Darmstädter Grüne suchen Gründe für die Niederlage bei der OB-Wahl

Die Fraktionsvorsitzenden der Darmstädter Grünen äußern sich im ECHO (€) zur Niederlage ihres Kandidaten bei der OB-Wahl. Meiner Meinung nach übersehen sie drei Dinge:

a) Die Grünen wurden 2021 zwar wieder die größte Fraktion, aber sie haben nach dem deutlichen Sieg von 2011 bei den Kommunalwahlen 2016 und 2021 jeweils Prozente verloren. Deswegen braucht Grün-Schwarz seit 2016 auch Kooperations- oder Koalitionspartner. Und: 2021 hatten die Grünen in DA sogar doppelt verloren, denn hessenweit hatten sie zugelegt.

b) Da Jochen Partsch nicht mehr kandierte, wurde diese OB-Wahl bei diesen Kandidaten zu einer Abstimmung über die Stadtregierung. Was nicht schlimm sein muss. Die Opposition wird nämlich nur gewählt, wenn die Menschen mit der Regierung unzufrieden sind. Nur, das waren sie, siehe die Wahlen 2016 und 2021. Und für Selbstverständlichkeiten. wie z.B. ein notwendiger Neubau eines Gerätehauses einer Freiwilligen Feuerwehr, ist es meiner Meinung nach etwas vermessen, große Dankbarkeit zu erwarten.

c) Es gibt so gut wie keine Grünen-Ortsvereine. Die Grünen-Stadtverordneten wohnen bestimmt überall in Darmstadt, aber sie treten kaum als Stadtteilvertreter auf.

Zwei Nachträge: d) Was in einem Kommentar bei fb stand, will ich aufgreifen: Grünen-Kandidat Michael Kolmer war auch der Verkehrsdezernent. Aber die Grünen-Verkehrspolitik hat ein gewisses Mobilisierungspotenzial auch bei den Gegnern dieser Politik. e) Nicht alle CDU-Wählerinnen und -Wähler mögen die Grünen, weswegen da auch wieder Stimmen verloren gingen, entweder zum SPD-Kandidaten Hanno Benz oder zu den Nichwählern.

OB-Wahl in Darmstadt

Moderator Lars Hennemann wartet auf die beiden Gewinner des ersten Wahlgangs.


Hanno Benz, Lars Hennemann und Michael Kolmer


Moderator Lars Hennemann


Hanno Benz (SPD)


Michael Kolmer (Grüne)


Hanno Benz und Michael Kolmer


(PM Stadt Darmstadt) Michael Kolmer ist bei der Darmstädter Oberbürgermeisterwahl 2023 am heutigen Sonntag (19.) mit 23,71 Prozent der Stimmen auf Platz 1 gewählt worden. Nach dem vorläufigen Endergebnis, das gegen 20 Uhr Uhr vorlag, folgt mit 20,63 Prozent der Stimmen Hanno Benz auf Platz zwei. Damit wird eine Stichwahl nötig, die am 2. April erfolgt. Zur Wahl aufgerufen waren 113 726 Darmstädterinnen und Darmstädter.

Die Stimmen verteilen sich wie folgt:
Michael Kolmer (Grüne) mit 23,71 Prozent (13.017 Stimmen),
Hanno Benz (SPD) mit 20,63 Prozent (11.323 Stimmen),
Kerstin Lau (Uffbasse) mit 18,96 Prozent (10.409 Stimmen),
Paul Georg Wandrey (CDU) mit 18,24 Prozent (10.011 Stimmen)

Holger Klötzner (Volt) mit 8,67 Prozent (4757 Stimmen),

Ulrich Franke (Die Linke) mit 2,89 Prozent (1586 Stimmen),
Gerburg Hesse-Hanbuch (FDP) mit 2,8 Prozent (1535 Stimmen),
Harald Uhl (Freie Wähler) mit 2,46 Prozent (1353 Stimmen).
Mirko Steiner (Die Partei) mit 1,13 Prozent (623 Stimmen),
Michael Ziemek (WGD) mit 0,5 Prozent (276 Stimmen); Ziemek hatte vor der Wahl die Kandidatur zurückgezogen.

