Kommunalwahl 2021, eine erste Analyse

Das „Gesamtergebnis“ der Stimmzettel, bei denen nur Listen angekreuzt waren. Online stehen die Zahlen beim eKom21-Votemanager.

Mal eine erste kurze Analyse zum Trendergebnis in Darmstadt.

Die Grünen haben bislang weiterhin ihre rund 29 Prozent, die sie 2016 im Endergebnis schon hatten.

Dabei hätten sie 2021 eigentlich zulegen können oder sogar müssen. Denn der politische Trend spricht für sie. OB Jochen Partsch gewann die OB-Wahl 2017 im ersten Wahlgang. 2018 bei der Landtagswahl holte Hildegard Förster-Heldmann ein Direktmandat. Dann wurde zwischen 2016 und jetzt mehr in Darmstadt umgesetzt als zwischen 2011 und 2016. Nebenan im Landkreis haben die Grünen sechs Prozentpunkte mehr als 2016 und auch der Bundestrend ist grün, siehe Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.

(Nachtrag: Hessenweit haben die Grünen bei den Trendergebnissen 8,1 Prozentpunkte zugelegt, in Darmstadt sind sie aber von 31% (Trend 2016) auf 28,4% (Trend 2021) runtergegangen. 2016 hatte den Grünen hier das Kumulieren und Panaschieren nichts geholfen, da wurden aus 31 Trendprozenten am Ende 29,7 echte Prozente.)

Die Freien Wähler (FWD) und die WGD kommen zur Zeit auf jeweils einen Sitz im kommenden Stadtparlament. Ok, das könnten die Sitze sein, die die Grünen verloren haben. Aber dennoch sind zwei Sitze für die, die die besseren Grünen sein wollten, etwas mau. Vor allem, wenn ich auf Volt gucke, die als nicht orginär Darmstädter Liste aus dem Nichts sechs Prozent holten. Ich vermute, die Vorgeschichte von WGD und FWD hat einen Erfolg verhindert. Denn die beiden Listen sind ja aus einem Bündnis von Bürgerinitiativen hervorgegangen. Was auf die Wähler aber wahrscheinlich wie die Populistische Front und die Volksfront von Judäa wirkte. Und wenn der Wahlkampf der Freien Wähler auch noch so war wie in der Facebook-Kommunalwahlgruppe, dann konnte das nichts werden. Da wurde jeder Kritiker reflexartig weggebissen und auch sonst war man eher borniert als konstruktiv unterwegs.

10.000 Wohnungen, die Grünen und ihr Oberbürgermeister

Ende 2015 im Kommunalwahlkampf 2016 und im OB-Wahlkampf 2017 taucht eine Zahl auf: Zehntausend. Ende 2015 hatte Oberbürgermeister Jochen Partsch (Grüne) im ECHO „Ziel muss sein, bis 2020 rund 10.000 neue Wohnungen in Darmstadt zu bauen“ gesagt. Und im Kommunalwahlkampf 2016 tauchte ein Plakat der Grünen auf. Auf dem stand: „Bauen statt Reden. 10.000 Wohnungen bis 2020“.

Die Zahl mit den 10.000 Wohnungen schaffte es 2016 auch in den Koalitionsvertrag zwischen Grünen und CDU. In einer Überschrift steht „Darmstadt lebenswert gestalten und 10.000 Wohnungen bauen“. Was auf Seite 37 zu „Wir werden die Bedingungen für 10.000 neue Wohnungen schaffen“ wurde.

2017 war die Zahl im Oberbürgermeisterwahlkampf dann wieder da. Oberbürgermeister Partsch sagte bei einer Veranstaltung von Haus & Grund Hessen am 22. Februar 2017: „Wenn wir sagen, wir wollen bis 2020 10.000 neue Wohnungen bauen, dann ist das nicht nur eine als Richtschnur dienende politische Forderung, sondern vor allem eine Erkenntnis aus der Beobachtung des Wohnungsmarktes und der dynamischen Entwicklung unserer Stadt.“ Woanders auf seiner Website steht allerdings: „Darmstadt wächst! (…) Deshalb ist es unser wichtigstes Ziel, bis 2020 die Voraussetzungen für 10.000 neue Wohnungen in Darmstadt zu schaffen.

