Data-Mining im Darmstädter Sozialatlas

Ok, ich übertreibe mit dem „Mining“, ich habe mir die Statistiken im Sozialatlas der Stadt Darmstadt (PDF, 4,4MB) für einen Artikel (Schlechte Werte im Sozialatlas für den Westen der Stadt) etwas genauer angeguckt und auch mal der TU Darmstadt nachgefragt, ob die kommunalen Politiker ihre kommunalen Statistiker da zuviel beeinflusst haben. Aber von der Mathematik kam weitestgehende Entwarnung, das gewählte Verfahren und die Darstellung seien ok.

Aber – wie vermutet – sollte man sich nicht an den genauen Plazierungen festhalten, da diese schnell schwanken können, besonders wenn ein Bezirk wenige Einwohner hat (kleiner Nenner).

Dann war mir aufgefallen, dass die absolute Zahl der ALG II-Bezieher in ganz Darmstadt deutlich höher ist, als die Anzahl der ALG I-Bezieher oder der anderen Empfänger staatlicher Hilfen. (Ende 2008 lebten in Darmstadt 1449 Rentner mit Grundsicherung*, 1318 Arbeitslosengeld I-, 876 Sozialhilfe*- und 2112 Wohngeldbezieher. Die Zahl der Arbeitslosengeld II*-Bezieher ist mit 12.437 sechs- bis zwölfmal höher. Überlappungen sind bei den Sozialleistungen weitgehend ausgeschlossen, möglich ist es nur beim Wohngeld und ALG I.)

Da müsste man doch gewichten, fand ich. Und bekam von der TU Zustimmung: Das könne man machen, wenn beispielweise die Kosten sehr unterschiedlichen wären.

Aber die Stadt selbst will die Gruppen, die sie für den Sozialindex (arithmetisches Mittel, gebildet aus normierten Werten für ALG I-, ALG II-, Grundsicherung-, Sozialhilfe- oder Wohngeld-Bezieher in einem Bezirk) zusammengerechnet, nicht gewichten. Was der schwerwiegendere Armutsfaktor wäre, wäre eine willkürliche sozialpolitische Entscheidung.

*- ALG II, Grundsicherung und Sozialhilfe sind von den ausgezahlten Euros her gleich viel. ALG II bekommen Menschen, die noch arbeiten können, Sozialhilfe (eigentlich: Grundsicherung zum Lebensunterhalt) bekommen Menschen, die nicht mehr arbeiten können, aber keine Rentner sind. Und Grundsicherung bekommen Rentner.

Hartz IV ist kein Mindestlohn

Gestern sagte Wolfgang Gerhardt, Hessischer FDP-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, beim Streitgespräch im HR, dass Hartz IV einem Mindestlohn von etwa 9 bis 10 Euro entspreche und daher wie ein Mindestlohn wirke. Daher wären diese nicht notwendig und im Schluss daraus das „Aufstocken“ – wenn man trotz Arbeit zu wenig verdient, gibt’s einen staatlichen Zuschuss bis zur ALG II-Grenze – eine ausreichende Lösung.

Nun, das mag rechnerisch richtig sein, ist aber dennoch falsch. Wer Hartz IV bezieht, bekommt vom Staat Geld, Warmmiete, Auflagen und Einschränkungen. Also auch Restriktionen, die man als normaler Arbeitnehmer nicht hat.

Da darf das Auto nicht zu groß, das Ersparte (auch für die Rente) nicht zu hoch sein. Beispielsweise kann man auch nicht einfach umziehen oder eine große Wohnung haben. Leuten im Osten wurde ein Zimmer in der Wohnung verschlossen. Auch mit anderen zusammen zu wohnen ist heikel, weil man plötzlich Bedarfsgemeinschaft sein könnte.

Und die eigenen Kinder können bei einem Schüler- oder Ferienjob nach 100 Euro Verdienst den Hammer fallen lassen, weil ab jedem Euro darüber 80 Prozent davon abgezogen werden. Nebenbei: Wie das zur Eigeninitiative motivieren soll, ist mir schleierhaft.

Auch mit Geschenken bekommen ist es Essig, weil die nämlich maximal 50 Euro im Jahr wert sein dürfen. Also auch nichts mit Waschmaschine vom Nachbarn übernehmen oder von der Oma einen Zwanziger zugesteckt bekommen.

Bei E-Bay oder auf Flohmärkten was verkaufen wird schwierig, weil das ja plötzlich Einnahmen sind. Dass man seinen Hausrat kanibalisiert und vielleicht seine Lieblingsmusik verscheuert, ist dem Amt egal.

Inwieweit Mindestlöhne volkswirtschaftlich funktionieren kann man diskutieren, aber Hartz IV ist kein Mindestlohn, denn dieser beschneidet nicht die Freiheiten der Bürger.