Da hat sich einer ein Foto von 2017 2014 der Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD) genauer angeguckt, eine Rolex entdeckt, das bei fb gepostet („Alles was man zum Zustand der deutschen Sozialdemokratie 2018 wissen muss“ und jetzt trendet #Rolex bei Twitter.
Tja, bei Sozialdemokraten – die ja für soziale Gerechtigkeit stehen – kommt Rolex nicht so gut. Eigentlich sollte es bekannt sein, aber bei Sozialdemokraten wird da schon immer genauer hingeschaut. Heiner Geißler hatte als CDU-Generalsekretär mal über „Salonsozialisten“ gespottet. Jede andere Nobel-Uhr wäre unauffälliger (oder als Understatement durchgegangen) aber eine Rolex ist in meiner Wahrnehmung erstmal das Symbol für eine Uhr, die sich Reiche oder Angeber – oder reiche Angeber – gönnen. Und Symbole gehören nunmal zur Politik, keinem wäre aufgefallen, wenn Frau Chebli sich alle halbe Jahr eine Swatch gegönnt hätte. Was am Ende teurer kommt als eine Rolex.
Solche Instinktlosigkeiten sind meiner Meinung nach einer der Nägel im Sarg der SPD neben Hartz IV und Riester. Das fing an, als Rot-Grün 2005 abgewählt war und einige Genossen nette Jobs in der Wirtschaft bekamen. Gerhard Schröder (verkürzt formuliert) kam zu Gazprom. Otto Schily und Wolfgang Clement kamen in Aufsichtsräte und einer wie der Staatssekretär Alfred Tacke kam zu einem Energieversorger. Einige Jahre später machte der Wirtschaftsweise Bert Rürup (auch ein Sozialdemokrat) als Pensionär eine Beraterfirma mit Carsten Maschmeyer auf, auch etwas seltsam rüberkam. Aber die Aufzählung hier ist unvollständig, mehr steht in der Lobbypedia.
Bei Schröder fanden das die Genossen auch noch gerissen, denn endlich hatte auch mal ein Sozi das geschafft, was sonst immer nur Freidemokraten und Unionschristen hinbekommen.
Aber auch andere machten wegen Geld beim Nageln am Sarg kräftig mit – mit Forderungen, die ich damals schon unpassend fand: Der ehemalige Bundesbankpräsident Ernst Welteke (SPD) fand 8000 Euro Pension pro Monat zu wenig, klagte und bekam schließlich 13.000 Euro im Monat – er hatte 24.000 Euro gewollt. Und Hans Eichel (Kasseler OB, hessischer Ministerpräsident und Bundesfinanzminister) waren 7100 Euro im Monat zuwenig, er klagte und bekam 9.600 Euro pro Monat. Natürlich waren die Klagen formell korrekt, aber es war auch mal der Kanzler Schöder gewesen, der noch 2004 eine „Mitnahmementalität“ kritisiert hatte.
Und als ein noch recht aktueller Nagel (diesmal in der Ecke Genossenversorgung) fällt mir Marc Jan Eumann ein. Der war in NRW Staatssekretär und sollte nach dem Regierungswechsel von Rot-Grün nach Schwarz-Gelb Direktor der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz werden (mit Qualifikationen, die in NRW nicht gereicht hätten). Er wurde es auch, aber nicht geräuschlos. Klar, formal korrekt, aber auch hier wieder mal ein SPDler beim Postengeschiebe voll mit dabei.
Nachtrag I: Ich habe Peer Steinbrück vergessen, der nach einer Zeit als Finanzminister Vorträge gehalten und dafür innerhalb von drei Jahren über eine Million Euro in Rechnung gestellt hat und es auch bezahlt bekam. Auch das zeigt mir, dass da ein Genosse die Bodenhaftung verloren hat. Eine Million Euro für Vorträge. Da muss man meiner Meinung nach als Sozialdemokrat sagen, dass etwas falsch in unserer Wirtschaftswelt läuft. Man muss ja nicht für lau auftreten und dabei Kosten haben. Aber dafür das zu bekommen, was andere in ihrem gesamten Arbeitsleben erwirtschaftet haben, da muss einem doch die Schieflage auffallen.
Nachtrag II: Manager Magazin: Wie Merkel, Steinmeier und Schäuble die Stunden zählen (da geht es auch für 150 Euro).
Nachtrag III: Es ist vermutlich nicht nur ein Edelticker bei der Staatssekretärin. Das auf dem Bild von 2017 ist eine Cartier für 9850 Euro.
(Ich muss ja sagen, dass mich der Kauf meiner Automatik-Uhr davon geheilt hat, dauernd neue billige Quarzuhren zu kaufen, um die Sammlung „abzurunden“. Denn damit die Automatik-Uhr nicht stehenbleibt, muss ich sie tragen und kann nicht laufend die Uhr wechseln. Nein, Uhrenbeweger sind dekadent.)
Nachtrag IV: Im Ursprungsposting ging es um eine SPD-Politikerin, die eine Rolex trägt. “Alles was man zum Zustand der deutschen Sozialdemokratie 2018 wissen muss”, hieß es als Kommentar zu einem Foto, das Sawsan Chebli mit Rolex zeigt.
Die gleiche Bemerkung kann man auch unter ein Alice Weidel-Foto schreiben, auf dem sie eine Cartier/Breitling/Rolex trägt. Oder unter ein Christian Lindner-Foto mit seiner IWC Portugieser (bei der Uhr glaube ich doch mal Focus Online).
Meine Antwort wäre übrigens bei allen die gleiche: So eine Uhr (und es ist in der Regel nicht nur eine Uhr), ist ein Indikator, wie weit jemand weg ist von den kleinen Leuten und dem normalen Leben.
Aber dann machten andere (vor allem die, die Sawsan Chebli beisprangen) eine Neid- und Rassismusdebatte auf. In der interessanterweise Linke so wirtschaftsliberal argumentierten wie Christian Lindner (dessen FDP doch in diesen Kreisen als neoliberale Kapitalismusanbetersekte gesehen wird).
Und die Diskussion, ob die SPD vielleicht deswegen ihre Probleme hat, weil ihr Personal (u.a. auch eine Staatssekretärin oder der Bundespräsident mit seiner Nomos Tangente) nicht mehr da ist, wo es (nach Sigmar Gabriel) „brodelt; da wo es manchmal riecht, gelegentlich auch stinkt“, fiel aus. Ob das der SPD hilft, ich weiß nicht.