18. Juli 1914 – Nibelungentreue mangels besserer Verbündeter?

Gottlieb von Jagow schreibt am 18. Juli 1914 an den deutschen Botschafter Max von Lichnowsky in London einen langen Brief. Tenor: Man habe gerade keinen anderen Verbündeten mehr als die sieche („das sich immer mehr zersetzende Staatengebilde“) Donaumonarchie. Österreich-Ungarn müsse mit Blick auf den russischen Einfluss auf den Balkan aber jetzt unterstützt werden. Und dann kommen die strategischen Überlegungen zur wachsenden militärischen Stärke Russlands, das jetzt noch keinen Krieg brauchen könne, sowie dass die Entente auch keinen Krieg wolle.

Zu einem vollen Erfolg bietenden Verhältnis zu England sind wir leider noch immer nicht gekommen, konnten nach allem, was vorausgegangen, auch gar nicht dazu kommen – wenn wir überhaupt je dazu kommen können. (…)

Österreich, welches durch seine mangelnde Aktionskraft mehr und mehr Einbuße an seinem Ansehen erlitten hat, zählt schon jetzt kaum mehr als vollwertige Großmacht. Die Balkankrise hat seine Stellung noch geschwächt. Durch dieses Zurückgehen der österreichischen Machtstellung ist auch unsere Bündnisgruppe entschieden geschwächt worden. (…)

Dann würde der Prozeß seines Dahinsiechens und inneren Zerfalls noch beschleunigt. Seine Stellung im Balkan wäre für immer dahin. Daß eine absolute Stabilisierung der russischen Hegemonie im Balkan indirekt auch für uns nicht admissibel ist, werden Sie mir wohl zugeben. Österreichs Erhaltung, und zwar eines möglichst starken Österreichs, ist für uns aus inneren und
äußeren Gründen eine Notwendigkeit. Daß es sich nicht ewig wird erhalten lassen, will ich gern zugeben. Aber inzwischen lassen sich vielleicht Kombinationen finden. (…)

Je entschlossener sich Österreich zeigt, je energischer wir es stützen, um so eher wird Rußland still bleiben. Einiges Gepolter in Petersburg wird zwar nicht ausbleiben, aber im Grunde ist Rußland jetzt nicht schlagfertig. Frankreich und England werden jetzt auch den Krieg nicht wünschen. In einigen Jahren wird Rußland nach aller kompetenten Annahme schlagfertig sein. Dann erdrückt es uns durch die Zahl seiner Soldaten, dann hat es seine Ostseeflotte und seine strategischen Bahnen gebaut. Unsere Gruppe wird inzwischen immer schwächer. In Rußland weiß man es wohl, und will deshalb für einige Jahre absolut noch Ruhe. (…)

Ich hoffe und glaube auch heute noch, daß der Konflikt sich lokalisieren läßt. Englands Haltung wird dabei von großer Bedeutung sein. Ich bin vollständig überzeugt, daß die öffentliche Meinung dort sich nicht für Österreichs Vorgehen begeistern wird, und erkenne alle ihre Argumente in dieser Hinsicht als richtig an. Aber man muß tun, was irgend möglich ist, daß sie sich nicht zu sehr für Serbien begeistert, denn von Sympathie und Antipathie bis zur Entfachung eines Weltbrandes ist doch noch ein weiter Weg (…)

17. Juli 1914 – Links

kurier.at: Medienberichte prophezeien bereits, dass „die alte Monarchie in furchtbarem Brande zusammenbricht“ – „Oesterreich-Ungarn geht es schlecht! Serbien ist uns feind. Das albanische Experiment ist mißglückt, Rumänien hat sich von uns abgewendet. Rußland erstarkt. Italiens sind wir nie sicher.“

welt.de: Österreichs Politiker pokern hoch – Österreichs Außenminister Leopold Graf Berchtold will das Ultimatum an Serbien so terminieren, dass Frankreich und Russland sich nicht darüber verständigen können, weil der französische Präsident dann gerade auf See ist.

Der Vorwärts: Der französische Militarismus – Der Militarismus verhindert die von der Bevölkerung gewünschte Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich. Dabei verbreiten vor allem französische Politiker die Angst, Frankreich sei nahezu wehrlos. Die deutsche Reaktion auf die französische Aufrüstung folgt prompt.

16. Juli 1914 – Telegramm aus London: „Eine Politik , die ich als eine abenteuerliche ansehe“

Der SPD-Parteizeitung „Vorwärts“ fällt am 16. Juli 1914 auf, dass das k.u.k.-Außenministerium viel ruhiger ist als während der Annektionskrise 1908 und der Balkankriege 1912 und 1913.

Während der Ballplatz damals mit dem Aufgebote eines argen Lärms arbeitete, kein Mittel zur Erregung der Leidenschaften verschmähte und seine „Entschlossenheit“ in den grellsten Farben malte, befleißigen sich die offiziellen Kreise diesmal einer Zurückhaltung, die man loben müsste, wenn man hoffen dürfte, dass sie echt sei. (…) Aber das bange Gefühl, dass im Dunklen eine schwere Gefahr lauert, will nicht weichen.

Der Artikel ahnt, dass Österreich-Ungarn was von Serbien haben wollen wird und hat Verständnis.

