15. Juli 1914 – Der k.u.k.-Außenminister verrät Österreich-Ungarns Absichten an die Briten – indirekt

Das mit diesem Ultimatum an Serbien, das noch gar nicht ausformuliert war und das bis zu seiner Absendung geheim bleiben sollte, war so eine Sache. Die Absicht war ja schon via Berlin und den deutschen Botschafter in Rom aus Versehen durchgesickert.

Der österreich-ungarische Außenminister bekräftigt nochmal gegenüber seinem Botschafter in Berlin, dass es erst mit der Rückkehr des französischen Präsidenten von seiner Russlandreise veröffentlicht werden soll.

Die ins Auge gefaßte Aktion in einem Augenblick zu beginnen, wo der Präsident als Gast des Zaren in Rußland gefeiert wird, könnte begreiflicherweise als ein politischer Affront aufgesetzt werden, was wir vermieden sehen möchten. Andererseits schiene es uns auch unklug, den komminatorischen Schritt in Belgrad gerade zu einer Zeit zu machen, wo der friedliebende, zurückhaltende Kaiser Nikolaus und der immerhin vorsichtige Herr Sazonow dem unmittelbaren Einflusse der beiden Hetzer Iswolsky und Poincare ausgesetzt wären.

Soviel also zudem zu Berchtolds Meinung über Poincaré.

Und am 15. Juli erfuhren vom Ultimatum aber auch die Engländer – über einen Freund des k.u.k. Außenministers, wie Sean McMeekin schildert.

Außenminister Graf Leopold Berchtold hatte schon am 13. Juli mit Graf Heinrich von Lützow gesprochen, einem ehemaligen österreichischen Botschafter in Italien.

Lützow war zutiefst beunruhigt, was er über Berchtolds Pläne gehört hatte, und er beschloss, mit jemandem darüber zu sprechen.

Und am 15. Juli war Lützow bei seinem Freund Maurice de Bunsen zum Mittagessen – de Bunsen war der britische Botschafter in Wien. Der das zwei Tage später nach London an Arthur Nicolson meldete:

This Government was not going to stand Servian insolence any longer. No great Power could submit to such audacity as Servia had displayed, and keep her position in the world. A note was being drawn up and would be completed when the Serajevo enquiry was finished, demanding categorically that Servia should take effective measures to prevent the manufacture and export of bombs, and to put down the insidious and murderous propaganda against the Dual Monarchy. No futile discussion would be tolerated. If Servia did not at once cave in, force would be used to compel her.

Kurz: Serbien nervt und wenn es nicht spurt, dann knallt’s.

Der französische Präsident Raymond Poincaré macht sich am Abend des 15. Juli zusammen mit mit Ministerpräsident René Viviani auf den Weg nach St. Petersburg. Das war damals etwas umständlich, so ohne Flugzeug. Also reiste er nach Dünkirchen und von dort aus mit dem französischen Kriegsschiff „France“ über Nordsee und Ostsee nach Russland.