Nochmal 2011 zum Vergleich: Mein Kommentar nach den ersten 100 Tagen grün-schwarz

Der am 20. Mai 2011 auf dem Hofgut Oberfeld unterschriebene Koalitionsvertrag.
Dass er in einer Stofftasche der Grünen steckt, ist vielleicht ein Hinweis, wer da wen in die Tasche gesteckt hat.

Im September 2011 schrieb ich für die Bessunger Neuen Nachrichten ein erstes Fazit nach 100 Tagen grün-schwarze Koalition, ja, ich war da schon etwas enttäuscht. Nebenbei: Damals kam dann ein Leserbrief, der sich einen ausgewogeneren Kommentar gewünscht hätte. (Nur ist es eben das Wesen eines Kommentars, auch einseitig sein zu können.)

Und so ganz lag ich damals wohl nicht falsch, denn beim Blog Darmundestat kam man am 2. Januar 2016 im Rückblick ja auf ähnliches:

Vor allem in der ersten Hälfte der Legislaturperiode scheinen so ein paar Grüne von dem großen Erfolg so berauscht gewesen zu sein, dass sie sich aufgeführt haben wie der Elefant im parlamentarischen Porzellanladen.

100 Tage grün-schwarzes Darmstadt – Ein Kommentar
Bei einer Wahl können die Bürger „weiter so“ oder „weg mit denen“ sagen. In Darmstadt war es eine Wahl zwischen zwischen fortgesetzter Routineschlamperei oder Anfängerfehlern. Die SPD-Stadträte gingen einiges sehr locker an und die oppositionelle CDU hatte seit Jahrzehnten keinen hauptamtlichen Dezernenten.

Mit Grün-Schwarz gab es zum Start nun Routineschlamperei plus Anfängerfehler. Die Stadtregierung traf sich zur Haushaltsklausur. Und der neue Kämmerer verkündete die Grundsteuer um 21 Prozent anzuheben, tatsächlich waren es aber 24,3 Prozent. Die Idee ein neues Rathaus auf der Knell zu bauen, war ein weiteres gemeinsames Klausurergebnis. Das man beerdigte, weil man vergessen hatte, dass auf der Knell ja gar kein Platz ist und das Gelände wegen der Seveso 2-Richtlinie sowieso nur eingeschränkt nutzbar ist.

Der alte Politikstil muss zu Ende gehen“, war im Wahlkampf von Jochen Partsch gefordert worden, aber das nur in Teilen zu sehen. Man stürzte die Kassen und verkündete, dass die Lage ganz schlimm sei – ein guter Brauch, seit es Regierungswechsel auf der Welt gibt. Auch ein guter Brauch ist, nicht gewusst zu haben, dass die Kassen so leer sind. Nur haben die Grünen seit 1996 mitregiert.

Neuen Politikstil zeigte OB Jochen Partsch schließlich an seinem ersten Amtstag. Er verhängte einen Abrissstopp für das Amerikanische Theater (Performing Arts Center) in der Heimstättensiedlung, nachdem er mit einer Bürgerinitiative gesprochen hatte. Die Woche zuvor hatten Grüne und CDU im Parlament einen ähnlichen Antrag der Linkspartei mit Mehrheit stumpf abgelehnt. Dabei hätte man ja – im Sinnes eines neuen Stils – den Antrag in den Ausschuss überweisen können. Oder signalisieren, dass der OB an einer Lösung arbeite, man aber etwas Zeit brauche. Es gibt im Parlament mehr als Ja oder Nein.

Schließlich wurde das Gebäude wegen maroder Bausubstanz – was dem Vernehmen nach von Anfang an klar war – doch abgerissen. War also alles nur „amerikanisches Theater“ um einen Amtsantritt mit Schlagzeile zu haben?

Neuer Politikstil war es auch nicht bei der nun zusätzlichen Referentenstelle im Baudezernat auf frühere Personalbesetzungen zu verweisen. Warum zählte man nicht einfach die Gründe auf und ließ es dabei bewenden? Stattdessen wurde nachgetreten und an die damals vier neuen Mitarbeiter bei Walter Hoffmann erinnert. Das ist kein neuer Politikstil. Auf die anderen zeigen um eigenes Handeln zu rechtfertigen ist so alt, dass es sogar das lateinische „Tu quoque“ („Du auch“) dafür gibt.

Darmstadt ist auf jeden Euro angewiesen. Im Mai 2010 sagte der – damals oppositionelle – Kämmerer Schellenberg in einen Interview, dass die Stadt ihre Außenstände besser eintreiben müsse, da sie dort jährlich Millionen Euro verlöre. Auf eine halbe Million Euro hat grün-schwarz gleich verzichtet, ohne das Schellenberg dazwischen ging. Man erließ dem SV 98 rund 500.000 Euro. Man kann das unterschiedlich bewerten und diskutieren, aber das Signal war: Gespart wird später. Was man irgendwie von früher kennt.

Fazit: Die neue Stadtregierung sollte den „neuen Politikstil“ nun auch mal präsentieren. Die Bürgerversammlung zum Stadthaushalt am 28. November wäre ein Anfang. Ansonsten wird man bei der Kommunalwahl 2016 feststellen: „Das war ja dasselbe in grün.“