Wenn sich Österreich auf das Begehren beschränken sollte, dass man in Serbien diejenigen, die zu der Sarajevoer Mordtat Beihilfe geleistet haben, zur Verantwortung zieht, so wäre dagegen nichts einzuwenden und könnte dagegen niemand einen ernstlichen Einwand erheben.

Befürchtet aber, dass Österreich-Ungarn mehr will und kritisiert zugleich Großserbien-Pläne.

Nun möchten wir es mit aller Deutlichkeit wiederholen, dass wir diese Agitation, die auf die Vereinigung aller serbischen Gebiete zu einem Staate ausgeht, gleichgültig welche „idealen“ Motive ihr zu Grunde liegen mögen, für eine der schwersten Bedrohungen des Friedens in Europa halten, denn dass ihre Verwirklichung nur in einem Weltkriege möglich wäre, ist wohl klar. (…) dieser unruhvolle und unruhstiftende Staat hat wahrlich nicht wenig auf dem Gewissen.

Und zum fehlgeschlagenen Anschlag auf Rasputin kritisiert der Vorwärts die Zarenfamilie:

Neuerdings scheint vor allem auch die aus Deutschland gebürtige Zarin ein Opfer der geschäftstüchtigen Mystiker geworden zu sein.

In Paris sind die Sozialisten etwas kämpferischer, ihr Vorsitzender Jean Jaurès ruft zum internationalen Generalstreik auf, um einen Krieg zu verhindern.

„Der Kongress sieht unter allen Mitteln, die einen Krieg verhindern sollen, einen gleichzeitigen internationalen Generalstreik (…) als besonders wirksam an.“

Wie man dann sehen wird, wird es leider nicht funktionieren.

Derweil ist die französische Regierung auf ihrer Seereise nach St.Petersburg.

welt.de: Mit Frankreichs Superschlachtschiffen zum Zaren Die Tage auf See nutzte der Präsident dazu, dem Regierungschef einige politische Lektionen zu erteilen (…) Noch wichtiger aber war Poincaré, Viviani außenpolitisch einzunorden: „Ich zeige ihm, dass ich niemals ernsthafte Schwierigkeiten mit Deutschland gehabt habe, weil ich Deutschland gegenüber immer mit großer Entschiedenheit aufgetreten bin.“

Aus Russland berichtet der deutsche Botschafter Friedrich von Pourtalès dem Reichskanzler:

Das Attentat in Sarajevo hat zwar auch hier einen tiefen Eindruck gemacht, und die Verurteilung des schändlichen Verbrechens kam im ersten Augenblick in weiten Kreisen laut zum Ausdruck. Der hier gegen Österreich-Ungarn herrschende tiefe Haß machte sich jedoch sehr bald auch bei diesem traurigen Anlaß geltend, und die Entrüstung über die an den Serben in der österreichisch-ungarischen Monarchie geübte Rache übertönte schon nach wenigen Tagen alle Äußerungen der Teilnahme für den greisen Kaiser Franz Joseph und sein Reich.

Er hatte auch mit dem russischen Außenminister Sergei Sasonow gesprochen und bekam keine Unterstützung für eine Strafaktion gegen Serbien – weil das gar kein „großserbisches Komplott“ gewesen sei.

Ebenso bestritt Herr Sasonow, daß, wie österreichischerseits behauptet werde, das Attentat auf ein großserbisches Komplott zurückzuführen sei. Jedenfalls sei in dieser Beziehung bis jetzt nicht das Geringste bewiesen* und es sei im höchsten Maße ungerecht, die serbische Regierung, die sich vollkommen korrekt verhalte, für das Verbrechen verantwortlich zu machen, wie es in der österreichisch-ungarischen Presse geschehe.

Der deutsche Botschafter Max von Lichnowsky in London telegrafiert an den Reichkanzler und rät zur Vorsicht. Er hatte am 15. Juli mit dem britischen Außenminister Edward Grey gesprochen:

Sir E. Grey sagte, alles käme darauf an, welcher Art etwaige Eingriffe sein würden, keinenfalls dürfe eine Schmälerung des serbischen Gebiets in Frage kommen. Er hat auch, wie berichtet, sich daraufhin bemüht, in Petersburg zugunsten der österreichischen Ansprüche zu wirken. Sollte aberin Rußland infolge militärischer Maßnahmen Österreichs eine gewaltig erregte Bewegung entstehen, so würde er gar nicht in der Lage sein, die russische Politik in der Hand zu behalten (…)

Am 16. Juli vermisst von Lichnowsky bei Österreich-Ungarn ein Konzept in der Krise und fragt, ob man die Doppelmonarchie unbedingt unterstützen muss:

Es fragt sich für mich nur, ob es sich für uns empfiehlt, unseren Genossen in einer Politik zu unterstützen,bzw. eine Politik zu gewährleisten, die ich als eine abenteuerliche ansehe, da sie weder zu einer radikalen Lösung des Problems noch zu einer Vernichtung der großserbischen Bewegung führen wird.

Wenn die k.u.k. Polizei und die bosnischen Landesbehörden den Thronfolger durch eine „Allee von Bombenwerfern“ geführt haben,so kann ich darin keinen genügenden Grund erblicken, damit wir den berühmten pommerschen Grenadier für die österreichische Pandurenpolitik aufs Spiel setzen, nur damit das österreichische Selbstbewußtsein gekräftigt werde, das in diesem Falle, wie die Ära Ährenthal gezeigt hat, sich als vornehmste Aufgabe die möglichste
Befreiung von der Berliner Bevormundung hinstellt.

