Gerichtsverhandlungen, die an einem Tag fertig sind, mag ich ja nicht. Weil da mit Anklage, Aussagen, Plädoyers und Urteil eigentlich viel zu viel passiert, als dass es in einen Zeitungsartikel passt – und ich bin ja nicht die Frau Friedrichsen, die im Spiegel 15.000 Zeichen Platz hat, sondern schreibe für den Lokalteil.
Gestern im Amtsgericht gab es eine Fortsetzung eines Falls aus 2010/2011. Eine Buchhalterin hatte 2007 und 2008 ihre Kirchengemeinde um mehrere 100.000 Euro gebracht und das Geld an zwei ihrer Töchter weitergegeben. Die eine wollte damit ihre Baufirma retten, allerdings verspielte sie auch große Teile in Spielkasinos – sie sagte, dass das der verzweifelte Versuch war, das Geld durch einen Jackpot der Mutter wieder zurückgeben zu können.
Vor einem Jahr war die Mutter auch von der Berufungsinstanz wegen Veruntreuung verurteilt worden (Echo online: Haftstrafe nach Unterschlagung Gericht – Ehemalige Buchhalterin einer Baptistengemeinde wird verurteilt) nun stand die 35 Jahre alte Tochter wegen Anstiftung vor Gericht.
Echo online: Veruntreutes Geld landet in Spielkasinos Gericht – Griesheimerin drängt Mutter zum Abzweigen von 270 000 Euro – Haftstrafe
Wofür leider kein Platz war, obwohl ich es so noch nicht erlebt hatte: Eigentlich sollte eine Absprache zwischen den Prozessparteien gelten: Geständnis und dafür gibt es zwei Jahre Haft auf Bewährung.
Aber, erste Überraschung: Die Staatsanwaltschaft erklärte, dass sie sich daran nicht gebunden fühle, es gebe auch gar keine Absprache. (Der Richter: „Das nehme ich staunend zur Kenntnis.“) Zweite Überraschung: Das Gericht sah im Laufe der Verhandlung neue belastende Tatsachen, sodass es dann selbst von der Absprache abrückte.
Für den Fall sieht das Gesetz eine abstrakte Situation vor: Das Geständnis gilt nicht und darf auch nicht verwertet werden. Die Angeklagte blieb aber trotzdem dabei und die Verhandlung wurde fortgesetzt. Allerdings blieb es nicht bei den ausgehandelten zwei Jahren, ausgesetzt zur Bewährung. Wegen Anstiftung zur Untreue verurteilte das Amtsgericht die geständige Griesheimerin zu zweieinhalb Jahren Haft.
Kritisch sah die Kammer, dass die Angeklagte, der der Gutachter Spielsucht attestiert hatte, noch keinen Therapieplatz hat. Ebenfalls negativ sah die Kammer, dass die Angeklagte im Juni 2012 versucht hatte, offiziell klingende „Gebühren“ für ein von ihr privat geschaffenes „Gewerberegister“ zu kassieren (das waren die neuen Tatsachen, weswegen die Kammer den Deal zurückzog). „Es ist klar, dass die Leute damit hinters Licht geführt werden sollten“, fand der Amtsrichter.
Und noch eine Überraschung (jedenfalls für mich): Die Mutter war Ende März 2012 wegen Untreue zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. Allerdings ist sie noch auf freiem Fuß. Es sei noch nicht entschieden, ob seine Mandantin haftfähig sei, erklärte ihr Verteidiger am Mittwoch und wies auf ihren schlechten Gesundheitszustand hin.