Sozialindex und Wahlbeteiligung OB-Wahl 2017

Grob gesagt zeigt die Karte links arme (orange) und reiche (grün) Bezirke in Darmstadt. Die rechte Karte zeigt Wahlbezirke mit hoher (grün) und niedriger (orange) Wahlbeteiligung bei der OB-Wahl 2017. Die Farben hatte der Sozialatlas vorgegeben, sie sind nicht politisch zu sehen.

Da habe ich gestern abend mal was spontan zusammengefrickelt – deswegen sieht die Grafik auch so lausig aus, wie sie aussieht. Von den drei Eigenschaften „schnell“, „preiswert“ und „gut“ gibt es halt immer nur zwei auf einmal.

Meine Arbeitshypothese war, dass niedrige Wahlbeteiligung zusammen mit ungünstigem (hohem) Sozialindex und umgekehrt korrelieren. Ich habe also die Wahlbezirke mit den relativ höchsten (grün) und niedrigsten (orange) Wahlbeteiligungen bei der Oberbürgermeisterwahl 2017 eingefärbt und diese „Karte“ neben die Sozialindex-Karte aus dem Darmstädter Sozialatlas von 2013 (einen neueren gibt es nicht) gestellt. Und so ist es dann auch.

Das ist natürlich nicht so neu, bei der Bundestagswahl 2013 (Studie Prekäre Wahlen) war so ein Zusammenhang unter anderem mit den Stadtteilen Köln-Chorweiler und Köln-Hahnwald hergestellt worden. 

Kölner Stadtanzeiger: In Chorweiler sind Wahlen kein Thema

OB-W(Z)ahlenspiele: Verloren und trotzdem gewonnen

Darmstädter OB-Wahlen 1993-2017 Wahlbeteiligung, Prozente und Stimmen.

Nachtrag: Zahlenspiele steht nicht umsonst in der Überschrift. Einerseits zeigt es sehr schön, dass Jochen Partsch weniger Stimmen als 2011 bekam, aber da war es eine Stichwahl, hier ein erster Wahlgang. Andererseits sieht man auch, das Jochen Partsch im ersten Wahlgang mehr Stimmen holte als Walter Hoffmann in der Stichwahl.

Erstmals ein Darmstädter OB im ersten Wahlgang direkt gewählt

Moderator Markus Philipp und OB Jochen Partsch (Grüne) nach der Wiederwahl. Im Hintergrund die Ergebnisse des ersten und auch gleich entscheidenden Wahlgangs.

Ich kann es kurz machen und die Pressemitteilung der Stadt Darmstadt übernehmen:
Der Sieger der Darmstädter Oberbürgermeisterwahl 2017 heißt Jochen Partsch. Der Amtsinhaber von Bündnis 90/Die Grünen ist am heutigen Sonntag (19.) mit 50,4 Prozent der Stimmen wiedergewählt worden. Nach dem vorläufigen Endergebnis, das gegen 19.30 Uhr vorlag, ist dies mit insgesamt 25.290 Stimmen die absolute Mehrheit. Eine für den 2. April vorgesehene Stichwahl ist damit nicht notwendig. Die Wahlbeteiligung lag bei 43,9 Prozent. Abgestimmt wurde in insgesamt 117 Wahlbezirken. Zur Wahl aufgerufen waren rund 115.000 Darmstädterinnen und Darmstädter.
Hinter Amtsinhaber Jochen Partsch landete Michael Siebel (SPD) mit 16,7 Prozent (8363 Stimmen) vor Kerstin Lau (Uffbasse) mit 12,4 Prozent (6235 Stimmen). Danach folgen Christoph Hentzen (FDP) mit 5,6 Prozent (2801), Uli Franke (Die Linke) mit 4,3 Prozent (2145 Stimmen), Helmut Klett (Uwiga) mit 4,2 Prozent (2094 Stimmen), Hans Mohrmann (AfD) mit 4,0 Prozent (2031 Stimmen), Achim Pfeffer (unabhängiger Kandidat) mit 1,9 Prozent (973 Stimmen) und Thorsten Przygoda (unabhängiger Kandidat) mit 0,6 Prozent (293 Stimmen).

