Schüsse auf den Kopf der Freundin – Prozessbeginn vor dem Landgericht Hanau

Ich war heute im Landgericht Hanau. Irgendwie sieht das Gebäude dem Alten Darmstädter Landgericht ähnlich finde ich. Aber in Hanau gibt es Presseplätze. Mit Tisch.

sueddeutsche.de (dpa): Freundin in Kopf geschossen: Angeklagter schweigt vorm Landgericht Hanau

Der Fall gehört wahrscheinlich zu einem leider häufigen Gewaltmuster von Männern gegenüber ihren Partnerinnen. Eine Eskalationsabfolge, die mit Kontrolle beginnt, mit Gewalt weitergeht und einer getöteten Frau endet. Ich sehe da auch nicht, dass das mit der Herkunft zu tun hat. Als ich die Fallbeschreibung las, kam mir nicht der Gedanke, dass der Mann kein Deutscher ist.

spiegel.de: Vom Liebesschwur zum Mord – wie Risikobeziehungen eskalieren – Eine britische Forscherin geht davon aus, dass es Männer gibt, die aus Angst vor Kontrollverlust am Ende sogar morden – aber das es erkennbare Eskalationsstufen gibt.

Nur ist das meiner Meinung nach keine Verschwörung unter Männern (weswegen mir der Begriff Femizid nicht gefällt, weil er ähnlich wie Genozid klingt, wozu aber auch die von Deutschen in der NS-Zeit durchgeplanten Massenmorde gehören), sondern jedes Mal eine einzelne, für die Frau fatale Entwicklung.

Ich weiß nur nicht, wie man da vorher ansetzen kann. In die Schulen gehen und den jugendlichen Jungs sagen, dass sie aufpassen müssen, dass sie nicht zu Tätern werden, weil sie eventuell nicht damit zurecht kommen, dass eine Freundin sie irgendwann – warum und unter welchen Umständen auch immer – verlassen hat?

Nachtrag: Aber es gibt natürlich auch Männer, die sich in Internetforen treffen und dort ihren Hass auf Frauen kultivieren und Verbrechen besprechen. Dass ist dann schon die Verschwörung.

Nachtrag II: Der Fall wurde 2020 dann nicht weiterverhandelt, erst wegen einer Erkrankung, dann wegen der Pandemie. Im Februar 2021 wurde das Verfahren neu gestartet und ist inzwischen auch weiter gekommen.

Großostheimer wegen versuchten Mord und Körperverletzungen vor Gericht

Eine Frau wacht auf. Weil ihr Ex-Freund auf ihr sitzt und sie würgt. Aber sie kann ihm noch zeigen, dass die den Schmuck trägt, den er ihr mal geschenkt hatte. Daraufhin lässt er ab. Soweit die Anklage der Staatsanwaltschaft.

„Ich glaube, dass er besitzen möchte“, sagt sie im Darmstädter Landgericht, als der Vorsitzende Richter sie fragt, ob der Angeklagte aus Großostheim sie geliebt habe.

Der Angeklagte schildert den Würgeangriff etwas anders. Er habe seine Hand auf die Brust der Frau gelegt, um sie aufzuwecken.

Seit vergangener Woche steht der Mann, der alkoholabhängig ist, vor dem Landgericht. Ihm werden zwei Körperverletzungen an der Breubergerin und ein versuchter Mord an einem Taxifahrer vorgeworfen. Den Taxifahrer attackierte der Angeklagte, als er – nachts um 0.40 Uhr – zu der Breubergerin wollte. Und wir wissen nicht, was dort passiert wäre, wenn er angekommen wäre.

Echo online: „Betrunken wurde er zur Bestie“ (€)

Echo online, 26.10.2019: Steuerungsfähig trotz Alkohols (€)

Echo online, 24.10.2019: Mit Gewalt zurück zur Ex-Freundin (€)

Echo online, 23.10.2019: Alkohol und Medikamente machen Angeklagten aggressiv (€)

Echo online, 17.10.2019: Versuchter Mord, Körperverletzungen und Bedrohungen angeklagt (€)

Zwölf Jahre Haft nach acht Jahren auf der Flucht

OP-Online (dpa): Zwölf Jahre Haft nach Mordversuch in Offenbach

Die Verletzungen stammten nach dem rechtsmedizinischen Gutachten von einem großen Messer, beispielweise einer Machete, da auch Knochen gebrochen waren. Der Angeklagte hatte von einem Klappmesser gesprochen und erklärt, vorher insgesamt etwa einen Liter Wodka und Whiskey getrunken zu haben.

Dazu sagte selbst die Verteidigerin: „Im Rahmen einer Einlassung wird das Tatwerkzeug immer kleiner und die getrunkene Alkoholmenge immer größer.“

Und der Rechtsmediziner, der ausgerechnet hatte, dass der Angeklagte auf 2,8 bis 4,4 Promille gehabt haben muss, sagte: „Diese Trinkmenge kriegen sie eigentlich nur als Schwerstalkoholiker rein.“ Der Alkohol spielte auch keine große Rolle beim Urteil.

Der Angeklagte war nach der Tat im Jahr 2009 geflohen und Ende 2017 bei der Einreise nach Deutschland festgenommen worden.

K.o.-Tropfen-Einsatz war versuchter Mord?

Die Justizia auf dem Darmstädter Justizzentrum am Mathildenplatz.


Da war doch tatsächlich im Pressehinweis ein Fehler: Ein 46 Jahre alter Mann aus Bensheim ist wegen versuchten Mordes angeklagt, weil er im Mai zwei Frauen mit K.o.-Tropfen betäubt hatte. Im Pressehinweis stand versuchter Totschlag. Das klang ja nachvollziehbar, K.o.-Tropfen betäuben ja auch – aber versuchter Mord?

K.o.-Tropfen als Tatmittel lassen ja einen erstmal an sexuellen Missbrauch denken (§177 StGB, Absatz 3.2, Mindesstrafe drei Jahre) und darum ging es ja auch. Aber die Staatsanwaltschaft sah auch die Dosierung kritisch. Der Angeklagte hatte den beiden Frauen zuviel von dem Zeug heimlich ins Bier geschüttet.

Jedenfalls zuviel, um erst zu enthemmen, die Frauen wurden recht schnell ohnmächtig. Und bewusstlose Menschen sind gefährdet. Sie können beispielsweise erbrechen und daran ersticken. Das bezoge die Staatsanwaltschaft in ihre Überlegungen mit ein. Und so kam sie auf versuchten Mord. Denn zwei Mordmerkmale Heimtücke (K.o.-Tropfen) und Befriedigung des Sexualtriebs (§211 StGB) waren aus ihrer Sicht erfüllt. Und dann noch die Frauen bewusstlos auf der Straße abladen ohne für Hilfe zu sorgen.

Echo online: Frauen mit K.o.-Tropfen fast getötet – Anklage fordert neun Jahre Haft

Allerdings kann man den Fall auch der sexuelle Nötigung sehen und der Einsatz der K.o.-Tropfen kann wegen der „in die Gefahr des Todes“ bringen mindestens fünf Jahre bedeuten. Oder drei Jahre, wenn man die K.o.Tropfen als „Werkzeug oder Mittel“ sieht den Widerstand einer Person zu überwinden.

Und deswegen ist das mit einem Urteil auch nicht so einfach.