Er holt dann ziemlich weit aus und blickt auf die ungarische Revolution von 1848, in den der russische Zar Nikolaus I. eingriff und so die Habsburger rettete.

Sollte aber wirklich für unsere politische Haltung die Ansicht ausschlaggebend sein, daß nach Verabreichung des »Todesstoßes« an die großserbische Bewegung das glückliche Österreich, von dieser Sorge befreit, sich uns für die geleistete Hilfe dankbar erweisen wird, so möchte ich die Frage nicht unterdrücken, ob nach Niederwerfung des ungarischen Aufstandes durch die Hilfe des Kaisers Nikolaus und die vielseitige Inanspruchnahme des Galgens nach Bezwingung der Ungarn bei Vilagos und unter der Oberleitung des kaiserlichen Generals Haynau die nationale Bewegung in Ungarn erdrückt wurde, und ob die rettende Tat des Zaren ein inniges und vertrauensvolles Verhältnis zwischen beiden Reichen begründet hat.

Und das mit dem geheimen Ausformulieren des Ultimatums wird wohl nichts. Nikolai Schebeko, der russische Botschafter in Wien, erfährt laut Sean McMeekin am 16. Juli vom britischen Botschafter de Bunsen etwas über die österreichischen Ultimatumspläne für Serbien.

15. Juli 1914 – Links

arte.tv: Der Wandermönch Grigori Rasputin wird von einer Frau mit zwei Dolchstichen verletzt – Erste Meldungen, dass er erstochen wurde, bestätigten sich nicht.

Berliner Tagblatt: Ein anderer Blick auf Rasputin Gerade Rasputin war es, ausschließlich er und die durch ihn mächtige Hofpartei, die den durch den Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch bereits herbeigeführten Kriegsentschluss – vor zweieinhalb Jahren, während des Balkankrieges – in achtundvierzig Sunden umwarfen. Es war schon das Mobilisierungsdekret unterzeichnet und Militärzüge bestellt. Da kam der sibirische Bauer und wendete mit seiner in einem abgehackten farbigen Volksrussisch sich entladenden Predigt den Weltkrieg ab. (…) Sergei Witte: „Rasputin ist ein absolut ehrlicher und gütiger Mensch, der immer bestrebt ist, Gutes zu wirken und auch sein Geld an Notleidende verteilt.“

kurier.at: Stehen die Zeichen auf Krieg oder Frieden? Die Medien interpretieren die Rede des ungarischen Ministerpräsidenten Istvan Tiszas unterschiedlich – und die Bevölkerung wird mit profanen Sonderangeboten gelockt.

welt.de: Russlands Botschafter in Wien gibt Entwarnung Die moderaten Signale aus Österreich deuten russische Diplomaten als Zeichen der Entspannung. Die Urlaubsreise des Generalstabchefs scheint zu täuschen.

Echo online: Große und kleine Schlagzeilen

Berliner Tagblatt: Frankreichs mangelhafte Rüstung In Frankreich wird erbittert über den Zustand der eigenen Armee diskutiert – Für uns Deutsche empfiehlt es sich, die aufgeregten Debatten in Frankreich mit kühlster Ruhe, aber aufmerksam zu folgen. Wir sollen nicht alles für bare Münze nehmen, was in einem Augenblicke krisenhafter Aufgeregtheit drüben aufgezählt wird. Aber wir sollen uns auch hüben den Kopf nicht warm machen lassen von den G’schastlerhubern der militärischen Angstmeierei, die die französische „Erzbereitschaft“ ausnützen möchten, um das ehr- und gewinnbringende Geschäft auch nach der großen Wehrvorlage nicht eintrocknen zu lassen.

15. Juli 1914 – Der k.u.k.-Außenminister verrät Österreich-Ungarns Absichten an die Briten – indirekt

Das mit diesem Ultimatum an Serbien, das noch gar nicht ausformuliert war und das bis zu seiner Absendung geheim bleiben sollte, war so eine Sache. Die Absicht war ja schon via Berlin und den deutschen Botschafter in Rom aus Versehen durchgesickert.

Der österreich-ungarische Außenminister bekräftigt nochmal gegenüber seinem Botschafter in Berlin, dass es erst mit der Rückkehr des französischen Präsidenten von seiner Russlandreise veröffentlicht werden soll.

Die ins Auge gefaßte Aktion in einem Augenblick zu beginnen, wo der Präsident als Gast des Zaren in Rußland gefeiert wird, könnte begreiflicherweise als ein politischer Affront aufgesetzt werden, was wir vermieden sehen möchten. Andererseits schiene es uns auch unklug, den komminatorischen Schritt in Belgrad gerade zu einer Zeit zu machen, wo der friedliebende, zurückhaltende Kaiser Nikolaus und der immerhin vorsichtige Herr Sazonow dem unmittelbaren Einflusse der beiden Hetzer Iswolsky und Poincare ausgesetzt wären.

Soviel also zudem zu Berchtolds Meinung über Poincaré.

Und am 15. Juli erfuhren vom Ultimatum aber auch die Engländer – über einen Freund des k.u.k. Außenministers, wie Sean McMeekin schildert.

Außenminister Graf Leopold Berchtold hatte schon am 13. Juli mit Graf Heinrich von Lützow gesprochen, einem ehemaligen österreichischen Botschafter in Italien.