Jochen Partsch und Ehefrau Daniela Wagner im sogenannten Blitzlichtgewitter (die haben ja alle keine Blitze mehr).

Aber vielleicht interessant (hehe, doch nicht so kurz) sind die Differenzen zwischen Briefwahl und Urnenwahl.

urnenwahl- und Briefwahlergebnisse bei der Darmstädter OB-Wahl 2017.

Jochen Partsch führt bei der Briefwahl deutlicher als bei der Urnenwahl. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass sich kurz vor der Wahl noch einige – warum auch immer – zu Ungnsten des Amtsinhabers umentschieden hatten.

Wunschergebnis

So, der OB-Wahlkampf ist gelaufen. Eine Prognose gibt es von mir keine, ich lag bei der Kommunalwahl schon daneben, ich hatte nur beim Mehrheitsverlust der Koalition recht. Es sind ohne CDU- und mit AfD-Kandidaten einfach zwei Unwägbarkeiten dabei, die ich mit meinem Daumen mal Pi nicht einpreisen kann. Aber ich habe natürlich ein Wunschergebnis.
Ich wünsche mir nämlich einen spannenden Wahlabend. Sowas gibt es bei Landtagswahlen und Bundestagswahlen wegen der Exit-Polls schon länger nicht mehr. Spannend wäre es also, wenn es über den Wahlabend so bis etwa 22.30 Uhr offen bleibt, welche beiden Kandidaten in die Stichwahl kommen. 
Ach ja, es gibt die nicht-repräsentative Umfrage bei Echo-Online mit Ergebnissen zwischen 23,1 bis 18,9 Prozent für die ersten vier Kandidaten (und 6,1 bis 0,8 Prozent für die anderen vier).

Mediale Wahlkampfmanöver

Da dachte ich, es gäbe kurz vor der Oberbürgermeisterwahl nichts mehr zu bloggen … Aber es tut sich ja doch noch was.
Am Dienstag war die Echo-Podiumsdiskussion mit den acht OB-Kandidaten. Und natürlich war der Standort für das neue Fußballstadion auch eine Frage an die Kandidaten. Und da konnte OB Jochen Partsch mit folgendendem Satz überraschen:

ECHO-Podium zur Oberbürgermeisterwahl: „Die höchsten und die besten Realisierungschancen hat das Stadion am Böllenfalltor“

Grundlage für die neue Lage sei die neue Sportanlagenlärmschutzverordnung (Salvo). Und wie sich einen Tag später herausstellt, war das mit den Chancen fürs Bölle auch für Rüdiger Fritsch neu: „Lilien-Präsident war nicht eingeweiht„.
Also bringen Podiumsdiskussionen ja doch was neues. Jetzt ging natürlich auf Facebook (fb) die Diskussion los, ob da einer was nicht im Griff habe, auf Zeit spiele, Wahlkampf mache oder oder oder.

Interessant finde ich da nun den Verweis der Grünen-Wahlkämpfer auf fb, dass das ja alles gar nicht so neu sei und kein „Paukenschlag“, schließlich habe man die Stadionsanierung ja nur ruhen lassen , als man ankündigte vier Alternativstandorte zu untersuchen. Und ja, tatsächlich war das im Dezember 2016 mit dem „ruhen“ so formuliert.

