Wer für einen NSU-Untersuchungsausschuss ist, schadet seiner Fraktion?

In Hamburg haben SPD und Grüne einen Antrag zu einem NSU-Untersuchungsausschuss abgelehnt. In dem Bundesland war 2001 Süleyman Taşköprü vom NSU ermordet worden. Aber es gab nie einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Die Grünen-Bürgerschaftsabgeordnete Miriam Block hat nun diese Woche für den Untersuchungsausschuss gestimmt und nun scheint es so zu sein, dass sie von ihrer Fraktion dafür „bestraft“ werden soll.

taz: Abgestraft für Integrität

Vorab: Viele Grüne, die das jetzt lesen, werden wenig darauf geben, da sie davon ausgehen, dass das Krokodilstränen von einem sind, der sie eh nicht wählt. Naja, Selbstgerechtigkeit ist die am einfachsten zu schaffende Gerechtigkeit.

Jetzt inhaltlich: „Ein Sprecher der Grünen sagte, Block habe mit ihrem Verhalten rund um die Abstimmung erheblichen Schaden für die Fraktion in Kauf genommen.“ Wenn das die Hamburger Grünen wirklich glauben, haben sie ein Problem.

Jede Partei sollte laufend prüfen, ob ihre aktuelle Position auch ihre Position wäre, wenn sie in der Opposition bzw. in Regierung sitzt. Das sollte eigentlich immer gleich sein. Wenn nicht wird es irgendwann beliebig. Und das merken die Wählerinnen und Wähler.

Und jetzt der Fun Fact: Frau Block ist voll auf Parteilinie. 2021 beschloss eine Landesmitgliederversammlung – weil es in Hamburg bislang keinen NSU-Untersuchungsausschuss gab – folgendes (PDF):

Die Fragen liegen auf dem Tisch – die Antworten in nicht öffentlichen, hoffentlich noch nicht geschredderten Akten sowie bei Zeug*innen. Es gibt ein politisches Instrument, das Zeugenvorladungen, Zeugenaussagen und Einsicht in nicht öffentliche Akten ermöglicht: Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss. Dies haben wir bereits 2015 und 2020 versucht und konnten unseren Koalitionspartner leider nicht für dieses wichtige Anliegen gewinnen. Das sollte uns aber nicht davon abhalten, bei der parlamentarischen Arbeit und Aufklärung weiterhin dafür zu kämpfen (…)

Und jetzt wird mit Nachdruck die Bestrafung eines Fraktionsmitglieds verfolgt, das in einer basisdemokratischen Partei für einen Mitgliederbeschluss eintritt?

Nachtrag: Was durch die Aktionen der Grünen-Fraktionsführung natürlich untergeht ist die Frage, warum die Hamburger SPD partout keinen Untersuchungsausschuss will. Mal gucken: Der NSU-Mord in Hamburg war am 27. Juni 2001. Innensenator war damals Olaf Scholz (SPD). Weil sein Parteifreund Hartmuth Wrocklage am 28. Mai 2001 zurückgetreten war. Olaf Scholz blieb aber nur bis zum 31. Oktober 2001 im Amt, da dann eine Koalition aus CDU und Schill-Partei in Hamburg die Regierung übernahm.

Und schon gerät man in den Ruf einen Verschwörungsmythos zu basteln.

Nachtrag 29.4.2023: Spiegeljournalisten sind der Sache nachgegangen und bestätigen das, was ich vermutet habe. Die Hamburger SPD will keinen Untersuchungsausschuss.

(€) Spiegel: Eine Regierung am seidenen Faden – „Hätten mehrere Grünenabgeordnete mit dem Linken-Antrag gestimmt, hätten die Sozialdemokraten sicherlich den Stecker gezogen“, heißt es aus grünen Senatskreisen. Die Sozialdemokraten in Hamburg sind in der komfortablen Lage, sofort mit der CDU regieren zu können. Die Union ist im Stadtstaat drittstärkste Kraft.

Das spricht nicht gerade für die Hamburger SPD, die ja schon Schwierigkeiten wegen der Warburg-Bank hat.

Aber, die SPD sollte gewaltig aufpassen, denn mit solchen Nummern wie in Hamburg könnte das passieren, was hier in Darmstadt passiert ist: Hier fühlten sich die Grünen von der SPD wegen einer Umgehungsstraße erpresst. Und nach der nächsten Kommunalwahl koalierten sie lieber mit der CDU als Juniorpartner (die wiederrum so dankbar ist fürs Mitregieren, dass sie kaum auffällt).