Feste Agenda 21-Förderung in Darmstadt läuft aus

Darmstadts ehrenamtlich wirkende Agenda 21-Gruppen sollen keine Mittel mehr bekommen, es gibt einen Magistratsbeschluss von vor den Herbstferien. Damit ist nun das eingetreten, was ich mir vor rund zehn Jahren dachte, als die Stadt Stadtteilforen und Bürgerbeteiligungsformate wie den Bürgerhaushalt aus der Taufe hob. Denn damit wurden in meinen Augen Parallelstrukturen geschaffen, auch wenn die Aktiven das so nicht sehen werden. Ich hätte es damals besser gefunden, wenn die neuen Beteiligungsstrukturen bei den schon bestehenden Agenda 21-Gruppe angesiedelt worden wären.

Prinzipiell halte ich es für richtig, wenn man bürgerschaftliches Engagement bündelt und strukturiert und es am Ende nicht (und das ist jetzt ein erfundenes, zugespitztes Beispiel) eine Agenda Gruppe für Eberstadt, ein Stadtteilforum Eberstadt, einen Stadttteilverein und noch andere Gruppen gibt, die eigentlich das gleiche wollen, aber sich zu unterschiedlichen Zeiten gegründet haben.

Nur eine der städtischen Begründungen, warum man die Förderung einestellen werde, finde ich dann doch ungeschickt. Eine Begründung ist laut Echo, dass die Projektmittel in diesem Jahr nicht voll ausgeschöpft wurden. Ok. Nur haben wir die Sonderlage Pandemie. Und dann wird mit solchen Begründungen doch das „Dezemberfieber“ gefördert. Eine Gruppe, Abteilung etc. stellt vor Jahresablauf fest, dass sie noch Gelder übrig hat. Wenn sie die nicht ausgeben, gibt es im nächsten Jahr aber weniger. Also wird noch schnell irgendwas beschafft, was zwar den Beschaffungsvorgaben entspricht, aber eigentlich nicht gebraucht wird. Wirtschaftlich ist das nicht, im Sinne aller auch nicht, aber das eigene Budget bleibt, weil man ja seinen Bedarf belegt hat.

Echo online: Agenda-Gruppen ziemlich überrascht

Fahrradtürme und Bürgerbeteiligung in Darmstadt

Die Stadt überlegt, zwei kleine turmförmige Fahrradparkhäuser auf dem Pali-Parkplatz aufzustellen.

Zwei kleine Fahrradparkhäuser hatte die Stadt Darmstadt für den Pali-Parkplatz vorgesehen (Echo online: Türme für wertvolle Fahrräder), jetzt wurde die Magistratsvorlage für das Projekt zurückgezogen. Es soll erst noch mit Geschäftsleuten und Einzelhändlern gesprochen werden, die hatten nämlich protestiert, weil Autoparkplätze wegfallen.

Na sowas. Wo doch in Darmstadt Bürgerbeteiligung von seiten der Stadt groß geschrieben wird („Damit alle mitmachen können. Leitlinien zur Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in der Wissenschaftsstadt Darmstadt„). Der Rückzieher wäre also vielleicht vermeidbar gewesen, wenn Weiterlesen

Bürgerbeteiligung und der Willy-Brandt-Platz

Seit einiger Zeit wird in Darmstadt die Bismarckstraße saniert und umgebaut. Im Zuge dieser Arbeiten, zu denen auch notwendige Kanalsanierungen gehören, sollen auch der Willy-Brand-Platz, das Umfeld und die Frankfurter Straße saniert und umgeplant werden.
Eine Bürgerinitiative – die IG Bauabschnitt 3 (IG) – ist mit einigen Planungen nicht einverstanden und würde sich gerne einbringen. Aber die Stadtregierung will das nicht. Unter anderem weil die Planung sehr komplex und weil das alles schon 2004 beschlossen worden sei.

Magistratsvorlage 2017/0340: (…) Eine Durchführung von Bürgerbeteiligung auf der Stufe der Mitgestaltung, d.h. der Erarbeitung einer gemeinsamen Planung, ist im Projektstand nicht mehr möglich. (…) Die grundlegenden Planungsentscheidungen zum Bereich rund um den Willy-Brandt-Platz wurden nach einer langen Variantenuntersuchung bereits im Jahr 2004 getroffen (Magistratsbeschluss Nr. 0791). (…) Das Projekt ist im Planungsprozess schon weit vorangeschritten und steht kurz vor der Fertigstellung der Entwurfsplanung und dem Beginn des Planfeststellungsverfahrens. (…) Die Abwägung der technischen Gleis- und Straßenplanung mit der Stadtgestaltung, der Grünplanung, der Kanalplanung, der Fahrleitungsplanung und den Versorgungsträgern ist sehr komplex und macht Kompromisse aller Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer notwendig. (…)