Lützow war zutiefst beunruhigt, was er über Berchtolds Pläne gehört hatte, und er beschloss, mit jemandem darüber zu sprechen.

Und am 15. Juli war Lützow bei seinem Freund Maurice de Bunsen zum Mittagessen – de Bunsen war der britische Botschafter in Wien. Der das zwei Tage später nach London an Arthur Nicolson meldete:

This Government was not going to stand Servian insolence any longer. No great Power could submit to such audacity as Servia had displayed, and keep her position in the world. A note was being drawn up and would be completed when the Serajevo enquiry was finished, demanding categorically that Servia should take effective measures to prevent the manufacture and export of bombs, and to put down the insidious and murderous propaganda against the Dual Monarchy. No futile discussion would be tolerated. If Servia did not at once cave in, force would be used to compel her.

Kurz: Serbien nervt und wenn es nicht spurt, dann knallt’s.

Der französische Präsident Raymond Poincaré macht sich am Abend des 15. Juli zusammen mit mit Ministerpräsident René Viviani auf den Weg nach St. Petersburg. Das war damals etwas umständlich, so ohne Flugzeug. Also reiste er nach Dünkirchen und von dort aus mit dem französischen Kriegsschiff „France“ über Nordsee und Ostsee nach Russland.

14. Juli 1914 – Doch ein Ultimatum, aber nicht gleich

Die Regierung von Österreich-Ungarn einigt sich darauf, Serbien ein Ultimatum zu stellen. Idee ist, Forderungen zu stellen, die Serbien als souveräner Staat nicht erfüllen kann oder will. Damit glaubt die Wiener Regierung einen Kriegsgrund zu bekommen. Möglich wurde das, weil der ungarische Ministerpräsident Graf Tisza seine Meinung geändert hatte.

Außenminister Graf Leopold Berchtold trägt beim Kaiser vor: Es wird nun an die Redaktion der an Serbien zu richtenden Note geschritten, deren Überprüfung in einer gemeinsamen Besprechung erfolgen wird. Nach erzielter Übereinstimmung über die Form dieser Note wird dieselbe Samstag, den 23. in Belgrad überreicht und der serbischen Regierung gleichzeitig eine Frist von 48 Stunden gegeben werden, innerhalb welcher sie unsere Forderungen annehmen muß.

Das ist nicht das Tempo, dass sich die Deutschen wünschen, aber nun berücksichtigen die k.u.k.-Diplomaten die Russlandreise des französischen Präsidenten.

Vortrag Berchtold: Dieses Datum wurde mit Rücksicht auf den Besuch des Präsidenten der französischen Republik bei dem Zaren gewählt, der vom 20. bis 25. Juli dauern soll, da alle Anwesenden meine Auffassung teilten, daß die Absendung des Ultimatums während dieser Zusammenkunft in Petersburg als Affront angesehen werden würde, und daß eine persönlich Aussprache des ehrgeizigen Präsidenten der Republik mit Seiner Majestät dem Kaiser von Rußland über die durch die Absendung des Ultimatums geschaffene internationale Lage die Wahrscheinlichkeit eines kriegerischen Eingreifens Rußlands und Frankreichs erhöhen würde.

Auch wenn Könige herrschen, die öffentliche Meinung ist wichtig. Der deutsche Botschafter in London, Max von Lichnowsky, teilt Berlin mit, dass er die englische Presse nicht so beeinflussen kann, dass die Serben als die Bösen dastehen (den italienischen Botschafter fragt Außenstaatssekretär Gottlieb von Jagow übrigens, wieviel Bestechungsgelder dafür notwendig sind).

Ich habe bereits versucht, in diesem Sinne vertraulich und vorsichtig Fühlung zu nehmen, verspreche mir aber angesichts der bekannten Unabhängigkeit der hiesigen Presse derartigen Einwirkungen gegenüber nur wenig Erfolg.

Er teilt auch mit, dass die liberale britische Regierung in dem Attentat keinen Kriegsgrund sehen wird.

Es wird schwer halten, die gesamte serbische Nation als ein Volk von Bösewichten und Mördern zu brandmarken und ihm dadurch, wie der Lokalanzeiger bestrebt ist, die Sympathien des gesitteten Europas zu entziehen; noch schwerer aber die Serben, wie eine amtliche Persönlichkeit dem Wiener Vertreter des Daily Telegraph gegenüber tut, auf dieselbe Stufe zu stellen mit den Arabern in Ägypten und in Marokko oder mit den Indianern in Mexiko.

Es ist vielmehr anzunehmen, daß die hiesigen Sympathien sich dem Serbentum sofort und in lebhafter Form zuwenden werden, sobald Österreich zur Gewalt greift, und daß die Ermordung des hier schon wegen seiner klerikalen Neigungen wenig beliebten Thronfolgers nur als ein Vorwand gelten wird, den man benutzt, um den unbequemen Nachbarn zu schädigen.

Die britischen Sympathien, namentlich aber die der liberalen Partei, haben sich in Europa meist dem Nationalitätenprinzip zugewandt, (…) Sowohl während der Annexionskrisis als auch im vorigen Winter bei akuten Fragen neigte die hiesige öffentliche Meinung zur Parteinahme für Serbien und Montenegro,(…) So sehr man also auch eine unnachsichtige strafrechtliche Verfolgung der Mörder begreifen wird, so wenig, fürchte ich, wird die öffentliche Meinung dafür zu haben sein, daß man die Angelegenheit auf das politische Gebiet hinüberspielt und sie zum Ausgangspunkt militärischer Maßnahmen gegen ein Volk von Verbrechern macht.