Das ECHO hat nun bei der Stadt nachgefragt (€): Bis Ende 2020 wurden 2600 Wohnungen gebaut, 2000 sind im Bau und 9800 geplant.

Ok. Ob die Grünen und der OB in den Wahlkämpfen nun versprochen hatten, 10.000 Wohnungen bis 2020 zu bauen oder Planungsrecht für 10.000 Wohnungen bis 2020 zu schaffen, kann jetzt ja jeder Wähler selbst entscheiden.

Kommunalpolitische Gegner aber Geschwister beim Politikstil

Die Freien Wähler Darmstadt haben bei einem ihrer Videos in einer Facebook-Gruppe die Kommentare deaktiviert. Was die wohl sagen würden, wenn die Grünen, gegen die die FWD bewusst antritt, sowas machen würden?

Die Freien Wähler Darmstadt (FWD) haben unter einem ihrer Postings auf der Facebookseite „Kommunalwahl Darmstadt 2021“ die Kommentare deaktiviert. Ich habe das dort ganz allgemein kritisiert und vermutet, dass man das nicht gut finden würde, wenn es die Grünen machen würden. Woraufhin ein Sympathisant der FWD meinte, dass dort Kommentare unnötig seien. Und dass ich bei oder für die Grünen wäre. Als ich widersprach und vorschlug, dass er mal googlet, was ich so mache, bevor er zugibt, dass er sich geirrt hat, lehnte er das ab. Und schrieb gar nichts mehr, als ich ein wenig aus diesem Blog zitiert habe.

Tja, die Nummer zeigt mir leider, dass Teile der Anhänger der FWD (oder die FWD?) einigen Darmstädter Grünen ähnlicher sind, als Ihnen lieb sein wird. Nicht unbedingt bei den Inhalten, aber beim Politikstil.

Nämlich einen, der die Welt in eine mit Freunden und Feinden einzuteilt, eine Welt in der die, die einem frecherweise widersprechen, zu den „Feinden“ gehören und per se schlechte Menschen sind, die man dissen darf. Ich erinnere da nur an den Kommentar eines Grünen-Stadtverordneten, der mir „allgemein bekannte Grünen-Feindlichkeit“ unterstellte, als ihm die Argumente ausgingen und er die für Darmstadt typische grüne Nebelkerze zündete.

Nebenbei: Wenn der FWD-Anhänger mich nicht kennt, dann kann das mit der „allgemein bekannten Grünen-Feindlichkeit“ nicht so ganz stimmen.

Zurück zum Politikstil: Solche Leute kommen nicht gar darauf, dass es einem wie mir eher wichtig ist, dass Politik mehr als Parteipolitik ist, dass es um die Sache, einen vernünftigen Umgang und Stil geht.

Politik, besonders in der Kommune ist für mich eine „öffentliche Sache“ bei der alle Demokraten eingebunden werden sollten. Es geht um das Ringen um die beste Lösung und nicht um „gute Idee, leider nicht von uns, also Nein“. Politik ist nicht etwas bei der eine Gruppe andere ausgrenzt, ignoriert, abbügelt und nur diskutiert, wenn es einem in den Kram passt – sowie sagt, „jetzt haben wir die Mehrheit, was ihr wollt ist egal, lasst uns mal machen, das ist unsere Sache“.

Kurz: Ich bin für „Res Publica“ und gegen „Cosa Nostra“.

Nachtrag: Mir ist klar, dass diese Facebook-Gruppe eine übersichtliche Mitgliederanzahl hat und wahrscheinlich treffen sich da sehr viele Kandidaten fürs Stadtparlament, so dass dort eher im eigegen Saft geschmort wird.

* – Ja, es stimmt, man kann hier im Blog nicht (mehr) kommentieren. Was hier leider nur wegen und seit der DSGVO so ist. Könnte man kommentieren, müsste ich aufklären, was beim Kommentieren passiert, ich würde Daten erheben etc.

