänden und Notausgängen der Ein- bzw. Ausfahrrampen (Hügelstraßen West, Hügelstraßen Ost, Rheinstraße, Mathildenplatz sowie Ausfahrt vom Parkhaus auf die Rheinstraße) und den 8 Notausgängen im November 2012 zu beginnen und im Juni 2013 zu beenden. Die Kosten der Betoninstandsetzungsmaßnahme liegen bei rd. 1,1 Mio. EUR einschließlich der Planungs- und Bauüberwachungskosten.

Wie ich erfuhr, hat Oberbürgermeister Jochen Partsch am Freitag (1.) auf Landers Beerdigung eine Trauerrede gehalten und unter anderem sich bei der Familie persönlich entschuldigt und gesagt, dass es ihm und der Stadt leid tue, dass nicht vorher mit der Familie gesprochen worden sei.