Die Deutschen trauen ihrem Dreibundpartner Italien nicht. Von Jagow schreibt an seinen Botschafter in Wien:

So austrophob im allgemeinen die italienische öffentliche Meinung ist, so serbophil hat sie sich bisher immer gezeigt. Es ist auch für mich kein Zweifel, daß sie bei einem österreichisch-serbischen Konflikt sich prononciert auf Seiten Serbiens stellen wird.

Also wird das bewährte Spiel gespielt: Italien könnte ein Stück Land bekommen, damit es nicht gegen die Aktion gegen Serbien ist, weil es sonst Russland ermuntern könnte, doch Serbien beizustehen

Durch eine Partei-nahme Italiens für Serbien würde fraglos die russische Aktionslustwesentlich ermutigt. In Petersburg würde man damit rechnen, daß Italien nicht nur seinen Bundespflichten nicht nachkommt, sondern sich womöglich direkt gegen Österreich-Ungarn wendet. Italien hat nach seinen Abmachungen mit Österreich bei jeder Veränderung im Balkan zugunsten der Donaumonarchie ein Recht auf Kompensationen.

Der Botschafter in Rom soll mal beim k.u.k-Außenminister vorfühlen, wie es aussieht, wenn Italien das Trentino – nun, das ist ja nur Südtirol – bekommt.

Wie ich streng vertraulich bemerke, dürfte als einzige vollwertige Kompensation in Italien die Gewinnung des Trento erachtet werden. Dieser Bissen wäre allerdings so fett, daß damit auch der austrophoben öffentlichen Meinung der Mund gestopft werden könnte. (…) Ob bei diesem Gespräch die Frage des Trento erwähnt werden kann, muß ich Ihrer Beurteilung und Kenntnis der dortigen Dispositionen anheimstellen.

Dazu passend ein Nachtrag. welt.de: Wiens Serbien-Politik bietet Rom die Chance, ins Lager der Entente zu wechseln

Das mit dem Ultimatum an Serbien muss natürlich geheim bleiben, auch damit sich England und Frankreich nicht so schnell absprechen können, wenn das Ultimatum vorliegt. Nur wissen wir ja, dass schon am 11. Juli über Berlin und den deutschen Botschafter in Rom was durchgesickert ist.

Kaiser Wilhelm II. schreibt an seinen Kaiserkollegen Kaiser Franz Josef und versichert ihm Beistand. Unter Kaisers ist man dann per Du:

Die grauenerregende Freveltat von Sarajevo hat ein grelles Schlaglicht auf das unheilvolle Treiben wahnwitziger Fanatiker und die den staatlichen Bau bedrohende panslawistische Hetzarbeit geworfen. Ich muß davon absehen, zu der zwischen Deiner Regierung und Serbien schwebenden Frage Stellung zu nehmen. Ich erachte es aber nicht nur für eine moralische Pflicht aller Kulturstaaten, sondern als ein Gebot für ihre Selbsterhaltung, der Propaganda der Tat, die sich vornehmlich das feste Gefüge der Monarchien als Angriffsobjekt ausersieht, mit allen Machtmitteln entgegenzutreten. Ich verschließe mich auch nicht der ernsten Gefahr, die Deinen Ländern und in der Folgewirkung dem Dreibund aus der von russischen und serbischen Panslawisten betriebenen Agitation droht, und erkenne die Notwendigkeit, die südlichen Grenzen Deiner Staaten von diesem schweren Drucke zu befreien.

Der sozialdemokratischer „Vorwärts“ kritisiert die Rüstungsausgaben in Deutschland und Europa:

Zählt man alle militärischen Ausgaben zusammen, wie es sich gehört, so werden allein die sechs Großstaaten Europas Jahr für Jahr jetzt 10 Milliarden Mark für unfruchtbare Zwecke ausgegeben, und diese Lasten zeigen noch immer, das Bestreben, weiterzusteigen.

Und Italien hat 120.000 Reservisten einberufen:

Die Mobilmachung von mehr als hunderttausend Reservisten in Italien hat im europäischen Ausland für Besorgnis gesorgt. Auf Nachfrage erklärt Rom allerdings, die Mobilisierung finde „mit Rücksicht auf innere Verhältnisse“ statt.

13. Juli 1914 – „Attentat in Belgrad beschlossen und unter Mitwirkung serbischen Staatsbeamten vorbereitet“

Sektionsrat Friedrich von Wiesner telegrafiert seine Ermittlungsergebnisse nach Wien und sieht hinreichend Hinweise auf Drahtzieher in der serbischen Hauptstadt Belgrad – aber eine Mitwissenschaft der serbischen Regierung „durch nichts erwiesen“. Auch auf die „Narodna Odbrana„, die zur „Schwarzen Hand“ Verbindungen hat, stößt der Ermittler vor, aber nicht bis Dragutin „Apis“ Dimitrijević.

Sektionsrat von Wiesner an das k. u. k. Ministerium des Äußern: Material aus Zeit vor Attentat bietet keine Anhaltspunkte für Förderung der Propaganda durch serbische Regierung. Dafür, daß diese Bewegung von Serbien aus, unter Duldung seitens serbischer Regierung, von Vereinen genährt wird, ist Material, wenn auch dürftig, doch hinreichend.

