Risse in 131 Häusern

Ein Riss geht durch das kaiserliche Wappen am Staufener Rathaus. Viele Spaziergänger marschieren in diesen Tagen übers Pflaster der kleinen Stadt bei Freiburg. „Katastrophentourismus“, witzeln Spaziergänger. Und ich, der eigentlich seine Oma zu Weihnachten besucht. Und dann gucken wir uns Risse in Hauswänden an. Denn unter dem zentral im „Städtle“ liegenden Rathaus, ein Bau aus dem Jahr 1546, bewegt sich die Erde.

Das mit den Wappen früherer Herrscherhäuser geschmückte Rathaus ist aber nicht alleine mit seinen Rissen. Aber es ist schon praktisch, dass die Risse am Rathaus sind, das findet wenigstens jeder. Der Boden der denkmalgeschützten Altstadt hebt sich seit Ende 2007 und hat inzwischen 131 Häuser durch Hebungsrisse beschädigt. Manche sind haarfein, andere so breit, dass ein Daumen oder mehr dazwischen passt.

Als Ursache gibt die Stadt in einer Pressemitteilung eine quellende Gipskeuper-Schicht im Boden an. Kommt Gips-Keuper in Kontakt mit Wasser wird er zu Gips und dehnt er sich aus. Dadurch hebt sich der Staufener Untergrund zur Zeit pro Monat etwa um einen Zentimeter, an einigen Stellen bislang insgesamt 10 Zentimeter.

A propos Bodenbewegung: In Staufen ist mal einer zur Hölle gefahren. Das dritte Haus links vom grauen Rathaus ist die „Gaststätte zum Löwen“ und zeigt eine Wandmalerei . In dem Gasthaus soll sich im Jahr 1539 Dr. Faust – ja, der von Goethes Faust – angeblich in die Luft gesprengt haben und Mephisto hat sich seine Seele geholt.

Die Hebung fällt auffällig zeitlich zusammen mit sieben Bohrungen, die im September 2007 hinterm Rathaus begonnen wurden. Der Staufener Gemeinderat hatte einstimmig beschlossen seine Rathausgebäude mit Erdwärme zu heizen und eine Firma beauftragt entsprechende Bohrungen durchzuführen. Laut Stadt wurden die Arbeiten dem Regierungspräsidium Freiburg, dem Landesamt für Geologie, Bergbau und Rohstoffe vorgelegt und von der Unteren Wasserbehörde des Landratsamtes genehmigt.

Bislang ist aber noch nicht geklärt, ob die Bohrungen schuld sind. Das Wasser kann durch die Bohrungen in die Keuperschicht oder durch tektonischen Verschiebungen unter der Stadt eingedrungen sein. Staufen liegt am Oberrheingraben, wo gerne mal die Erde bebt.

Ingo Sass, Geologe an der TU Darmstadt nimmt in Spiegel-Online die Bohungen aber als ziemlich wahrscheinliche Ursache an:

„Man hat am Rathaus losgebohrt, durchstieß die Gips-Keuper-Schicht und stieß darunter auf den Grundwasserleiter, in dem Wasser unter hohem Druck steht.“[…] „Staufen ist tektonisch aktives Gebiet“, sagt Sass. „Natürlich ist es möglich, dass Schollen sich tektonisch aneinander bewegen, wodurch sich die Wasserwege geändert haben könnten und so die Quellreaktion in Gang kam.“ Nur: Sehr wahrscheinlich ist das seiner Meinung nach nicht.

Unter der Altstadt rumort es also. Unter Umständen kann das Wasser den Gips auch wieder wegwaschen, was die Gebäude wieder absenken könnte.

Mittelständisch organisiertes Bandenwesen

Ein Soziologe erforschte die Struktur einer Gang in Chicago:

Ihre Untergrund-Ökonomie ist ein wohlorganisierter, vielfältiger Mikrokosmos. Strafbare Handlungen wie Drogenhandel, Prostitution und Diebstahl gehören ebenso dazu wie Arbeiten, die legal sind, aber eben „außerhalb der Bücher“ stattfinden, wie Babysitten, Haareschneiden und Taxidienste. Das Angebot stellt sich hochflexibel auf wechselnde Bedarfe ein

Fotomontage nach 30 Jahren aus dem Schnee ausgegraben

Stefan Niggemeier weist auf ein Stern-Titelbild von vor 30 Jahren hin. Es zeigt eine damals komplett eingeschneite Autobahn. Und zwei Personen, die von einem anderen Foto stammen.

