Brennpunkt Darmstadt: No Angels, Kanzlerin und die Verschwörung gegen Sarrazin

Yes, endlich! Darmstadt war diese Woche Dreh- und Angelpunkt der Republik. Hier lief der Prozess gegen eine Sängerin zuende, die Bundeskanzlerin besuchte das ausgezeichnete Plus-Energiehaus an der TU-Darmstadt und ein Focus-Redakteur bricht eine Lanze für Thilo Sarrazin.

Was das letzte mit Darmstadt zu tun hat? Der Redakteur macht aus dem inzwischen zu Eis erstarrtem Kaffee einer Sarrazin-Äußerung hier im Juni eine Verschwörung des hiesigen dpa-Mitarbeiters.

Ich weiß ja nicht, auf wen verlasse ich mich mehr nach einem mündlichen Vortrag, wie dem Sarrazins? Auf die Truppe, die sich hat berieseln lasssen, oder auf den der mitgeschrieben hat? Und dann gibt es noch so Weisheiten wie „wenn es quackt wie eine Ente, ist es eine Ente“.

Und ich dachte ja Journalisten sind eigentlich verschwörungsresistent, Konspiration wird uns schließlich an jeder Ecke präsentiert. Ist ja auch logisch, Verschwörungstheorien erklären perfekt, warum wie was gelaufen ist. Nur in der Regel läuft es eher blöd als konspirativ. Naja, und dann ist das vermeintliche Verschwörungsopfer ja manchmal auch nicht das hellste und hat auch Fehler gemacht – die es nur nicht einsehen will, ja nicht einmal nicht einsehen muss – war ja schließlich eine Verschwörung. Der perfekte Zirkelschluss.

Und selbst wenn im Juni falsch berichtet worden sein sollte, dann halte ich mich immer noch an Josef Joffe: „Versuche nie durch Konspiration zu erklären, was auf Chaos oder Inkompetenz zurückgeführt werden muss.“ Aber dass der Mann vom Focus an eine Verschwörung denkt, lässt sich ja auch wieder auslegen und an Verschwörung denken.

Nachtrag: Jörg hat festgestellt, dass Sarrazin was mit einem Charakter aus (dem) einen Darmstädter Lokalschwank gemeinsam hat …

Und wenn ich jetzt nochmal die dpa-Meldung anschaue und das was Sarrazin zur Zeit sagt, weiß ich gar nicht so recht, was der Focus-Redakteur da retten wollte?

Nachtrag, 7.9.2010: Mir erzählte jemand, der beim Sarrazin-Vortrag in Darmstadt dabei gewesen war, dass das was in der Zeitung stand so nicht gesagt wurde. Und dann ist da noch RP-Online:

Der Gastgeber der Veranstaltung, die Arbeitskreise Schule-Wirtschaft der Unternehmensverbände Südhessen, wandte sich gegen diese Darstellung: „Ein Zusammenhang von ethnischem Hintergrund und Intellekt wurde so von Herrn Sarrazin nicht hergestellt“, sagte der Geschäftsführer der Arbeitskreise, Reinhold Stämmler.

Hm. Den Geschäftsführer habe ich auch ein paar Mal getroffen und von dem würde ich auch nicht sagen, dass er lügt.

Aber das wird sich aufklären. Die Staatsanwaltschaft ermittelt ja und nach meinen Informationen hat sie die Teilnehmerliste der Veranstaltung angefordert.

Nachtrag, 6.10.2010: Die Sätze, die soviel wirbel machten, fielen in den letzten fünf Minuten wurde mir gesagt. Und auch, dass sie gefallen seien.


1. Der dpa-Mitarbeiter und ich kennen uns und ich habe auch für die dpa geschrieben.
2. Ein Diskussion, ob TS recht hat oder nicht – wie sie bei Stefan Niggemeier losgebrochen ist – werde ich nur sehr eingeschränkt zulassen. Wer das will, kann das in seinem Blog tun oder eines aufmachen. Ich empfehle WordPress.

Glossen-Wiederverwertung: Tu was für Darmstadt

Vor rund einem Jahr schrieb ich eine Glosse, wie versucht wird, Darmstadt Klang in der Welt zu verschaffen. Jetzt brauchte ich nur noch einen Satz anzuhängen:

Unsere Lokalpolitiker versuchen ja vieles, um Darmstadt in Deutschland bekannt zu machen. Und was sie nicht alles tun: Das Stadtmarketing wird umgekrempelt. Sie machen Darmstadt zur Wissenschaftsstadt, geben einer heimatlosen Bundesjustizministerin einen Wahlkreis, freuen sich über das bundesweit bekannte Öko-Institut, holten die einmalige Jazzsammlung Joachim Ernst Berendts ins Jazzinstitut, weisen auf Merck, als älteste Pharmaunternehmen der Welt und die einzigartige GSI hin.
Oder locken T-Online in die Weststadt, wo gegenüber Europas Raumfahrtkontrollzentrum ESOC sitzt. Sie hegen den Jugendstil, das PEN-Zentrum Deutschland und das Deutsche-Polen-Institut. Sie feiern einen Preis eines aufsässigen Revoluzzers, weil er von der ansässigen Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung stammt und „Büchner-Preis“ heißt. Andere bauen ein Darmstadtium, um Kongresse aus aller Welt anzuziehen, und versuchen den ICE durch den Hauptbahnhof fahren zu lassen. Die Polizei verschickt sogar Faxe mit geheimen Personenschutzdaten und stellt Ermittlungsakten ins Internet.
Aber was kommt im Lande an, wenn man nach Darmstadt fragt? „Da kommt doch die SPD-Abgeordnete her, die die Ypsilanti nicht wählen wollte.“

Und seit zwei Tagen, ist Darmstadt die Stadt mit der Staatsanwaltschaft, die diese „No Angels“-Sängerin hat verhaften lassen. Oder so.