Knallharte Recherche

Da frage ich bei einem Ministerium nach einer Liste der Städte, die an einem Förderprogramm beteiligt sind. Und obwohl das ein Programm des Ministeriums ist, habe ich nach drei Tagen immer noch keine Antwort.

Ich hätte nicht gedacht, dass das so eine hammerharte Frage war und dass ich so investigativ drauf bin, dass die für eine Antwort so lange für brauchen.

Was so an Arbeit dahintersteckt

Es steckt ja immer mehr Arbeit dahinter als man sieht. Hier mal ein Text, dem man etwas Recherche beim Lesen ja auch nicht so eben ansieht. Ich habe mal gelb markiert, was ich außerhalb des Termins zusammensuchte.

Mein Artikel vom FDP-Neujahrsempfang am Dienstag (9.2.2016). Gelb marktiert ist das nach- und gegenrecherchierte. (Da das Echo eine Paywall hat, ist der Text unscharf.)

Beim FDP-Neujahrsempfang (Echo online: „Fünf Jahre Stillstand sind genug“) habe ich zum Beispiel noch in die von Leif Blum erwähnte Bürgerumfrage geguckt und die Zahlen rausgesucht. Und zu der Landesgartenschau 2014 in Gießen (Darmstadt bewirbt sich für 2022) habe ich auch erstmal suchen müssen. Allerdings fand ich nichts richtiges zum Gießener Defizit außer den Zahlen, die von der Stadt Gießen selbst kommen.

MH17-Abschuss: „Sehr viele haben stattdessen auf die sichere Geschichte gesetzt.“

Auf correctiv.org (taz.de: Gemeinnützig, investigativ und ohne Verlag) kann man eine Recherchereportage lesen (und gegen Quellennachweis auch auf seine eigene Seite kopieren), die den Abschuss der malaysischen Boeing über der Ukraine untersucht. Flug MH17 – Die Suche nach der Wahrheit. Die Reportage gibt es wegen einer Kooperation mit dem Spiegel dort auch als Multimediapräsentation. Sie ist recht lang. Ultrakurzversion: Sie kommt zu dem Schluss, dass es eine Rakete von einer russischen BUK war. Separatisten hätten das nicht geschafft, weil das Waffensystem viel zu komplex ist. Ein zweiter Schluss ist, dass man die Fluggesellschaften vor einem Überflug hätte warnen müssen.

In einem Interview schildern die Reporter unter anderem was eigentlich Recherche ist und warum aber nicht recherchiert wird.

Marcus Bensmann: Es wurde zum Beispiel im Zusammenhang mit der MH17-Geschichte ein Foto weltbekannt, auf dem eine BUK-Abschussrampe unter einem Plakat hindurchfährt. Mein erster Gedanke war: Ich gehe zu dem Unternehmen, das dieses Plakat aufgehängt hat und frage nach, wo dieses Plakat auf dem Foto hing. Also bin ich in Kiew hingegangen und habe die Autofirma, die das Plakat in Auftrag gegeben hat, gefragt: Könnt ihr mir die Standorte aller eurer Plakate nennen? Ich dachte, die Firma hat bestimmt tausende ähnlicher Anfragen bekommen. Weiterlesen

Blauäugiges Bildblog?

Das Bildblog kritisiert Ernst Elitz wegen eines Kommentars in der Bild. Elitz verwechsele „Profi mit Porno“ sagt das Blog. Elitz kritisiert in seinem Kommentar ein Gerichtsurteil gegen einen Journalisten, weil dieser einen Schauspieler mit einem Sex-Video erpresst hat.

Elitz weist auf ein Problem hin, das ich auch sehe, wenn man das Urteil weiter denkt:

Darf ein Journalist mit keinem mehr sprechen, über den er mehr weiß, als dem Angesprochenen lieb sein kann? Das ist bei jeder professionellen Recherche so. Das verletzt keine Grenze. […] Ein Journalist, der Betroffene mit Recherche-Ergebnissen konfrontiert, nötigt nicht. Er schafft klare Verhältnisse. Unabhängig davon, ob es um einen groß angelegten Betrugsfall oder um ein Sexvideo geht.

