Messerstechereien oder auch Schlägereien kommen öfters vor, aber am Ende haben die Zeugen nur wenig mitbekommen, weil das alles in der Regel überraschend eskaliert und dann sehr schnell abläuft.
Mittwoch war der erste Tag einer Landgerichtsverhandlung um eine Messerstecherei in einer Viernheimer Kneipe.
Starkenburger Echo: Messerstecher beruft sich auf Notwehr
Lampertheimer Zeitung: Plötzlich Messer gezogen
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K.o.-Tropfen-Einsatz war versuchter Mord?
Da war doch tatsächlich im Pressehinweis ein Fehler: Ein 46 Jahre alter Mann aus Bensheim ist wegen versuchten Mordes angeklagt, weil er im Mai zwei Frauen mit K.o.-Tropfen betäubt hatte. Im Pressehinweis stand versuchter Totschlag. Das klang ja nachvollziehbar, K.o.-Tropfen betäuben ja auch – aber versuchter Mord?
K.o.-Tropfen als Tatmittel lassen ja einen erstmal an sexuellen Missbrauch denken (§177 StGB, Absatz 3.2, Mindesstrafe drei Jahre) und darum ging es ja auch. Aber die Staatsanwaltschaft sah auch die Dosierung kritisch. Der Angeklagte hatte den beiden Frauen zuviel von dem Zeug heimlich ins Bier geschüttet.
Jedenfalls zuviel, um erst zu enthemmen, die Frauen wurden recht schnell ohnmächtig. Und bewusstlose Menschen sind gefährdet. Sie können beispielsweise erbrechen und daran ersticken. Das bezoge die Staatsanwaltschaft in ihre Überlegungen mit ein. Und so kam sie auf versuchten Mord. Denn zwei Mordmerkmale Heimtücke (K.o.-Tropfen) und Befriedigung des Sexualtriebs (§211 StGB) waren aus ihrer Sicht erfüllt. Und dann noch die Frauen bewusstlos auf der Straße abladen ohne für Hilfe zu sorgen.
Echo online: Frauen mit K.o.-Tropfen fast getötet – Anklage fordert neun Jahre Haft
Allerdings kann man den Fall auch der sexuelle Nötigung sehen und der Einsatz der K.o.-Tropfen kann wegen der „in die Gefahr des Todes“ bringen mindestens fünf Jahre bedeuten. Oder drei Jahre, wenn man die K.o.Tropfen als „Werkzeug oder Mittel“ sieht den Widerstand einer Person zu überwinden.
Und deswegen ist das mit einem Urteil auch nicht so einfach.
Warum man das Gericht auch Kammer nennt
Kaum laufen mal mehrere Prozesse mit Publikumsinteresse im Darmstädter Landgericht, wird es eng. Denn es gibt nur einen großen Saal. Und der wird zudem gebraucht, wenn es erhöhte Sicherheitsmaßnahmen gibt, denn er trennt mit einer Scheibe die Zuschauer vom Saal.
Gestern liefen beim Landgericht drei publikumsträchtige Verfahren: Der Prozess um den Tod des 29 Jahre alten Bensheimers Saremi, das Verfahren wegen der Schießerei in Rüsselsheim (Wie zuverlässig ist das Gedächtnis?) und der Wolski-Prozess.
Und damit ging es mir beim Saremi-Fall so, wie man es nicht mag: 30 Zuschauer, zwei Fernsehteams (vom gleichen Sender), vier Zeitungsreporter und das Risiko draußen bleiben zu müssen, wenn alle Sitzplätze belegt sind. Also wurde gedrängelt und geschoben als gestern mittag nach der Mittagspause die Tür für die Urteilsverkündung geöffnet wurde.
Jetzt ist jedenfalls klar, warum man das Gericht auch Kammer nennt. Wäre Platz, wäre das Synonym schließlich „Saal“.