Untersuchung über Attentat.
Mitwissenschaft serbischer Regierung an der Leitung des Attentats oder dessen Vorbereitung und Beistellung der Waffen durch nichts erwiesen oder auch nur zu vermuten. Es bestehen vielmehr Anhaltspunkte, dies als ausgeschlossen anzusehen.

Durch Aussagen Beschuldigter kaum anfechtbar festgestellt, daß Attentat in Belgrad beschlossen und unter Mitwirkung serbischen Staatsbeamten Ciganovic‘ und Major Tankosic‘ vorbereitet, von welchen beiden Bomben, Brownings, Munition und Zyankali beigestellt. Mitwirkung, Pribicevic‘ nicht festgestellt, und beruhen die ersten Meldungen hierüber auf bedauerlichem Mißverständnisse erhebender Polizeiorgane.

Ursprung Bomben aus serbischem Armeemagazin Kragujevac objektiv einwandfrei erwiesen, doch keine Anhaltspunkte dafür, daß erst jetzt ad hoc Magazinen entnommen, da Bomben aus Vorräten Komitadschis vom Kriege stammen können.

Auf Grund Aussagen Beschuldigter kaum zweifelhaft, daß Princip, Cabrinovic, Grabez mit Bomben und Waffen auf Veranlassung Ciganovic‘ von – serbischen Organen geheimnisvoll über Grenze nach Bosnien geschmuggelt. Diese organisierten Transporte von Grenzhauptmännern Schabatz und Loznica geleitet und von Finanzwachorganen durchgeführt. Wenn auch: nicht festgestellt ob diese Zweck der Reise kannten, mußten selbe doch geheimnisvolle Mission annehmen.

Sonstige Erhebungen nach Attentat geben Einblick in Organisierung der Propaganda der „Narodna odbrana“. Enthalten wertvolles verwertbares Material, das jedoch noch nicht nachgeprüft; schleunigste Erhebungen im Zuge.

Milan Ciganovic war Exilbosnier und serbischer Eisenbahnbeamter. Er hatte den Attentätern serbische Pistolen und Bomben beschafft. Voja Tankosic war serbischer Major und ein persönlicher Berater Apis‘ und hatte den Attentätern das Schießen beigebracht.

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt: Graf Berchtold teilt durchaus die Ansicht, daß die Ergebnisse der Untersuchung in Sarajevo nicht im einzelnen, sondern Richtung serbischer Politik und ihre Folgen zusammenfassend darzustellen sein werden.

Minister ist jetzt selbst überzeugt, daß schnellstes Handeln geboten ist. Er hofft morgen mit Tisza über Wortlaut der an Serbien zu richtenden Note ins Reine zu kommen, würde diese dann Mittwoch, den 15. Juli, dem Kaiser in Ischl unterbreiten (…)

In Frankreich kritisiert der Senator Charles Humbert Ausstattung und Ausrüstung französischer Forts: Schlechter Zustand, zuwenig Munition und Artillerie der deutschen unterlegen. Sowie:

Christopher Clark: Die Schlafwandler – Ein Detail erregte vor allem Aufsehen in der französischen Öffentlichkeit, insbesondere bei den Müttern der Nation: Die Armee litt unter einem jämmerlichen Mangel an Stiefeln

12. Juli 1914: England beteiligt sich nicht „wegen eines Balkanlandes“ an einem Krieg?

Die russischen Zeitungen folgen laut Christopher Clark der Regierung und sehen im Sarajewo-Attentat eine „rein innerösterreichische Angelegenheit“, weswegen es kein Verständnis für Schritte gegen Serbien gibt.

Das Außenministerium in Berlin will, dass sein Botschafter in England dafür sorgt, dass der Konflikt zwischen Österreich-Ungarn und Serbien „lokalisiert“ bleibt. Botschafter Max von Lichnowsky glaubt nämlich nicht, dass die Briten abseits stehen werden, wenn es zu einem Krieg kommt in dem Russland und Frankreich mitmischen.

welt.de: Vertrauensdefizite spalten deutsche Diplomaten Ein unfreundliches Telegramm aus Berlin erregt den deutschen Botschafter in London. Die Zentrale legt ihn mit harten Worten auf eine Linie fest, von der er nicht überzeugt ist.

Die Berliner Sicht – oder wie er sie verstanden hat – gibt am 12. Juli der österreichisch-ungarische Botschafter Ladislaus von Szögyény-Marich nach Wien weiter. In der deutschen Regierung scheint sich die „besser jetzt als später“-Haltung auszubreiten. Und dass Russland nicht kriegsbereit wäre und Großbritannien nicht kriegswillig wegen eines Balkanlandes:

Deutschlands Stellungnahme in der jetzigen serbischen Krise: Dagegen glaube ich daß es doch einer gewissen Erklärung bedarf, daß die maßgebenden deutschen Kreise und nicht am wenigsten Seine Majestät Kaiser Wilhelm selbst uns – man möchte fast sagen – geradezu drängen, eine eventuell sogar kriegerische Aktion gegen Serbien zu unternehmen. (…) Für die Wahl des jetzigen Zeitpunktes sprechen nach der deutschen – von mir übrigens vollkommen geteilten – Auffassung allgemein politische Gesichtspunkte und spezielle, durch die Mordtat in Sarajevo sich ergebende Momente.

