Zweifelhafte „Fachzeitschriften“ die alles publizieren

Das „Farce“-Journal, von dem es nur ein Cover gibt, ist natürlich von mir frei erfunden genauso wie die Inhalte. Aber es gibt tatsächlich pseudowissenschaftliche Journals in denen alles mögliche scheinbar seriös publiziert wird, wie NDR, Süddeutsche und WDR zeigen. Die Grafik ist ein 3D-Modell des Proteins Myoglobin. Die Abbildung ist laut dem Autor AzaToth Public Domain und steht in Wikimedia Commons.

Zu meiner Zeit im Labor hatte ich ja mal gelästert, dass man doch Fachzeitschriften (Journals) mit Namen wie „Forum of Artifacts and kinky Experiments“ oder „Forum of Artifical Research and Contrived Experiments“ herausbringen sollte, damit man auch jeden Unsinn irgendwo publiziert bekommt. Dass die Journals abgekürzt FAKE und FARCE heißen würden, war natürlich Absicht, damit auch die stumpfsten Kollegen merkten, dass das ein Witz sein sollte. Aber witzig ist das eigentlich gar nicht, denn auf solche Fake-Journals mit entsprechend erfundenen oder schlechten Studien fallen auch Menschen herein, die glauben so ein neues Medikament gegen ihre Krankheit gefunden zu haben.

Heute habe ich nun mitbekommen, dass es solche Fake-Journals tatsächlich gibt. Die heißen natürlich anders, denn sie sollen seriös klingen. NDR, Süddeutsche Zeitung und WDR haben einiges recherchiert, beim NDR gibt es dazu einen sechsteiligen Podcast (alle Folgen stehen schon online, sie sind jeweils ca. 8-9 Minuten lang) und in der ARD kommt am Montag (23. Juli 21.45 Uhr) dazu die Dokumentation „Fake Science – Die Lügenmacher„. Diese „Verlage“ veröffentlichen auch jeden Blödsinn, wie zwei NDR-Journalisten herausfanden.

Das Interesse dieser Verlage, die alles veröffentlichen, ist die sogenannte „Publication Fee„, also die Gebühr, die man dafür zahlt, dass die Arbeit veröffentlicht wird. Und die Veröffentlichung ist im Sinne der Autoren. Diese Publication Fees zahlt man übrigens auch bei renommierten Journals. (Kleiner Exkurs: Was das für die zu einem doppelten Geschäft macht. Zum einen bezahlt die Uni die Gebühr und die Uni-Bibliothek das Zeitschriften-Abo. Aber da gibt es inzwischen Ärger. SpOn: Forscher-Aufstand gegen Großverlag; Hochschulrektorenkonferenz: Elsevier-Forderungen sind für die Wissenschaft inakzeptabel.)

Sueddeutsche.de: Tausende Forscher publizieren in Pseudo-Journalen – Mehr als 5000 deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben in den vergangenen Jahren in solchen pseudowissenschaftlichen Zeitschriften publiziert. Darunter sind auch (…) Wissenschaftler deutscher Hochschulen und Mitarbeiter von Bundesbehörden. (…) Auch Mitarbeiter von (…) Dax-Unternehmen tauchen auf den Seiten der Onlineverlage mit eigenen Artikeln oder Vorträgen bei Pseudokonferenzen auf.

HR-Info: Auch rund 70 hessische Wissenschaftler sind betroffen Laut der Recherche von ARD, Süddeutscher Zeitung und SZ-Magazin sind auch in Hessen mindestens 70 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Skandal verwickelt. Demnach tauchen unter anderem Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der TU Darmstadt, der Uni Kassel, der Goethe-Universität Frankfurt sowie von Pharmafirmen und Kliniken aus Hessen als Autoren in fragwürdigen Journals auf (…)

Würde das jetzt alles in der Scientific Community bleiben, wäre das im doppelten Sinne ein eher akademisches Problem. Aber die „Paper“ lesen auch andere, wie zum Beispiel die 2016 wegen Krebs gestorbene Moderatorin Miriam Pielau, die glaubte so ein Medikament gegen ihren Tumor gefunden zu haben.