Ja, das ging damals schon – auch ohne Photoshop.

Nachtrag:

„Ja, das ist so“, gibt der heutige „Stern“-Chefredakteur Thomas Osterkorn gegenüber einestages unumwunden zu, nachdem er zwei Negative aus dem Archiv auf den Schreibtisch bekommen übereinandergelegt hat. […] Chefredakteur Osterkorn schwört Stein und Bein, dass ein ähnlicher Schnitzer heute nicht möglich wäre.

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„Für Sie mag das ein blödes Formular sein, für mich ist es das Leben“ – Jugendtheater inszeniert Gefahr der Verwaltung

„Kein Eintritt ohne Gürtel“ steht auf einem Schild im Saal der Petrusgemeinde, „Kein Ausgang“ klebt auf der Tür und an der Wand mahnen weitere Schilder unter anderem seine Adoptionspapiere bereit zu halten. Die Jugendtheatergruppe „Spielbar“ der Petrusgemeinde gab vor rund 90 begeisterten Zuschauern Ramon Piersons Bürokratie-Groteske „Virtual Reality“.

Eigentlich will Nina Otis (gespielt von Lilli Lander) nur eine Genehmigung vom Amt, um auf der Straße musizieren zu dürfen. Aber für die Sachbearbeiterinnen sind die Formulare wichtiger als Logik. „Für Sie mag das ein blödes Formular sein, für mich ist es das Leben“, fertigt Frau Dohlen (Lisa Auerbach) die Blümchenkleidträgerin ab. „Sie haben ein Problem, ich habe das System.“ Bei dem alle Wartenden mitmachen, weil es ja schon irgendwie richtig sein muss, sich irgendwer ja was dabei gedacht haben wird.

Eva Tarr (Martha Westhoff-Rippel) verwandelt Nina Otis (Lilli Lander) in eine Bürokratin.[/caption
Während der Antragstellung geht Ninas Ausweis verloren, wegen einer absurden Bearbeitungsgebühr hat sie kein Geld mehr und wird zur mittellosen Asylsuchenden. Weil Mittwoch ist, kommt sie in der Behördenlogik aus Afrika – weil Mittwochs Afrikaner vorsprechen. „Ich bin keine Afrikanerin“, erklärt Otis und verweist auf ihre Hautfarbe. „Wir dürfen aber nicht über die Hautfarbe anderer Personen diskutieren“, verzerrt die Sachbearbeiterin den Schutz vor Diskriminierung zur zulässigen Drangsalierung. Nina Otis bekommt schließlich Hilfe von Eva Tarr (Martha Westhoff-Rippel): „Die fürchten sich doch vor jemanden, der Autorität hat.“ Und so dreht Nina mit Brille, Köstüm und Klemmbrett den Spieß um.

Das Stück kritisiert Bürokratie und Verwaltungsvorschriften, die schnell zu den wahren Herrschern werden. Die Anspielungen – unter anderem mit A-Plaketten – auf reale Systeme wie den Nationalsozialismus wirken etwas holzhammerhaft. Auch ohne das wird deutlich, dass wir auch heute nicht vor Vorschriftenwahn sicher sind, wie beispielsweise Anti-Terrorismus-Sicherheitsbestimmungen zeigen. [caption id="attachment_17586" align="aligncenter" width="594"] Eva Tarr beobachtet Nina Otis, die den Spieß umdreht und die Sachbearbeiterinnen (Lisa Auerbach, Laura Theiß, Ann-Cathrin Hartmann, Svenja Adrian) antreten lässt.

Schnittszenen im TV

Noch nie wurden in den Fernsehnachrichten soviele Christstollen angeschnitten wie gestern. Und das nur, weil zwei Kurierfahrer einen Stollen für die Frankfurter Rundschau geklaut und durch ein Datenpaket mit Mikrofiche ersetzt haben.

Das mag ja herrlich trivial und weihnachtlich klingen, aber was sagt mir das über Kurierdienste und ihre Mitarbeiter? Und was sagt mir die Praxis Kreditkartendaten zu verschicken wie Christstollen?

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Rituale im Stadtparlament

Das Stadtparlament tagt, Zeit für Rituale. Das erste ist – bei einem Parlament etwas überraschend – ein stummes: Mitteilungen des Magistrats gibt es nicht, weder zu Groß- noch zu Millionenprojekten teilt Oberbürgermeister Walter Hoffmann (SPD) einem etwas mit. Aber gut, dazu ist ja während der ganzen Sitzung noch Zeit. Während der man dann auf folgendes wetten kann, dass folgende Dinge stattfinden: Es gibt keine kurzen Debatten. Selbst wenn sich alle einig sind, gibt jeder seinen Senf dazu, weil gilt: Es ist zwar schon alles gesagt, aber nicht von mir.

