„Darmstädter, 98er, Jude“ – Der SV 98-Vorsitzende Karl Heß

Der Förderverein Liberale Synagoge und der SV Darmstadt 98 stellten im Staatsarchiv den ehemaligen SV 98-Vorsitzenden Karl Heß vor, der 1933 vor der NS-Diktatur erst nach Frankreich und dann nach Brasilien floh.

Echo online: „Und dann merkte ich, der Rechtsanwalt Karl Heß war ja noch was anderes.“ – Das sagte Martin Frenzel vom Förderverein Liberale Synagoge, als er bei Recherchen zu Rechtsanwälten auf Karl Heß stieß.

Die Familie Heß hatte vor 1933 im Fiedlerweg 1 gewohnt. Heß‘ Kanzlei könnte laut der Nachfahren an der Ecke Wilheminen- und Hügelstraße gewesen sein. Seine Ehefrau hatte den Mädchennamen Ranis, sie stammte aus Groß-Zimmern. Friedas Bruder Max Ranis war Karl Heß‘ Sozietätspartner. An die Familie Ranis erinnern seit diesem Jahr .

Einige Mitglieder der Familie Ranis konnten fliehen, darunter war auch Frieda (geb. Ranis), die 1933 mit ihrem Mann Karl Heß Deutschland verlassen konnte. Karl Heß war von 1928 bis 1933 Vorsitzender (entspricht dem heutigen Präsidenten) des SV Darmstadt 98.

Als ich in meine alten Artikel guckte, stellte ich fest, dass der Name Karl Heß mir auch schonmal begegnet war, das war 2009 bei einem Zeitzeugengespräch.

Dass Karl Heß, der letzte SV Darmstadt 98-Präsident vor 1933, gehen musste weil er jüdischen Glaubens war, habe er so nicht mitbekommen, [sagte ehemaliger SV 98-Spieler, der 1933 13 Jahre alt war]. „Schwer vorstellbar“, fand das ein Zuhörer, aber Kretzschmar beharrte darauf, als junger Sportler habe er das nicht mitbekommen. Von der Judenverfolgung und den KZ, habe er erst in englischer Kriegsgefangenschaft erfahren.

Bei den Lilien war er nicht vergessen, wie eine Erinnerung an den 110. Geburtstag 2010 zeigt. Oder ein Artikel aus der SV 98-Mitgliederzeitung von 2009, von dem auch die Überschrift oben im Blogeintrag stammt. Da wurde auch genauer auf Heß‘ Überlegungen zu „Spesenamateuren“ eingegangen:

Dokumentiert im Uffbasse-Blog vom 28. Oktober 2009: Darmstädter , 98er, Jude – Als Vorsitzender des SV98 beschäftigte sich Dr. Heß vor allem mit einer Frage, die den Verein jahrzehntelang begleiten sollte: Bezahlter Sport ja oder nein. (…) Seine damalige Forderung: Eine klare Trennung im sportlichen Wettbewerb zwischen den Vereinen mit “Spesenamateuren” zu denen mit “reinen” Amateuren. Nur so sei der sportlichen Wettbewerbsverzerrung Einhalt geboten. Eine Problematik, die uns heute nur zu bekannt vorkommt, wenn es um die Frage geht, ob man nicht, um Wettbewerbsverzerrung zu verhindern, die Zweitvertretungen der Profiklubs aus der 3. und 4. Liga entfernen sollte.

Förderverein Liberale Synagoge startet ins Erinnerungsarbeitsjahr 2016

(PM FLS) Der Förderverein Liberale Synagoge (FLS) hat 2016 zwei zentrale Projekte: Das 140 Jahre Liberale Synagoge-Jubiläum und das Karl Heß-Projekt. Karl Heß war Vorsitzender des SV 98, musste aber vor den Nazis nach Frankreich und später nach Brasilien fliehen.

Der FLS wird das ganze Jahr über mit Veranstaltungen an den runden Geburtstag der Liberalen Synagoge erinnern – das Jüdische Gotteshaus feiert 2016 seinen 140. Geburtstag.
Die Liberale Synagoge, ein eindrucksvoll-prachtvoller Sakral- und Monumentalbau von 24 Metern Höhe, der die Dächer Darmstadts überragte, war am 23. Februar 1876, vor genau 140 Jahren, im Beisein der versammelten Stadt und großherzoglichen Landesprominenz eröffnet worden. Erbaut wurde sie durch den Stadtbaumeister Eduard Köhler, vor allem von dessen Assistenten Stephan Braden. „Diese Liberale Synagoge war, wie es damals hieß, eine ‚Zierde unserer Stadt‘, gehörte bis zur Zerstörung im November 1938 während der Darmstädter Novemberpogrome zu den bedeutenden Wahrzeichen unserer Stadt“, erklärt der Vorsitzende des Fördervereins Liberale Synagoge, Martin Frenzel.

Zum 140. Geburtstag am Dienstag 23. Februar, 14.30 Uhr, wird der Förderverein Liberale Synagoge gleich in zweifacher Weise an die Geschichte des verschwundenen, heute vergessenen Gotteshauses an der Friedrich-/Fuchsstr. erinnern: Zum einen wird es – wie jedes Jahr seit Gründung des Vereins im Januar 2011 – einen kostenlosen Spezial-Rundgang „140 Jahre Liberale Synagoge Darmstadt. Auf den Spuren des Jüdischen Darmstadts und eines NS-Verbrechens“ in der Gedenkstätte Liberale Synagoge Klinikumsgelände geben.

Am gleichen Tag wird es abends um 19.30 Uhr einen Bildvortrag des Fördervereins Liberale Synagoge im Rüdiger Breuer-Saal der Jüdischen Gemeinde (Wilhelm-Glässing-Str.) geben: Dort erinnert der Historiker und Buchautor Martin Frenzel an das Gotteshaus. Titel des Vortrags: „Eine Zierde unserer Stadt. 140 Jahre Liberale Synagoge (1876 – 1938 – 2003)“. Der Vortrag schlägt einen Bogen von der Einweihung vor 140 Jahren 1876 durch den Großherzoglichen Rabbiner Dr. Julius Landsberger über die Schändung und Zerstörung des Sakralbaus während der NS-Novemberpogrome 1938 bis zur scheinbar wundersamen Wiederkehr der Fragmente des Gotteshauses im Oktober 2003, vor dreizehn Jahren. Weiterlesen