Ich bin hier im Blog aber auch der Ansprechpartner, wenn einer wissen will, welche Daten ich über ihn habe. Und da man mit solchen Anfragen eine One-Man-Show gut beschäftigen kann, erhebe ich keine Daten. Das Blog setzt keine Cookies, trackt niemanden und ich weiß nicht, wer hier vorbeischaut. Auch der Hosting.Anbieter sammelt keine Daten, soweit ich es deaktivieren konnte.

Der Wahlleiter informiert zur Parteiengeschichte

Das ist doch mal ein Angebot. Wie man sieht, kann man den Oberbürgermeister und Wahlleiter für einen allgemeinen Video-Wahlaufruf „buchen“ in dem am Anfang auf die Geschichte der jeweiligen Partei, die anfragt, geblickt wird. (Auch wenn man nicht „auf Facebook“ ist, kann man sich das Video angucken.)

Immer ein Thema: Bürgermeister auf Wahlplakaten

Ein Wahlplakat der Darmstädter Grünen beim Einkaufszentrum Kranichstein. Dieser Mann auf dem Foto ist der Oberbürgermeister. Aber das steht nicht auf dem Plakat.

Jetzt nimmt ja doch noch eine Wahlgeschichte Fahrt auf, die ich anfangs anders eingeschätzt hatte. Es gibt hier in Darmstadt Wahlplakate der Grünen, auf denen steht „Starke Grüne für Jochen Partsch“. Was auf dem Plakat nicht steht: Dieser Jochen Partsch ist Darmstädter Oberbürgermeister. Er ist auch Mitglied der Grünen.

Zuerst fällt mir ja auf, dass es bei der Kommunalwahl 2016 solche Plakate nicht gab. Und dann sind die Grünen doch eher eine an Inhalten orientierte Partei.

Egal, die Plakate sind der Wählergemeinschaft Uwiga wegen was anderem aufgefallen. Die Uwiga findet, dass der Oberbürgermeister hier neutral sein müsste. Weil es nicht um seine Wahl geht und er auch nicht kandidiert.

Das sehen die Grünen natürlich ganz anders. Und verweisen gegenüber dem Darmstädter Echo auch darauf, dass es andere doch auch machen würden. Und bei Facebook haben Grünen-Sympthisanten auch nichts gegen die Aktion und verweisen ebenfalls auf andere, die es auch so machen würden. (Ob die das auch so sehen würden, wenn die Tempo 30-Sünder auf der Kasinostraße auf andere Tempo-30-Sünder verweisen? In der Grundschule lief das ja so: Rüdiger hatte Blödsinn gemacht, wurde erwischt und sagte „Aber der Freddy hat das doch auch gemacht.“ Und die Lehrerin fragte zurück: „Aha. Und wenn der Freddy aus dem Fenster springt, springst Du hinterher?“)

Allerdings sehe ich auch kein Problem, wenn ein Grünen-Parteimitglied für seine Partei Werbung macht. Auch wenn das Mitglied zufällig Oberbürgermeister ist. Und dann ist die Kommunalwahl ja ein Darmstädter Thema, da kann ein OB auch eine Meinung zu haben.

Aber die Uwiga weist noch auf ein anderes Problem hin: Der Oberbürgermeister ist bei dieser Kommunalwahl der Wahlleiter. Und der müsse unparteiisch agieren.

Hm, da die Grünen ja schauen was andere so tun, schaue ich auch mal: Was haben bei dieser Konstellation andere gemacht? Interessant. Sie traten zurück – also vom Wahlleiteramt. Im Kreis Recklinghausen hatte sich der scheidende SPD-Landrat und Wahlleiter 2020 in einem Video für seinen SPD-Parteifreund als Nachfolger ausgesprochen. Der Landrat gab das Wahlleiteramt ab.

2016 hatte das Verwaltungsgericht Hannover einen SPD-Wahlleiter gerügt: „Die von ihm zwischen erstem Wahlgang und Stichwahl initiierte Informations- und Motivationskampagne hat gegen das Gebot der Chancengleichheit der Wahl verstoßen.