Deutschland ist in letzter Zeit in seiner Überzeugung bestärkt worden, daß Rußland zum Kriege gegen seine westlichen Nachbarn rüstet und denselben nicht mehr als eine zukünftige Möglichkeit betrachtet, sondern direkt in sein politisches Zukunftskalkül eingestellt hat. Doch nur in sein Zukunftskalkül, daß es also den Krieg beabsichtigt und sich mit allen Kräften dafür rüstet, ihn aber für jetzt nicht vor hat oder, besser gesagt, für den gegenwärtigen Augenblick noch nicht genügend vorbereitet ist.

Daher ist es absolut nicht ausgemacht, daß, wenn Serbien in einen Krieg mit uns verwickelt wird, Rußland demselben mit bewaffneter Hand beistehen würde, und sollte das Zarenreich sich doch dazu entschließen, so ist es zur Zeit noch lange nicht militärisch fertig und lange nicht so stark, wie es voraussichtlich in einigen Jahren sein wird.

Weiters glaubt die deutsche Regierung sichere Anzeichen dafür zu haben, daß England sich derzeit nicht an einem wegen eines Balkanlandes ausbrechenden Kriege, selbst dann nicht, wenn er zu einem Waffengang mit Rußland, eventuell auch Frankreich, führen sollte, beteiligen würde. Nicht nur, daß sich das englisch-deutsche Verhältnis so weit gebessert hat, daß Deutschland eine direkt feindliche Stellungnahme Englands nicht mehr befürchten zu müssen glaubt, sondern vor allem ist England zur Zeit nichts weniger als kriegslüstern und gar nicht gewillt, für Serbien oder im letzten Grunde für Rußland die Kastanien aus dem Feuer zu holen.

Der deutsche Botschafter in London wird noch am 28. Juli davor warnen, dass der Krieg nicht lokalisierbar sei und schrieb später ein Memorandum (das durchgesickert war und natürlich dann auch auf englisch erschien.)

11. Juli 1914 – Deutsche werden ungeduldig, Mord-Ermittler treffen sich

Deutschland will den Konflikt lokal zwischen Serbien und Österreich-Ungarn halten, was aus seiner Sicht aber nur geht, wenn die k.u.k-Monarchie schnell handelt. Am 11. Juli ärgert sich der deutsche Kanzler Theobald von Bethmann-Hollweg, wie sein Sekretär und Berater Kurt Riezler notierte:

Anscheinend brauchen [die Österreicher] furchtbar lange, um zu mobilisieren, sagt Hötzendorf. Das ist sehr gefährlich. Ein schnelles fait accompli und dann freundlich gegen die Entente – dann kann der Choc [sic!] ausgehalten werden.

Die österreich-ungarischen Ermittler, Sektionsrat Friedrich Ritter von Wiesner, ein ehemaliger Richter, und Gerichtssekretär Leo Pfeffer treffen sich in Sarajevo. Pfeffer hatte die Attentäter vom 28. Juni verhört.

nachrichten.at: Pfeffer & Wiesner: Die Ermittler von Sarajevo Der Lehrer Danilo Ilic hat ausgepackt – und vage Anhaltspunkte für eine Beteiligung Belgrads geliefert. (…) Dem eigentlichen Drahtzieher des Attentats, dem serbischen Geheimdienstchef Dragutin Dimitrijevic – in Serbien unter dem Namen Apis bekannt und gefürchtet – kommen weder Pfeffer noch Wiesner auf die Spur.

Und das mit Ilic war eher Zufall, denn er war nach dem Attentat einfach so festgenommen worden, er war keiner der Gruppe, die mit Mordplänen angereist war

Süddeutsche.de: Ermittler im heikelsten Mordfall des jungen Jahrhunderts Als Ilić dem Richter gegenübersaß, wurde er nervös – und packte aus. In diesem Moment wurde Pfeffer bewusst, dass in den Mord auch Personen in Belgrad verwickelt waren. „Hätte Ilić kühlen Kopf bewahrt und beim Verhör irgendeine Geschichte aufgetischt, er wäre vermutlich binnen weniger Tage wieder entlassen worden“, schreibt Remak. Doch Ilić habe Angst gehabt und geredet.

In Berlin lehnt es Außenstaatssekretär Gottlieb von Jagow ab, Österreich-Ungarn zu erklären, was es von Serbien fordern soll:

Die deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914: Zur Formulierung der Forderungen an Serbien können wir keine Stellung nehmen, da dies Österreichs Sache ist. Uns es nur erwünscht, daß Wien genügend Material sammelt, um zu beweisen, daß in Serbien eine großserbische Agitation besteht, welche Monarchie gefährdet, damit öffentliche Meinung Europas soweit als möglich vom guten Recht Österreichs überzeugt wird. Dies Material wäre am besten — nicht getrennt, sondern einheitlich — kurz vor Stellung der Forderungen bzw. des Ultimatums an Serbien zu publizieren.

Parallel dazu suchen Deutsche und Österreicher Verbündete.

Die deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914: Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Rom Wir haben es der österreichisch-ungarischen Regierung überlassen, die ihr geeignet scheinenden Schritte zu tun und ihr erforderlichenfalls unsern Beistand im Sinne des Bündnisses zugesagt. Wir haben uns ferner damit einverstanden erklärt, daß Österreich-Ungarn in Verhandlungen mit Bulgarien wegen dessen Beitritt zu unserer Bündniskombination tritt.

König von Rumänien, durch uns über diese Absicht informiert, hat sich reserviert, aber nicht ablehnend verhalten.

