Kraut von Rüben sortiert – Krautreporter durchgezählt

Ein Tortendiagramm. 35 Krautreporter haben bislang 125 Texte veröffentlicht. Die meisten sind von Tilo Jung.

35 Krautreporter haben bislang 125 Texte veröffentlicht. Die meisten sind von Tilo Jung.

Ich habe mal die Texte auf Krautreporter (KR) durchgezählt. Insgesamt 47 Autorinnen und Autoren sind aufgeführt, davon haben 35 bislang bislang 125 Artikel veröffentlicht. Wer – wie ich – gehofft hatte, Artikel von Jens Weinreich, Richard Gutjahr oder Thomas Wiegold zu lesen, der hat von denen insgesamt fünf Artikel gefunden. Dafür 19 von Tilo Jung. Und zwischen je einem und neun von anderen Kollegen. (Ich habe mich da hoffentlich nicht verzählt, aber es geht um die Größenordnungen.)

Insgesamt sind es vom 24. Oktober (offizieller Start, nachdem am 13. Juni klar war, dass genug Crowd gefunded hatte) bis 3. Januar 2015 125 Texte, 12,5 die Woche, 2,7 pro Autor. Wenn man nur die Aktiven zählt, sind es 3,6 Texte pro Autor.

Meine Meinung: Schlechte Recherche bei zu vielen Texten. Und den Rest finde ich größtenteils langweilig. Gut, das mit dem langweilig kann passieren und ist auch eher mein Geschmack. Ich hatte mir eben mehr Beiträge von Jens Weinreich (bislang Null), Richard Gutjahr (zwei) oder Thomas Wiegold (drei) erwartet. Und bei den Stücken, die ich mal gelesen habe (nicht viele, wie gesagt, mir zu langweilig), habe ich bei zu vielen den Eindruck, dass die auch genauso gut in den Blogs der Autorinnen und Autoren hätten stehen können.

Richtig gut fand ich nur die Artikel von Hanno Charisius. Da wurde Biotechnologie und Forschungspfusch ordentlich beleuchtet. Leider gibt es nur drei.

Die meisten Stücke sind von Tilo Jung. Bislang 19. Jung macht das Interviewformat „Jung & Naiv“. Da können die Interviewten so ziemlich alles und unwidersprochen erzählen. Man könnte auch sagen, sie haben die Gelegenheit, sich um Kopf und Kragen zu reden. So weit so gut.

Was mich da aber ganz gewaltig stört: Ich vermisse das, weswegen ich Krautreporter damals mit 60 Euro unterstützt habe. Recherche. Gerade weil KR dank uns Unterstützern nicht auf hohe Klickzahlen und schnell drehende Geschichten angewiesen ist (und weil auch nicht regelmäßig Papier bedruckt werden muss) und auch keine Werbekunden mit Anzeigenentzug drohen können, könnte man Geschichten bringen, die wasserdicht und gegenrecherchiert sind.

Zumal haben es die KR auch selbst zugesagt:

Es wird ein Korrektorat und einen Faktencheck geben

Das war eine der Ankündigungen während der Fundingphase. Und genau das passiert bei „Jung & naiv“ nicht. Nur erwarte ich das aber, wenn es unter der Marke „Krautreporter – Der Online-Journalismus ist kaputt. Wir kriegen das wieder hin“ läuft; da erwarte ich, dass die Aussagen und Behauptungen der Interviewten überprüft werden und dass dann in den Randbemerkungen bestätigt oder negiert wird.

Warum geht das nicht? Es ist doch kein Zeitdruck da. Die ganzen Interviews aus Israel und Palästina erschienen, nachdem die größten Kampfhandlungen vorbei waren. Auch bei anderen Interviews werden fröhlich Dinge behauptet, deren Wahrheitsgehalt dann der Leser hinterherrecherchieren darf, wenn er sich wundert. Und kann das dann in den Kommentaren oder den Marginalien anmerken.

Nettes Konzept zur Leserbindung, nur: Randbemerkungen schreiben und kommentieren dürfen nur die Abonnenten. Das sind aber die, die die Krautreporter bezahlen. Wofür bezahle ich denn, wenn doch die Ansagen neben „Es wird ein Korrektorat und einen Faktencheck geben“ auch „Recherche, Reportage, Analyse“ waren? Wofür bekommen die KR ihr Geld? Fürs Mikrofonhalten? Sorry, das ist dann nichts anderes als heute die Pressemitteilung der einen Seite zu drucken und morgen die Reaktion der anderen. (Ein Konzept, wegen dem Tageszeitungen – zu Recht – kritisiert werden, nur haben die einen Redaktionschluss, weil die nunmal buchstäblich die „Presse“ sind und irgendwann die Rotation anlaufen muss.)

Eins zu Eins steile Thesen durchschalten ist für mich nunmal keine Analyse und kein Faktencheck. Und das bei den Texten, die KR zur Zeit prägen, denn „Jung & naiv“ stellt nunmal relativ die meisten Texte.

EIn Balkendiagramm. 47 Autorinnen und Autoren werden auf KR genannt, ein Dutzend hat bislang nichts veröffentlicht.