Auch 2016 sagte ein SPD-Bürgermeister in Burgwedel, dass er bei der Kommunalwahl nicht für die Partner SPD und Grüne werben wolle. „Sein Bürgermeisteramt verpflichte zu absoluter Neutralität.

Ok, das war jetzt in NRW und Niedersachsen und wir sind in Hessen. Aber die Einschläge kommen näher: In Rüdesheim hatte 2019 ein Wahlleiter seinen CDU-Parteifreund mit einem Statement unterstützt und gab das Wahlleiteramt danach ab.

Aber es gibt sogar ein Urteil zu einer Wahl in Hessen, und das kam 2003 vom Bundesverwaltungsgericht. Das hob eine Bürgermeisterwahl in Bad Homburg auf. Da hatte der CDU-Amtsvorgänger einseitig für den CDU-Kandidaten Partei ergriffen und als Wahlleiter gegen das Neutralitätsgebot verstoßen. Dazu kam aber noch, dass Informationen zu einem Grundstück nicht weitergegeben worden waren.

Ein Gerichtsurteil von 2008 gibt es allerdings auch, vom „Hof“, wie ihn hessische Verwaltungsjuristen nennen, dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof. Und der hatte als höchstes hessisches Verwaltungsgericht eine Bürgermeisterwahl in Schotten für zulässig erklärt, bei der der SPD-Bürgermeister und Wahlleiter Wahlwerbung für seine Nachfolgerin gemacht hatte.

Tja. Alles wohl doch nicht so völlig eindeutig, wie es Parteistrategen und Fanboys einem verkaufen wollen.

Zehn Jahre später: Drei Darmstädter Großprojekte

Als Grün-Schwarz 2011 in Darmstadt die Stadtregierung übernahm, gab es ja drei echte Großbauprojekte, die der SPD-geführte Vorgängermagistrat schon auf der Agenda hatte. Das waren das Böllenfalltorstadion, das zur Zeit Merck-Stadion am Böllenfalltor heißt, das Berufschulzentrum Nord sowie das Nordbad.

Grüne und CDU sahen da auch Handlungsbedarf und schrieben sich 2011 in den Koalitionsvertrag: „Das Nordbad wird neu gebaut“, „Das Stadion am Böllenfalltor werden wir gemessen an den sportlichen Erfolgen des SV 98 (…) sanieren bzw. eine Neubau (…) prüfen“ und „Wir werden das Berufsschulzentrum unter Einbeziehung des Landkreises Darmstadt-Dieburg komplett sanieren“.

Mal gucken was sich da nach zehn Jahren getan hat. Vor allem nach den vielen Ankündigungen zum Fußballstadion, in dem ja 2015 bis 2017 der SV 98 in der 1. Bundesliga spielte. Fürs Stadion war im Wahlkampf 2016 ja mal angekündigt worden, dass es zum Saisonstart 2018/2019 fertig sein wird. Übrigens, aktuell soll das Stadion zum Beginn der Saison 2022/23 fertig sein.

Das Berufsschulzentrum Ende 2021: Baustelle.

Das Nordbad Ende Februar 2021: Baustelle.

Das Fußballstadion Ende Februar 2021: Baustelle.

Baustelle, Baustelle und Baustelle.

Nachtrag: Es gab ja noch ein mehr emotionales Projekt: Die Darmbachoffenlegung. 2011 hieß es dazu im Koalitionsvertrag: „Die Herausnahme des Darmbachwassers aus der städtischen Kläranlage und gegebenenfalls seine (teilweise) Offenlegung werden einer objektiven Neubewertung unterzogen.“ 2016 war das wohl fertig, denn da wurde vereinbart: „Der Darmbach soll vom Kanalnetz abgekoppelt werden.“ Durch den Herrngarten fließt er jedenfalls noch nicht.

Krokusse illustrieren im Herrngarten teilweise, wo der Darmbach verlaufen könnte.