Ein Blick auf den Lokalteil

Einen Blick auf den Lokaljournalismus wirft der Kollege Paul-Josef Raue von der Thüringer Allgemeinen (ich hätte vieles zitieren wollen, aber das geht nunmal nicht):

Zu Schnibbens (“Spiegel”) Medien-Tsunami: Lokalzeitungen können überleben – nur wie? – Ich sehe eine ganz andere Gefahr im Lokalen. Wer schaut, was in den Online-Auftritten der Lokalzeitungen geklickt wird, entdeckt vorne durchweg Blaulicht-Geschichten. Der Hase, der überfahren wird, interessiert mehr als der Bericht aus dem Stadtrat. Daran ist nicht der Hase schuld, sondern die Redaktion – die aus dem Stadtrat nicht so aufregend berichtet, nicht tief genug recherchiert und vom Geschichten-Erzählen nur hört, wenn skurrile  Kollegen auf “Storytelling”-Seminare gehen.

Oder dass man in den 80ern stehen geblieben sei, oder manche hofften das noch bis zur Rente heimzuschaukeln …
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K wie „kinderleicht“

Schreiben im Lokalteil bedeutet die drei K: Kaninchenzüchter, Karneval und Kommunalpolitik. Alles klar.

Nur ein Stück wie diese wunderbare Reisereportage über südafrikanische Weingüter will wohlüberlegt sein – nein, nicht weil es Wein und nicht Kein heißt. Nein, auch nicht, weil es hier keine Weingüter gibt, nein … Ach, erstmal was zum lesen:

FAZ: Weine aus Stellenbosch – Vergesst den Spatzendreck! – Das erste Weingut, das wir besuchen, heißt Delaire-Graff. Gut, dass es dransteht, man hätte es sonst nicht geglaubt. (…) An übermannshohen Gasfackeln flackern ewige Flammen sinnlos in den hellen Vormittag, dahinter der architektonisch ambitionierte Eingang in etwas, was auch bestens als Museum für moderne Kunst funktionieren würde, stünden nicht ab und an ein paar Flaschen in Wandnischen und erinnerten an den Zweck des Baus. (…) sichtlich patinierte Holzplanken, die uns alle paar Meter ins Gedächtnis rufen, dass es nicht um die monströsen Fauvisten geht, (…) sondern schließlich und endlich um vergorene Trauben.

Kaninchenzüchter sind auch Karnevalisten und Kommunalpolitiker. Oder Kleinunternehmer. Oder umgekehrt. Oder alles gleichzeitig. Lokalteil bedeutet nämlich: „Man sieht sich zwei drei vier fünf Mal im Leben dauernd.“

Und da muss man sich ab und an mal eben entscheiden, was auszuhalten.

Krisenkommunikation ist auch wichtig für Vereine

Manche Geschichten laufen auch mal im Lokalen anders als man denkt. Da verkündet ein Verein einschneidende Kürzungen und Kostensteigerungen, weil ausdrücklich die Stadt ihre freiwilligen Zuschüsse gekürzt habe. Ein gutes Beispiel, dachte, ich als mir der Brief in die Hände fiel, da kann man zeigen wie die Kürzungen von Seiten der Stadt nun wirken.

Da mir ein oder zwei Maßnahmen doch fragwürdig erschienen, fragte ich beim Verein nach. Der sagte aber, er sagt nichts zu seinem Brief. Ich betonte, dass ich den habe, aber das war egal. Das war vor einer Woche.

Gut, dachte ich, Brief umformulieren und in einen Artikel umgießen, ist zu wenig, außerdem wollte ich wissen, wie hoch denn die Kürzungen sind, wenn man sogar daran denkt Reparaturen und Reinigungen aufzuschieben. Also fragte ich bei der Stadt nach.

Schließlich brauchte ich Antworten. Und gerade wenn man nach Volumen bezahlt wird, freue ich mich über jeden, der mir etwas liefert. Abgesehen davon, dass ohne Artikel ein Teil der Seite im Blatt weiß bleiben würde.

Und dann sagt die Stadt in Form des Sozialdezerneten, dass sie bei dieser Bessunger Einrichtung nichts gekürzt habe. Ha. Überraschung. Alles anders.

Was mich nun wundert: Spätestens nachdem ich den Verein gefragt hatte, hätte doch klar sein müssen, dass da ein Artikel kommt.

Und dass an dem Tag, dann die Vereinsstory „Wir müssen umstrukturieren und abbauen, weil es von der Stadt weniger Zuschuss gibt“ auffliegt. Denn auch „die bei der Stadt“ lesen die Zeitung und werden nachfragen, was da los ist.

Angesichts dieser Aussichten, dann aber trotz meiner Nachfragen zu schweigen und nicht wenigstens behaupten, man habe sich geirrt, wundert mich dann doch. Denn jetzt sieht das doch noch seltsamer aus.

Und das vor dem Hintergrund, dass ich Nutzer der Vereinsräume kenne, die die Kostensteigerung (20 Prozent bei den Raummieten) auch einfach hingenommen hätten.