Als sehr gut betrachtete wissenschaftliche Arbeiten (Papers) werden eigentlich (ich rede jetzt von Zellbiologie) in „Nature“, „Cell“ und „Science“ veröffentlicht. Bzw. die Forscher wollen sie dort gerne veröffentlichen. Aber die haben natürlich nicht genug Platz und sieben auch ganz kräftig aus. Jedoch gibt es ja auch noch ordentliche Journals wie das EMBO-Journal oder das Journal of Biological Chemistry (JBC) wo man seine Sachen unterbekommt und auch fachlich ernstgenommen wird.

Allerdings sollte man nicht glauben, dass das Peer-Review-System der großen und echten Journals wasserdicht ist. Da lesen Experten aus dem gleichen Forschungsgebiet die eingereichten Arbeiten und fordern bei Unklarheiten auch weitere Versuche. Und dennoch:

sueddeutsche.de: Mikroplastik-Studie nach Täuschungsverdacht zurückgezogen

laborjournal.de: Institutionen mit auf die Anklagebank

welt.de: So dreist wird in der Wissenschaft betrogen

deutschlandfunkkultur.de: Tricksen, täuschen, fabulieren

Und 20 Jahren waren Krebsforscher mit Unregelmäßigkeiten ziemlich vielen ihrer Publikationen aufgefallen:

DFG, 19. Juni 2000: Task Force legt Abschlußbericht vor – In mehr als zweijähriger Arbeit hat eine Untersuchungskommission unter Leitung des Würzburger Zellbiologen Professor Ulf R. Rapp im Auftrag der Gemeinsamen Kommission zur Aufklärung der Vorwürfe wissenschaftlicher Fälschungen insgesamt 347 Veröffentlichungen des zuletzt an der Universität Ulm tätigen Krebsforschers Friedhelm Herrmann untersucht. Die „Task Force F. H.“ genannte Untersuchungskommission kommt in ihrem jetzt vorgelegten Abschlußbericht zu dem Ergebnis, dass in insgesamt 94 Veröffentlichungen, bei denen Friedhelm Herrmann Co-Autor ist, konkrete Hinweise auf Datenmanipulationen zu finden sind. Die Hinweise auf Datenmanipulationen und wissenschaftliches Fehlverhalten ergaben sich vorrangig aus der Analyse der Abbildungen der Publikationen. Bei 132 Publikationen haben die Untersuchungen zur Entlastung geführt.

Nachtrag: Helmholtz-Gesellschaft hat reagiert. Sie nennt dies „Predatory Journals“ und „Predatory Conference Organisers“, sozusagen räuberische Journale und räuberische Konferenz-Organisatoren: Die FAQs zum Thema „predatory publishing“

Nachtrag II: Das Science Media Center gibt weitere Erläuterungen: Pseudo Journale – worum es sich handelt und wie die Wissenschaft gegensteuert

Nachtrag IIÏ:

SciLogs: Abzock-Zeitschriften, Datenauswertung Teil 1: Methoden, Ländervergleich, Gesamtzahl – (…) Ein kurzes Fazit der ersten Sichtung: Ich komme auf eine höhere Anzahl beteiligter deutscher Wissenschaftler, allerdings durchaus auf die gleiche Größenordnung. Insgesamt handelt es sich sowohl nach Zahl der Beteiligten als auch nach Zahl der Artikel offenbar um ein Randphänomen im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Das heißt nicht, dass man sich nicht damit beschäftigen sollte. Es heißt aber, dass man mit Verallgemeinerungen auf “die Wissenschaft” oder “den Wissenschaftsbetrieb” vorsichtig sein sollte. Meine Stichprobe ergibt keinen Hinweis darauf, dass Deutschland in punkto Predatory-Journal-Artikel besonders heraustechen oder gar eine Schlüsselrolle spielen würde, wie zum Teil in der Berichterstattung behauptet wurde.