Österreich-Ungarn Ultimatumpläne sickern durch, wie Christopher Clark schildert. Gottlieb von Jagow informiert am 11. Juli den deutschen Botschafter in Rom über Österreichs Pläne. Der deutsche Botschafter in Rom, Hans von Flotow, erzählt das aber dem italienischen Außenminister San Giuliano, der das seinem Ministerium und das reicht die Information an die Botschaften in St. Petersburg, Bukarest und Wien weiter.

Der 11. Juli ist ein Tag, der auch ziemlich direkt mit mit Dragutin_„Apis“ Dimitrijević zu tun hat. Denn der Tag ist der Geburtstags des serbischen Königs Peter (Karađorđević). Der aber nur im Amt ist, weil Apis 1903 eine Verschwörung (Schwarze Hand) anführte, in der König Alexander (Obrenović) ermordet wurde.

Über das Hin und Her beim serbischen Fürstenamt berichtet sehr schön das Blog ersterweltkriegheute.de: (Un-)Happy Birthday, Peter I.

Kaiser Wilhelm II., auf Urlaub an der norwegischen Küste, überlegt mit Blick auf die Krise, ob er dem König zum Geburtstags gratulieren soll.

SpOn: Urlaub vorm Weltenbrand Ungeduldig verfolgte Wilhelm II. das Vorgehen der Donaumonarchie gegenüber Serbien. Gleichzeitig bemühte sich der Kaiser, Belgrad gegenüber den Schein zu wahren: Am 11. Juli zerbrach er sich tatsächlich den Kopf darüber, ob es sich zieme, angesichts der Krise das alljährliche Geburtstagstelegramm an den serbischen König Peter I. abzuschicken.

10. Juli 1914 – Herzinfarkt in der k.u.k-Botschaft in Belgrad

Nikolaus Hartwig, der russische Botschafter in Serbien, besucht den österreich-ungarischen Botschafter und stirbt in der k.u.k-Botschaft.

kurier.at: Tod durch Herzschlag in der Gesandtschaft Während der Konversation, „die in einem sehr konzilianten Tone geführt wurde, griff der Gesandte von Hartwig plötzlich mit der Hand gegen das Herz, beugte den Kopf und fiel vom Kanapee auf den Fußboden“.

wienerzeitung.at: Diplomatie mit Hintergedanken Erst später erkannte (Wiens Botschafter) Giesl die weitreichenden Folgen von Hartwigs unerwartetem Tod. Dieser war nämlich von der Schlagkraft der serbischen Armee wenig überzeugt und wollte deren Aufrüstung abwarten, bevor man zu einem späteren Zeitpunkt gemeinsam mit Russland zum großen Krieg gegen die Donaumonarchie ausholte.

Problem waren jetzt nur die Gerüchte, dass Giesl seinen russischen Kollegen umgebracht hat:

welt.de: Österreichs Gesandter soll Russen ermordet haben – Obwohl der 56-Jährige bekanntermaßen an Angina Pectoris und starkem Bluthochdruck gelitten, sich auch in den ersten Julitagen fortdauernd sehr schlecht gefühlt hatte, stand für Ludmilla von Hartwig sofort fest: Ihr Vater musste von Giesl ermordet worden sein.

Nikolai Hartwig war auch kein Freund der Österreicher:

ersterweltkriegheute.de: Anstatt – wie alle anderen Gesandten in der serbischen Hauptstadt – die Fahne vor seiner Botschaft auf Halbmast hängen zu lassen, lud er am Abend des 28. Juni zu einer kleinen Party ein.

Der österreich-ungarische Generalstabschef Franz Conrad von Hötzendorf schreibt am gleichen Tag an seinen Außenminister Leopold Graf Berchtold einen Brief und drängt auf einen klaren und wenn dann schnellen Kriegskurs.

Der k. u. k. Chef des Generalstabes an Grafen Berchtold: Für mich, in meiner Eigenschaft als Chef des Generalstabes, kommt nur die präzise Formulierung der Entscheidung in Betracht, ob auf den Ausbruch eines Krieges gegen Serbien direkte hingearbeitet oder ob nur mit der Möglichkeit eines Krieges gerechnet wird. (…) Steht aber der Entschluß zur Demarche fest, dann müßte dieselbe im Hinblicke auf die militärischen Interessen in einem einzigen Akt mit kurzbefristetem Ultimatum geschehen, welchem, wenn er abschlägig beschieden wird, sofort der Mobilisierungsbefehl zu folgen hätte.

Nur wird Ö-U am 27. Juli den Deutschen erklären, dass es Serbien gar nicht vor dem 12. August angreifen kann …
Die Untersuchungen zum Mord, weisen für Wien auf Hintermänner in Belgrad hin.

aera-magazin.de: Berliner Tagblatt – Man nimmt hier an, die in Serajewo geführte Untersuchung werde in einer Woche abgeschlossen sein, das Ergebnis soll sofort veröffentlicht werden. Schon das bisherige Ergebnis der Untersuchung liefert, wie verlautet, Anhaltspunkte dafür, dass das Zentrum der in Bosnien betriebenen großserbischen Bewegung sich in Belgrad befindet. (…) Und die „Wiener Allgemeine Zeitung“ stellt fest, dass die serbischen Pressekundgebungen noch heftiger, noch hetzerischer und noch schamloser seien, als jene der letzten Tage.