Auf den letzten Drücker habe ich meine Bilanz für Grün-Schwarz in Darmstadt nochmal überarbeitet. Ich sehe es doch einiges anders als der Kollege meines Auftraggebers Echo, nutze aber auch mal den Vorteil des Internets: Man hat auch mal Platz (ja, das ist ein richtig langer Blogeintrag mit fast 10.000 Zeichen). Und mache was ganz gemeines: Ich gucke (im Text hier ganz unten) in den Koalitionsvertrag, also das was sich CDU und Grüne ganz freiwillig vorgenommen hatten. Aber so gemein ist die Idee gar nicht.
Ok, was kam zustande? Erstmal nichts: Es gibt keine Nordostumgehung und kein Museum Sander-Klotz auf der Mathildenhöhe. Dann gibt es auch nicht mehr die zwei HSE/Entega-Vorstände Meyer und Scheel, es gibt auch nicht mehr den Klinikumschef Becker. Aus meiner Sicht sind diese drei Demissionen richtig gewesen. Sie waren ein Erbe, dass der frühere OB hinterlassen hat – vermutlich ein teures Erbe, denn in der Regel sind solche Jobs Zeitverträge und ein vorzeitiger Rauswurf bedeutet nur Freistellung und nicht Vertragsende.
Die so frei gewordenen Positionen wurden nicht nach Parteibuch besetzt. Ebenso von außen gekommen sind der Kulturreferent, der Bauverein-Vorstand, der Chef der Darmstädter Sportstätten GmbH, die Baudezernentin, sowie die Leiter des Stadtplanungsamts und des Revisionsamts.
Und jetzt drehe ich es mal so, wie es einem passt: Die Besetzung der Ämter mit Externen kann auch ein Hinweis darauf sein, dass CDU und Grünen vor Ort keine passenden Kräfte mehr haben. Ich denke da nur an die Landtagswahl 2013. Da war neben der Baudezernentin Brigitte Lindscheid (jetzt Regierungspräsidentin) auch die Sozialdezernentin Barbara Akdeniz im Gespräch in die Landespolitik zu wechseln. Die Personaldecken scheinen mir dünn. Wobei dann auch diese Einsicht positiv zu sehen ist. (Nachtrag, 6. August 2018: Das mit der dünnen Personaldecke hat sich meiner Meinung nach bestätigt. Nachdem die Baustadträtin Cornelia Zuschke (die auch schon aus Fulda geholt worden war) nach Düsseldorf ging, war die Dezernentenstelle lange Zeit nicht besetzt. Und ihre Nachfolgerin Dr. Barbara Boczek wurde dannin der Schweiz gefunden. Allerdings hatte sie in Darmstadt studiert und auch eine Zeit lang ein Architekturbüro.)
Entstanden – also neu – sind zwei Fahrradstraßen und einen Eberstädter Kreisel. Es gibt zwei Stadtteilforen (Arheilgen und Eberstadt) – wie im Koalitionsvertrag angekündigt – und überhaupt Bürgerversammlungen, zur Zeit ist jedes halbe Jahr eine.
Das mit dem neuen bzw. sanierten Böllenfalltor-Stadion dauert noch etwas, inzwischen wird die Saison 2018/2019 angepeilt. Unter anderem gab es da eine Fehleinschätzung. Ein Grund, das Stadion am Bölle zu belassen war, dass man dann kein Planfeststellungsverfahren braucht, was Zeit spart. Irgendwann wurde für die Rechtssicherheit doch ein Planfeststellungsverfahren eingeleitet.
Das mit dem neuen Nordbad dauert auch noch, dabei gab es da schon Pläne unter dem Sportdezernenten Glenz (SPD, also bis 2011 im Amt). Es gab 2013 auch eine Ankündigung für ein fertiges Nordbad für das Jahr 2015. Dann aber gab es einen Architektenwettbewerb ohne Sieger und seitdem gibt es keinen Entwurf.
Der Ergebnishaushalt ist jetzt ausgeglichen. Die Gewerbesteuereinnahmen sind hoch. 2011 waren es rund 71 Millionen Euro, zur Zeit sind es drei Jahre in Folge über 160 Millionen Euro, das sind Bestwerte seit 2006. Aber bei den Rekordsteuereinnahmen, hätte der Haushaltsausgleich eigentlich früher sein können, nur sind gleichzeitig die Ausgaben gestiegen. Ein ausgeglichener Ergebnishaushalt ist inzwischen aber nicht mehr so das große Wunder. Das hessische Innenministerium macht nämlich Druck (bei allen Kommunen) und viele haben nun Haushalte, wie sie Hessische Gemeindeordnung schon immer verlangt. Außerdem ist Darmstadt unter dem Schutzschirm des Landes und da gibt es auch Auflagen – also ein weiterer starker Motivator.
Die Haushaltsstruktur wurde wie angekündigt auf Produkthaushalt umgestellt und es gibt einen Bürgerhaushalt. Über die Ergebnisse (u.a. Darmbachoffenlegung) mag man streiten, aber das Konzept steht im Koalitionsvertrag.
Dass die Grundsteuer B erhöht wurde, will CDU und Grünen nicht vorwerfen. Das wurde in vielen anderen Kommunen mit allen möglichen politischen Farbenlehren auch gemacht. Auch da macht das Land Druck, Kommunen mit defizitären Haushalten können ansonsten gezwungen werden ihre Grundsteuern auf ein überdurchschnittliches Niveau anzuheben. Dann lieber freiwillig.