Das Bildblog sagt nun – zu recht:

Für Elitz ist der Ankauf eines illegal angefertigten Videos aus der Privatsphäre eines Prominenten aber gleichzusetzen mit investigativem Polit- oder Wirtschafts-Journalismus.

Punkt. Und das war es dann in dem Medienblog zu dem Thema. Kein Gedanke daran, dass findige Anwälte gibt. Keine Gedanke an ein „was wäre wenn“, nein, lieber das medienkritische Publikum bedienen und fertig.

Nun, aber was, wenn ich oder igrendein Alpha-Blogger (um da mal eine Fallhöhe zu bekommen) beispielweise Unterlagen hätte, die zeigen, dass beim Bürgermeister/Abgeordneten/Konzernchef X in Y Korruption/Betrug/Veruntreuung gibt, und ich den nun zu den Vorwürfen befrage? Und der daraufhin mich oder Alpha-Blogger erstmal wegen Erpressung anzeigt?

Ach, das wird nie passieren? Hoffen wir mal, dass das Bildblog, dass in seiner Blauäugigkeit diesen Aspekt gar nicht diskutiert, nie über so einen Fall was schreiben muss. Wobei ich befürchte, dass ich selbst sowas schrieben müsste, wenn es mir passiert.

Für Quantität in den Redaktionen – Vergleiche waten hinkend durch den Hombach

Der Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe, Bodo Hombach, gab einer seiner Publikationen ein Interview und verneinte, dass Redaktionen viele Mitarbeiter brauchen:

Qualität ist nicht gleich Quantität. Ich wundere mich über Aussagen, dass nur viele Menschen gemeinsam journalistisch hochwertig arbeiten können. […] Wird das Bild des Malers besser, wenn zwei weitere mitmischen? Ich denke nicht. Tolles Schreiben ist das, womit der Journalismus punktet. Und durch Recherche, Themen und Präsenz.

Ich weiß ja nicht, was für Geschichten Bodo Hombach in seinen Blättern haben will, er widerspricht sich jedenfalls mit dieser Aussage. Es ist ja nicht so, dass die zwei Maler am gleichen Bild malen. Diese Maler brauchen nämlich jeden Tag ein Bild. In der Zeit, in der der eine malt (toll schreibt), sucht der andere ein neues Motiv (Thema) oder prüft nach, was hinter dem gemalten Haus steckt (Recherche). Kleiner Merksatz, der verblüffenderweise auch hier gilt:

Von den drei Eigenschaften „gut“, „schnell“ und „preiswert“, gibt es immer nur zwei auf einmal.

Haben die nur noch einen Maler, aber eine Wand, die zwei Bilder braucht, dann reicht die Zeit halt nur noch fürs malen. Und irgendwann merken die Leser, dass die Farben seit Jahren dieselben sind und die Objekte im Hintergrund immer gleich aussehen. Sicherlich kann man eine Zeitung auch mit wenig Personal voll bekommen, wenn man die paar Mitarbeiter täglich auf drei Termine schickt. Nur kommt man dann rein aus Zeitmangel über die pure und unkritische Wiedergabe meistens nicht hinaus. Und mit Aussichten auf solch ein …, nennen wir es mal Angebot, … sollte sich ein Geschäftsführer doch mal fragen, ob er wirklich glaubt, weiterhin dafür Kunden zu finden? Artikel liefern, die nicht über das hinausgehen, was die anderen Anwesenden dort ebenfalls waren, erlebt haben, geht in Zeiten, in denen jeder via Internet für seine Veranstaltungen trommeln kann, nur bei wenigen Themen gut. (Meiner Meinung nach sind das Gerichtsreportagen und Berichte über Ausschusssitzungen des Stadtparlaments. Anstelle selber dort rumzusitzen, hofft man auf einen, der die ganze Zeit da war und eine Zusammenfassung liefert.) via Stefan Niggemeier und Indiskretion Ehrensache.