47 Autorinnen und Autoren werden auf KR genannt, ein Dutzend hat bislang nichts veröffentlicht.

Vieelicht habe ich ja zuviel erwartet, aber vielleicht ist KR halt nur eine gut verpackte Idee einiger hauptstadtbasierter Journalisten. Was meine ich damit? Ich hole mal etwas aus.

EIn erster schaler Eindruck entstand bei mir in der Endphase des Funding-Zeitraums. Da wurde am 6. Juni eher spontan zu einer Party eingeladen. Was ich zunächst planlos fand:

zeitsturmradler.de: Eine Orga wie Kraut und Rüben – Gerade kam eine BBQ Einladung an die Unterstützer rein. Nach Berlin. Vor drei Wochen startet das Projekt, jetzt kommt – mit vier (4!) Tagen Vorlauf – eine Einladung nach Berlin. Hauptstadt, aber zentral ist anders. Und für einen Dienstag, ein Arbeitstag. Der Feiertag Pfingstmontag ist einen Tag vorher. So eine Feier kündigt man mit Aktionsbeginn an, wenn man es ernst meint.

Inzwischen wirkt das Projekt auf mich immer mehr wie ein geniales Konzept, für ein Jahr Honorare durch Crowdfunding abzugreifen und dafür irgendwelche Geschichten zu liefern – die eigentlich nebenbei sowieso anfallen, die aber eher keiner kaufen würde (weil eben langweilig und nicht gegenrecherchiert) und die man ansonsten wohl nur kostenlos verbloggen hätte können/müssen. (Ich war vor zehn Jahren in einem Kooperationsprojekt einer Agentur und einer Uni-Arbeitsgruppe. Beide Seiten sollten Fachartikel liefern, aber wer das Ding am Laufen hielt war die Agentur. Der AG-Leiter an der Uni finanzierte mit dem bequem erlangten Geld zwei wissenschaftliche Mitarbeiterinnen, die eher sporadisch Texte ablieferten und hauptsächlich dem Prof zuarbeiteten.)


Nachtrag: In den Kommentaren wird erklärt, dass die Reporter bei KR inzwischen pro Artikel bezahlt werden und nicht mehr pauschal pro Monat. Das beeinflusst womöglich die Arbeitsweise: Bezahlung und ihre Anreize

Und am 14. Januar sagte Frau Meike: „Krautreporter wir müssen reden“, sie ist auf der Suche nach der Relevanz.

Nachtrag: Da es hier wegen der DSGVO (zuviel Aufwand für mich) keine Kommentare mehr gibt, will ich noch was nachreichen.

Als der Blogeintrg erschien, kommentierten auch jemand von den Krautreportern und fragt unter anderem „Warum machen Sie das?“ Da wurde mir gleich ein Interesse unterstellt. Anstelle einfach mal diesen Blogeintrag als “Kundenkritik” zu nehmen (Motto: A Customer is the most important person ever in this office — in person or by mail.)? Aber da zündete man lieber moralische Nebelkerzen mit Fragen wie eben “Warum machen Sie das?”

Nachtrag II: Es ging auch gar nicht darum, die von mir kritisierten Interviews zu verändern, sondern ggf. in den Randbemerkungen jeweils was richtig zu stellen, bzw. zu bestätigen. Wenn fefe behauptet, die Menschen würden immer ärmer, dann wäre ein “Stimmt, hier ist eine Statistik dazu” angebracht oder “Stimmt nicht, hier ist die Statistik” oder eben ein “Das ist knifflig, die Wirtschaftsprofessoren sagten uns unterschiedliche Dinge.” Ähnlich seine Behauptung “Es gibt überhaupt keine Bedrohung durch den Islamismus. Man kann es nicht nachweisen.” Stimmt das jetzt oder nicht? Muss ich jetzt selber recherchieren oder lasse ich das lieber (dauert lang und bringt mir wenig) und pflege lieber meine Vorurteile? Geht deutlich schneller.

Man muss auch nicht den Interviewpartner gleich widerlegen, das könnte auch gefährlich werden, oder doof, wenn man plötzlich kein Interview mehr hat, das man verkaufen kann, weil der Krach schon bei der ersten steilen These kam. Auch kann man nicht alles wissen, gerade wenn ein Gespräch vom Hölzchen aufs Stöckchen kommt. Aber man könnte es im Nachgang prüfen. Das hätte ich mir gerade bei den Sachen aus Israel und Palästina gewünscht. Um eben nicht am Ende wieder bei meinen eigenen Vorurteilen landen zu müssen.

“Im Internet” ist für Faktenchecks auch Platz, in der Zeitung leider nicht. “Papier ist geduldig, aber leider nicht unendlich”, sage ich immer gerne. Nutzt doch die Möglichkeiten, dass auf einer HTML-Seite viel Platz ist. Inzwischen versuche ich hier im Lokalteil bei meinen Artikeln kleine Hintergrundkästen dazuzupacken. Ist aber ein Platzproblem. (Z.B. war ich bei einer Schulstunde über Alternative Energien, da habe ich noch zu Wirkungsgraden und der “in 40 Jahren ist das Öl alle-These” was nachgeschaut. Da deckt das Honorar nicht unbedingt den Aufwand. Einfacher wäre es gewesen, die Zeilen durch ein paar weitere “O-Töne” zu füllen. Nur hat der Leser meiner Meinung nach davon eher wenig.