Der Stadtverordnetenvorsteher Wolfgang Gehrke von der CDU verheddert sich dann bei mindestens einer Abstimmung in den Fraktionsnamen – sind aber inzwischen auch neun Fraktionen.

Die altge- und hochverdiente FDP-Stadtverordnete Ruth Wagner wird nicht müde daran daran zu erinnern, dass gerade dieses Projekt, über das jetzt die Stadtparlamentarier diskutieren, damals von ihr als Staatsministerin – oder zumindest als Landtagsabgeordnete – auf’s Gleis geschoben wurde.

Doris Fröhlich von den Grünen findet in jeder Pfütze einen Grund zu erwähnen, dass Darmstadt doch die Darmbachfreilegung braucht. Und wenn es um ein trockenes Thema geht, dann erfährt jeder, dass Doris Fröhlich Stadtverordnete aus Eberstadt ist.

Wenn Georg Hang von der Alternative Darmstadt ans Pult geht, kratzt er sich im Nacken. „Ich habe da was nicht verstanden“, sind seine ersten Worte, um dann zu zeigen, dass er die Magistratsvorlage durchgerechnet aber sowas von verstanden hat – und das besser als die meisten der Koalitionsabgeordneten.

Positionsbestimmung

Die TAZ berichtet über einen neuen Berlin-Stadtführer, „LobbyPlanet Berlin“ von LobbyControl, vermisst aber etwas:

Wobei LobbyControl bei der Würdigung der Reinhardtstraße nördlich der Spree keinesfalls die Ärzteverbände hätte vergessen dürfen. Schließlich haben Kassenärztliche Bundesvereinigung, Bundesärztekammer und der Verband der Krankenhausärzte Marburger Bund hier auch ihr Quartier aufgeschlagen. Die Kunstfertigkeit, mit der die organisierte Ärzteschaft bei noch jeder Gesundheitsreform ihre eigenen finanziellen Interessen als „Patientenwohl“ verkauft hat, wäre einen Eintrag wert gewesen.

Und erklärt dann, woran man gute Lobbyarbeit erkennt:

Zumal die CDU-Gesundheitspolitikerin Annette Widmann-Mauz ein bleibendes Kapitel Politikgeschichte geschrieben hat, als sie in den 2003er Reformverhandlungen die Position der CDU dadurch vertrat, dass sie schlicht von einem Fax der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ablas

Weswegen man lieber nochmal nachdenken sollte, wenn man auf einen PR-Text stößt und man versucht ist den gleich in den Artikel zu übernehmen.

Zwei Dumme, ein Gedanke

Gestern war ich für eine Stadtteilzeitung im Gemeindesaal der Petrusgemeinde. Die Jugendtheatergruppe „Spielbar“ gab Ramon Piersons Bürokratie-Groteske „Virtual Reality“. Und ich dachte mir so, dass der Satz

„Für Sie mag es ein blödes Formular sein, für mich ist es mein Leben“

eine schöne Überschrift wäre. Und was steht heute in der Tageszeitung? Genau: „Für Sie ist ein Formular, für mich das Leben

War schon ein geiles Auto

In den achtziger Jahren hatte SWF3 Maßstäbe gesetzt – und leider den Weg fürs inzwischen vielkopierte Formatradio planiert. Aber es gab anders als bei anderen sich lockergebenden Sendern damals gute Beiträge* und einmalige Radiocomedies, wie „Dr. Marianne Null 13“. Und die sprach die diese Woche gestorbene Siggi Harreis. Las ich gerade in der Taz:

Harreis arbeitete weiter, verkörperte unter anderem „Die Landärztin“ in der populären SWF3-Radiocomedy „Dr. Marianne 013“,

„Was für ein geiles Auto.“ war der Spruch wenn Frau Doktor in ihr Auto mit Spezialausstattung stieg und durch die Landschaft bretterte.

* inzwischen höre ich lieber Deutschlandfunk, wenn es im Informationen geht und YouFM, wenn es um Musik geht. Ich mag diese über eine Stunde breitgetretenen Info-Häppchen nicht, und eben so wenig den 80er und 90er-Musikbrei.

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