Journalismus: Bequem ist vorbei

Journalismus wird es weiterhin brauchen, sagt die Medienprofessorin und ehemalige „Guardian“-Redakteurin Emily Bell in einem Interview.

Aber sie warnt auch davor, so weiterzumachen wie bisher:

Journalismus war vor der Zeit des Internets zu einfach. Viel zu einfach. Die letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts waren für Verlage und Verleger eine Art Goldenes Zeitalter (…) Aber was taten die Journalisten? Immer das Gleiche. Auf einem Blatt Papier erzählten sie, was gestern passiert war. Ermüdend für alle auf die Dauer, doch bequem herzustellen. Damit ist es nun vorbei.

Und wenn das die Verlage und Verleger nicht merken, zulassen und die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dann machen es andere. Die Pferdezüchter von damals wurden ja auch nicht die Automobilproduzenten.

via Bildblog

Jeff Jarvis über Lokalberichterstattung

Jeff Jarvis in einem Focus-Interview:

„Ich denke, eine lokale Zeitung muss sich radikal verändern und sich voll und ganz auf Lokalberichterstattung im besten Sinn konzentrieren. Es gibt keinen Grund, warum sie auch den Rest der Welt beackern müssten.“

Und erhält es sogar durch Werbung im Internet für finanzierbar:

In neuen Geschäftsmodellen für Nachrichtenprojekte versorgen manche Blogger Städte mit gerade mal 60 000 Menschen, die zwischen 100 000 und 200 000 Dollar jährlich an Werbegeldern einbringen.

via Bildblog – 6 vor 9

Geht es Journalisten bald wie Musikern?

Gehen Journalisten irgendwann auch auf Tournee? Zeitungen finanzieren sich und ihre Mitarbeiter zur Zeit durch einen Einnahmemix, der von Anzeigen und Abonnenten kommt. Das Modell wankt derzeit, die Abozahlen sinken und vieles steht „im Internet“ für lau.

Und was finanziert nun den Journalisten, der versucht davon zu leben für andere Nachrichten zusammen zu sammeln, wenn es keine Abos mehr gibt und durch Internetanzeigen weniger reinkommt?

Mich erinnert die Situation und eine mögliche Antwort an die Musikindustrie seit Ende der Neunziger. CD-Absätze sanken (die Analogie zu weniger Abos) aber die Leute hatten dennoch Musik, weil sie im Radio lief und Leute sowas wie MP3s und Napster erfunden hatten. Und heute stehen Videos auf YouTube, jederzeit mehr oder weniger abruf- und auch speicherbar.

Was machen seitdem die Musiker? Sie geben mehr Konzerte, denn das Erlebnis kann man online nicht kaufen.

„Den Bands brachen daraufhin die Einnahmen weg, und der finanzielle Druck stieg, sich eine neue Geldquelle zu suchen.“
Der britische Musikprofessor und Rockkritiker Simon Frith bei SpOn

Also werden irgendwann die Leser entscheiden, welchen Schreiberling sie bevorzugen und das nicht mehr den Verlegern oder Redaktionen überlassen wollen? Werden Journalisten gegen Eintritt Lesungen ihrer besten Artikel veranstalten? Und Werbung auf ihren ihren Blogs und Nachrichtenseiten schalten?

Ich vermute: Ja.

Und heute finde ich bei Thomas Knüwer (eigentlich steht es im Guardian und bei Turi2) ein Zitat eines Greg Hadfield, bis vor kurzem ein Chef bei der Telegraph Media Group.

„The future is individual journalists, not big media.“

Ok, ich sehe meine These bestätigt – es gibt nur eine Schwierigkeit, dazu nochmal Simon Frith:

„Das betrifft nämlich nur das obere Ende von Künstlern – also U2 oder die Rolling Stones. Viele Bands spielen immer noch fast für umsonst und müssen um jeden Auftritt kämpfen.“

Möglicherweise reichen ja ein paar Edelfedern vom Schlage Stefan Niggemeiers, Hans Leyendeckers, meinetwegen auch Kai Dieckmann und der Rest wird durch Veranstaltungshinweise und Pressemitteilungen – mal von der einen interessierten Seite, dann von der anderen – abgedeckt.

Zeitungen und junge Leser

Eva Schulz (hat dieses Jahr Abitur gemacht) überlegt, wie man junge Menschen zu den Zeitungen bringen kann. Unter anderem plädiert sie für das handlichere Tabloidformat sowie gegen Katzentische und Sonderseiten:

Hurra!-Blog: Redet mit uns – nicht über uns! […] Damit diese Leser nicht ein, sondern sechs Mal die Woche zum Kiosk gehen, sollte junge Themen täglich vorkommen und über die ganze Zeitung verteilt sein. So können sie mal etwas Spannendes im Wirtschaftsteil entdecken, dann wieder im Feuilleton.[…]

[…] Stattdessen scheinen die Redaktionen zu glauben, es reiche, wenn man hin und wieder an fester Stelle über Hip Hop oder YouTube berichte. Doch das ist genau der falsche Weg, denn auf diese Weise werden junge Leser gesondert behandelt. Das ist, als würde man bei einem großen Fest an den Kindertisch gesetzt […]

Da bin ich ja froh, dass ich mit meinen 41 Jahren auf eine ähnlich Überlegung gekommen war. Genau das habe ich neulich mit meinen Eltern diskutiert. Anstelle Samstags eine Kinder- oder Jugendseite zu bringen, müsste täglich was drin sein. Und die Zeitung zudem am Frühstückstisch so aufteilbar sein, dass jeder ein Stück bekommen kann, was ihn interessiert.

Wenn die Stadt eine Uni hat, sollte auch für die Studierenden was drin sein. Was funktionieren müsste. Schließlich gibt doch kostenlose, anzeigenfinanzierte Studentenblättchen, und die Unis füllen ganze Blätter mit ihren internen Mitteilungen. Auch gibt es immer mal wieder Reibungen in den Uni-Gremien, die man nicht in einer wöchentlichen Kolumne abhandeln kann. Ich denke, da gibt es genug Themen für junge und jugendliche Leser, die nur täglich vorhanden sein müssten.

Aber irgendwie frage ich mich, warum da nicht die Verleger drauf kommen? Oder gibt es Hinweise und Erfahrungen, dass das nicht funktioniert?

„In Deutschland werden die besten Zeitungen der Welt gemacht“

Aus einer Pressemitteilung des Bundes deutscher Zeitungsverleger:

Im Prozess des Wandels vom reinen Zeitungsdruck- zum komplexen Medi­enhaus treffe die allgemeine Wirtschaftskrise die Verlage mit voller Härte, sagte Wolff. Dennoch hätten die Unternehmen beste Voraussetzungen, stark aus der Krise hervorzugehen. […] Anders als in den USA seien die Zeitungen in Deutschland sehr gut aufgestellt. Ein Grund sei die enge Bindung zu ihrem Publikum, die im Lokalen besonders ausgeprägt sei. Dazu gehöre außerdem ein Vertriebssystem, das mit der Zeitungszustellung bis zur Haustür weltweit beispielhaft sei. In Deutschland würden die besten Zeitungen der Welt gemacht und im Unterschied zu den USA und vielen anderen Ländern gelte hier nicht der ausschließlich renditeorientierte Shareholder value. Die deutsche Zeitungs­branche sei mittelständisch geprägt. An der Spitze stünden Verleger mit publizistischem und unternehmerischem Anspruch.