Es gibt jetzt auch einen gewählten Seniorenbeirat, nachdem die Stadtregierung das 2012 eigentlich nicht wollte. Allerdings konnten zu der Wahl auch Listen der Parteien antreten, was ich für nicht so günstig halte. Denn damit ist der Beirat (offiziell “Interessenvertretung für ältere Menschen”) meiner Meinung nach anfällig für Parteipolitik. Sollte im Beirat eine Mehrheit aus Gruppen entstehen, die im Stadtparlament in der Opposition sind, könnten Parteipolitiker daraus Kapital schlagen wollen – oder eben einen Erfolg verhindern.
Der Ton unter den Parteien hat sich leider auch nicht geändert, auch wenn vor der Kommunalwahl 2011 ein „Neuer Politikstil“ versprochen worden war. Der findet selten statt, weil die Koalition trotz guter Mehrheit selten so souverän ist, die Opposition mal keifen zu lassen. Oder gute Vorschläge erstmal ablehnt, weil es nicht ihre sind. Nein, in die Schützengräben gehen ist halt viel einfacher. Leider auch für die Opposition und Bürgerinitiativen. Ein Hauch eines Fehlers und schon rennt man zur Kommunalaufsicht. Das macht es für keinen einfacher.
Jetzt könnte man sagen, der neue Stil ist für die Bürger. Nur sieht es auch da mau aus denn wenn Bürger oder Betroffene was anderes wollen und dann „Bürgerbeteiligung“ machen, dann sind die Koalitionäre eher abwesend (wie beim Zirkus Knie, der Eberstädter Bürgerwerkstatt oder eben bei der Lichtwiesenbahnbegehung mit den Gegnern.)
Nun der Blick in den Koalitionsvertrag
„Wir streben bis 2015 einen Haushalt ohne Nettoneuverschuldung an.“ Hatte nicht geklappt, 2015 wurden 42,7 Millionen Euro Schulden für Investitionen gemacht, für 2016 sind 29,2 Millionen Euro an Krediten vorgesehen.
„Wir werden das Berufsschulzentrum unter Einbeziehung des Landkreises Darmstadt-Dieburg komplett sanieren und dadurch den Berufsschulstandort Darmstadt stärken. Der seit 2006 vorliegende Berufsschulentwicklungsplan muss umgesetzt werden.“ Die Koalition schrieb es ja selbst, der Plan stammt noch aus Zeiten (2006), in denen die SPD mit den Grünen regierte. Und 69 Millionen Euro soll es kosten, wenn es mal losgeht. Montag (7.) werden die Ergebnisse eines Architektenwettbewerbs für die Mensa der Schulen am Nordbad vorgestellt.
„Wir werden das Angebot der Stadtteilbüchereien sowie des Büchereibusses erhalten.“ – Das ist nicht passiert. Die Büchereizweigstellen in Arheilgen und Bessungen wurden im Rahmen des Haushaltskonsolidierungspakets dann doch geschlossen. Achtung: Auch hier lobe ich die Koalition, damit das Trauerspiel (alle Zweigstellen zu erhalten) beendet zu haben, was immer nur kürzere Öffnungszeiten bedeutet hatte. Die verbleibenden Zweigstellen wurden durch die Bündelung so auch wieder nutzbarer.
Bei den Konversionsflächen passiert inzwischen etwas. Studenten auf Lincoln hatte die Opposition schon 2011 gefordert, das wurde damals erstmal im Parlament abgebügelt, nun wohnen dort Studierende.
„Wir werden weiterhin in regelmäßigen Abständen Bürgerbefragungen durchführen.“ – Die gibt es, wo die Bürger unter anderem zweimal das – erst nach der Wahl 2011 aufs Tapet gebrachte – neue Rathaus ablehnten.
„Wir prüfen die Einführung einer Kulturcard, um Kindern und Jugendlichen den Zugang zu Kultureinrichtungen zu erleichtern.“ – Das ist passiert, es wurde geprüft es gibt seit 2013 die „Teilhabecard“ und die funktioniert gut, wie auch die Sozialverbände sagen.
„Die Centralstation Kultur GmbH, die derzeit unter privatrechtlicher Führung steht, soll in die städtische Beteiligungsgesellschaft (Heag Holding) überführt werden.“ – Auch das wurde gemacht, die Centralstation wird zusammen mit dem Darmstadtium gemanaged.
„Im Kulturdezernat soll ein/e fachlich hoch qualifizierte/r unabhängige/r Kulturreferent/Kulturreferentin mit Koordinations- und Lenkungsaufgaben für die Entwicklung kommunaler Kulturpolitik eingesetzt werden.“ – Auch das ist passiert, 2014 wurde Ludger Hünnekens dafür geholt.
„Wir werden unverzüglich damit beginnen, im Dialog mit der Stadtgesellschaft und der Region einen „Masterplan Stadtentwicklung und Mobilität“ zu entwickeln.“ – Leider nein. Es wurde nicht unverzüglich damit angefangen – was sinnvoll gewesen wäre, da mit der Koalition klar war, dass es keine Nordostumgehung geben wird. Mit dem Verkehrsentwicklungsplan ging es aber erst im Februar 2016 los.
„Radwege bauen“ – Nun, es kamen zwei Fahrradstraßen. Das ist leider nicht dasselbe, denn Straßen können zu Fahrradstraßen erklärt werden, wenn dort überwiegend Radverkehr vorherrscht. Das heißt, eine Fahrradstraße bestätigt nur einen schon vorhandenen Zustand. Fahrradstraßen bringen aber schon was, sagte mir Thomas Grän von ADFC: Sie schaffen ein fahrradfreundliches Klima.
Beim ADFC-Fahrradklima-Test 2014 kam Darmstadt trotz der Schulnote 3,5 auf den ersten Platz der hessischen Großstädte. Dabei habe sich bei der Infrastruktur für den Radverkehr gar nicht viel getan, sagte mir Grän. Aber ein radelnder Oberbürgermeister und eben Fahrradstraßen beeinflussten auch die Stimmung, so Grän.