Das mit 2004 erinnert mich etwas zu sehr an „Stuttgart 21“. Da wurde auch gesagt, dass alles in den 90er Jahren schon beschlossen worden sei und es damit jetzt zu spät für Bürgerbeteiligung ist.
Tja, und damit fallen der Stadtregierung ihre eigenen Wahlkampfversprechen von 2011 auf die Füße. Denn damals war Bürgerbeteiligung – gerade vor dem Hintergrund der „Stuttgart 21“-Proteste – ein großes Thema im Kommunalwahlkampf.
Inzwischen wurden auch Richtlinien zur Bürgerbeteiligung aufgestellt. Die aber nicht unbedingt dazu führen, dass es Bürgerbeteiligung gibt, wenn Bürger sich eine wünschen. Denn die Wünsche der IG lehnte der Magistrat ab, es gab nur im Parlament eine Korrektur.
So bleibt bei mir der Eindruck, dass es nur dann Bürgerbeteiligung gibt, wenn sie der Stadtregierung in den Kram passt. Ich hätte bei den Beteiligungsrichtlinien mir ja eine Regelung gewünscht, dass es ab einem bestimmten Kostenvolumen (eine Million Euro?) automatisch eine Bürgerbeteiligung gibt. Damit sind größere Projekte automatisch mit drin und man hat nicht den Eindruck es wird nach Gutsherrenart was „gewährt“.
Und noch ein Tja: Da sieht man, warum es früher nie so richtig Bürgerbeteiligung gab. Denn kaum war die Planung fertig, kam jemand und meckerte. Und wenn der abgearbeitet war, kam die nächste BI, die den Anfang verpasst hatte undsoweiterundsofort.
Echo online:
Willy-Brandt-Platz sorgt für Wirbel
Anwohner warnen vor heiklen Punkten am Herrngarten in Darmstadt
Diskussion um Neugestaltung des Darmstädter Willy-Brandt-Platzes

Bürgerbeteiligung bei der Parkraumbewirtschaftung im Johannesviertel

Der Stadtparlamentsbeschluss zur Parkraumbewirtschaftung vor einem Jahr war ja geprägt vom Neuen Politikstil, aber die ersten Schritte zur Umsetzung am Samstag im Johannesviertel waren gut. Trotz Regens waren zeitweise bis zu 80 Bürger dabei.

Echo online: „Rundgang Parkraummanagement“ im Johannesviertel

Nachtrag: Im Artikel hatte ich leider vergessen zu schreiben, was das Parkraummanagement für die Bewohner kosten soll: Angedacht sind laut Volker Blees vom Büro „Verkehrslösungen“ 10 Euro pro Monat beziehungsweise 120 Euro im Jahr.

Die Verkehrs- und Baudezernentin Cornelia Zuschke sagte beispielsweise gleich, dass man es bei der Parkraumbewirtschaftung nicht allen recht machen können wird. Auch war der Rundgang moderiert, was die Sache für die Vortragenden entspannt, da diese nicht auch noch sich das Wort geben bzw. es abgeben müssen. Auch gut: Carla Schönfelder vom Kommunikationsbüro „Team Ewen“ hatte eine mobile Mikrofonanlage dabei und passte auf, dass auch Fragen für alle hörbar wiederholt wurden und es an den Stationen keinen ausschweifenden Dialoge zwischen Planern und Bürgern gab.

Polemik im Umweltausschuss und ein Nebensatz zur Lichtwiesenstraßenbahn

Manchmal sitzt man in einem Ausschuss und damit im Dilemma. Ein komplexes Thema wird durch einen polemischen Beitrag der Opposition äh … bereichert und es gibt auch entsprechende Antworten der Koalition. Super zum Schreiben (Echo online: Linkspartei: „Aufgebläht und doch unvollständig“), Streit kapiert jeder, nur um was es eigentlich geht, fällt hinten runter.

Werner Krone von der Linken hatte eine verbale Breitseite auf die Magistratsliste mit „Projekten zur potentiellen Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger“ abgefeuert; er kritisierte sie als aufgebläht und doch unvollständig. Er holte streckenweise so weit aus, dass selbst die Ausschussvorsitzende Katrin Kosub (SPD und auch Opposition) ihn mehrfach daran erinnerte, dass man im Umweltausschuss sei und er zur Sache sprechen solle.

Irgendwann kommentierte dann Werner Krone den Architektenwettbewerb zum Saladin-Eck und das Lob aus der Branche damit, dass es auch bei Experten Abhängigkeiten gebe. Und die Bürgersicht, so Krone, wie auch Leserbriefe zeigten, eine andere sei.

Diese angedeuteten Mauschleien konnte die parteiunabhängige Baudezernentin Cornelia Zuschke nicht durchgehen lassen. Ergebnisse würden nicht am Bürger vorbei erzeugt, die Verfahren seien transparent, widersprach sie deutlich.

So. Und nun? Zur Sache trug das Gefecht wenig bei. Soll ich das im Artikel nun weglassen? Helfe ich womöglich den einen, oder den anderen? Aber gesagt ist nunmal gesagt.

Leider fehlt dann der Platz, die Projekte zu nennen.