Nun ja, wenn das mit dem Stadionerhalt so normal ist und man mit neuer StaVo im Rücken die Planung am Traditionsstandort schon länger vorhatte, hätte man das ja auch an irgendeinem Mittwoch nach dem Bundestagsbeschluss zur „Salvo“ nach einer der wöchentlichen Magistratssitzungen mit einer ganz normalen PM veröffentlichen können. Der Bundestagsbeschluss war am 26. Januar 2017, 40 Tage nachdem vier potenzielle Stadionstandorte vorgestellt worden waren.

Dass Jochen Partsch das aber am Dienstag, wenige Tage vor der Wahl, auf dem Echo-Podium verkündete mit Bezug auf die neue Salvo, lässt mich doch vermuten, dass doch sowas wie ein „Paukenschlag“ beabsichtigt war. Und als Wahlkämpfer würde ich doch auch schwer hoffen, dass mein Kandidat die Trumpfkarte „Traditionsstandort bleibt erhalten“ noch rechtzeitig spielt.

Und alles weitere wird man morgen ab 18 Uhr sehen.

OB-Wahl am Sonntag – Die Kandidaten


Damit niemand am Sonntagabend angesichts des Ergebnisses der Oberbürgermeisterwahl erschrocken im Internet sucht und sich fragt, wen er da eigentlich gewählt hat, gibt es hier zwei Tage vorher eine kleine Übersicht zu den Echo-Kandidatenportraits und dem Rückblick auf sechs Jahre Jochen Partsch (Grüne).
Bloggerkollege Carsten von „9 mal 6“ hat etwas zu seinen Wahlüberlegungen geschrieben: Eigentlich habe seine Wahl schon festgestanden, „Doch dann geschahen vier Dinge“.
Ok, und jetzt die Links:
Echo online: Rückblick: Wie hat sich Oberbürgermeister Jochen Partsch in seiner erstem Amtszeit geschlagen? – da ist für jeden was dabei.
Dazu habe ich auch was aus meinem Archiv: Eine (lange) Bilanz für Grüne und CDU in Darmstadt, mit Blick in den Koalitionsvertrag von 2011. Das hatte ich am 5. März 2016 geschrieben. Aber soviel ist ja noch nicht anders, neues Nordbad, saniertes Berufsschulzentrum und neues Stadion sind im vergangenen Jahr nicht dazugekommen.

Echo online: Die Interviews mit den OB-Kandidaten in der Straßenbahn
Die Echo-Podiumsdiskussion zur Oberbürgermeisterwahl 2017 vom 14. März in der Centralstation als Video.
Die Kandidatenportraits im Echo (die Zitate habe ich willkürlich rausgegriffen, in sofern ich auch ein gutes finden konnte, und das alleine stehen kann):
Uli Franke (Linke)
Christoph Hentzen (FDP) – „Wenn es um Bürgerrechte geht, bin ich ein Linksliberaler, in Wirtschaftfragen Marktliberaler.“
Helmut Klett – „Ich bin schon froh, viele Dinge verhindert zu haben.“
Kerstin Lau (Uffbasse) – „Wir müssen verhindern, bestimmte Bevölkerungsgruppen aus Darmstadt zu drängen.“
Hans Mohrmann (AfD) – „Ich habe ein Herz für katholischen Kitsch.“
Jochen Partsch – „Wegen der Vielzahl von Aufgaben und Projekten haben wir uns zu spät auf einige wichtige Projekte konzentriert.“
Achim Pfeffer (unabhängig) – „Nach Jahren intensiver Kontakte zu vielen Bürgern habe ich genug Erfahrung, das Amt des Oberbürgermeisters auszufüllen“
Thorsten Przygoda (unabhängig) „Eigentlich betrifft es alle Straßen im Stadtgebiet, die total kaputt gefahren sind und mich zeitweise an die Zustände erinnern, die ich während meines Polen-Aufenthalts beklagt habe.“
Michael Siebel (SPD)