Ach ja, einen Nebensatz der Baudezernentin fand ich noch interessant, beim Projekt „Straßenbahn zur Lichtwiese“ (nicht auf der Liste, SPD-Antrag dazu von CDU, Grünen und Uffbasse abgelehnt) gehe es auch um die Ereichbarkeit des Böllenfalltorstadions. Das war für mich ein neuer Aspekt, war es in meiner Wahrnehmung bislang darum gegangen, den TU-Campus dort besser anzubinden.
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Nachholbedarf für Darmstadt? – Diskussion in der Schaderstiftung zur Bürgerbeteiligung

Wie man Bürgerbeteiligung fördern könne, war Thema des vierten Schader-Bügerforums „Stadt und Quartier“ am 8. März in der Schaderstiftung. „Das Vertrauen in die Ergebnisse des etablierten Politikbetriebs ist gesunken“, bestätigte der Soziologieprofessor Roland Roth von der Hochschule Magdeburg-Stendal. Es gebe auch erste Reaktionen, verwies er beispielhaft auf eine Demokratieenquetekommission in Rheinland-Pfalz.

„Die Bürger haben bessere Beteiligungsvoraussetzungen“, erklärte der Soziologe den über 100 Zuhörern. Bildung, neue Medien wie das Internet und andere Kindererziehungsmethoden, wirkten sich nun aus. „Heute haben wir zum großen Teil Verhandlungsfamilien.“

Potenziale abholen und Stammtischhaltung aufgeben
Roland Roth gab Hinweise, wie Beteiligung gelingen könnte. „Es muss klar sein, worum es geht und wer welche Befugnisse und Ressourcen hat“, sagte er. Beim Bürgerhaushalt in Bonn seien beispielsweise falsche Erwartungen geweckt worden, als sich herausstellte, dass tatsächlich nur Kürzungsvorschläge gesammelt werden konnten. Beteiligung müsse aufsuchend sein, wies er hin, also die Verwaltung auf die Bürger zugehen und die Potenziale abholen – und nicht warten, bis die Proteste kommen. Das baden-würtembergische Filderstadt (44.350 Einwohner) habe beispielsweise in seine Satzung geschrieben, dass ein Beteiligungsprozess initiiert werde, wenn 1000 Bürger dies wollten. Wenn die Stadt nicht interessiert sei, gründe man eben selbst einen Bürgerverein, werde aktiv und wähle beim nächsten Mal anders, empfahl der Professor. Die Bürger müssten ihrerseits auch lernen, wie Beteiligung funktioniert und ihre Stammtischhaltung aufgeben, erinnerte er. „Man muss bereit sein anderes rauszukommen, als man reingekommen ist.“

Günstige Bedingungen im Freiburger Biotop Rieselfeld
Andreas Roessler vom „BürgerInnenVerein Rieselfeld e.V.“ aus Freiburg berichtete über fast ideale Bürgerbeteiligung – in dem 1992 gegründeten Stadtteil Rieselfeld (10.500 Einwohner, 78 Hektar Bebauuung). Das Rieselfeld war vor der Bebauung ein 500 Hektar großes Biotop und ist es – nun aus soziologischer Sicht – eigentlich auch heute noch.

Freiburger Eigenheiten und die Struktur im Stadtteil begünstigen dort Beteiligung. „Bürgervereine haben in der ganzen Stadt eine große Tradition“, wies Roessler hin. „Die Vereine sind im Prinzip die Stadtteilvertretung.“ An denen – obwohl nicht gewählt – kämen Politik und Verwaltung kaum vorbei. Weiterhin wurde der Stadtteil nur 30 Prozent (geplant waren 70 Prozent) Sozialwohnungen gebaut. Eine Straßenbahnlinie und ein Schule bildeten von Anfang an die Infrastruktur. Auch der Ausbau in vier Abschnitten ließ den Stadtteil gesund wachsen. Und Sozialarbeiter sowie ein Quartierzentrum begleiteten die Entwicklung sozialer Strukturen, zählte Roessler auf. „Ohne die wäre die ganze Geschichte anderes gelaufen.“

„Darmstadt ist bei der Bürgerbeteiligung unterentwickelt“
Jürgen Luft vom Bürger- und Kerbverein aus der Heimstättensiedlung sah in der anschließenden Diskussion Nachholbedarf bei der Bürgerbeteiligung in Darmstadt. Auch bei der neuen grün-schwarzen Stadtregierung. Die Unterschriftensammlung für den Erhalt des amerikanischen Theaters (Performing Arts Center) in der Siedlung sei ignoriert und der Abriss nur verzögert worden, kritisierte er. Die Verwaltung bremse zu viel, fand ein anderer Teilnehmer. „Darmstadt ist bei der Bürgerbeteiligung unterentwickelt“, folgerte ein Bürger.

Das nächste Schader-Bürgerforum „Stadt und Quartier“ ist am 19. April, 18 Uhr. Es geht um verkehrsarme Quartiere und Lösungen mit Individualverkehr, ÖPNV und Car-Sharing.

(Zuerst erschienen im Eberstädter Lokalanzeiger und in den Bessunger Neuen Nachrichten)