„Liberty dies by inches“ heißt es auf Englisch, „die Freiheit stirbt zentimeterweise“.
Was damit gemeint ist, zeigt meiner Meinung nach sehr schön ein Entwurf einer Regelung, der zur Zeit für ORF-Mitarbeiter im Umlauf ist. Klingt alles schlüssig, hat es aber in sich, wenn man genauer darüber nachdenkt, was das für die Pressefreiheit in der Umsetzung bedeutet.
heute.at: Kritik an Politikern bald verboten – ORF-Mitarbeiter sollten „auch im privaten Umfeld“ auf folgendes verzichten: „Öffentlichen Äußerungen und Kommentare in sozialen Medien, die als Zustimmung, Ablehnung oder Wertung von Äußerungen, Sympathie, Antipathie, Kritik und „Polemik“ gegenüber politischen Institutionen, deren Vertreter/innen oder Mitglieder zu interpretieren sind.“
Ich befürchte, dass es in Österreich am Ende so läuft wie in Ungarn, und dass solche Regelungen ein Einstieg sind. Deswegen ja auch „by inches“, weil es scheibchenweise verläuft
„Reporter ohne Grenzen“ hatte im April 2018 an die Situation in Ungarn erinnert. Wirkt erstmal harmlos was da 2010 beschlossen worden war, aber wenn man das mal konsequent anwendet, wird es übel:
Reporter ohne Grenzen, 9. April 2018: Fehlende Pressefreiheit – Gefahr für Europa – Nach dem Wahlsieg der nationalkonservativen Fidesz-Partei in Ungarn ruft Reporter ohne Grenzen die Europäische Kommission auf, sich deutlich gegen die Aushöhlung der Pressefreiheit in dem EU-Mitgliedsstaat zu positionieren. (…)
Die Grundlage für die staatliche Dominanz des ungarischen Mediensystems hatte die Regierung von Viktor Orbán (…) 2010 gelegt: Sie brachte ein schwammig formuliertes Mediengesetz auf den Weg, das die Medien zu „ausgewogener Berichterstattung“ verpflichtet, welche die „nationale Identität“ stärken soll und weder die „öffentliche Moral“ noch die „menschliche Würde“ verletzen darf.
Die Regierung schuf die Nationale Medien- und Kommunikationsbehörde NMHH, deren Mitglieder ausschließlich sie selbst ernannte und die sie mit umfangreichen Kompetenzen ausstattete: Die NMHH ist nicht nur für den staatlichen Rundfunk zuständig, sondern für sämtliche in Ungarn erscheinenden Medien. Sie kontrolliert den Inhalt von Beiträgen auf „politische Ausgewogenheit“ und kann bei Verstößen hohe Geldstrafen verhängen.
MDR, 8. Mai 2018: Wie frei ist die Presse in Ungarn? – „Ich würde die Frage über Pressefreiheit anders stellen, nämlich, ob die Presse in Ungarn ihre zwei Hauptaufgaben erfüllen kann“, sagt András Pethő, Mitbegründer der regierungskritischen Online-Plattform ‚Direkt36‘. „Kann sie einerseits die Menschen ausgewogen und gründlich darüber informieren, was in ihrer Umwelt geschieht? Und: Ist sie fähig, die jeweiligen Machthaber zu kontrollieren? Darauf lautet meine Antwort nein.“
zeit.de: Kommentar von Florian Klenk, Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung „Falter“, der das Umfeld in Österreich schildert – Der ORF gerät aufgrund von Ausnahmeerscheinungen wie Armin Wolf aber immer stärker unter Druck der regierenden Koalition. So wird Wolf vom FPÖ-Chef und Vizekanzler Strache als Lügner diffamiert, der ORF als Fake-News-Plattform attackiert. Und die junge ÖVP unter Bundeskanzler Sebastian Kurz steht schweigend daneben, denn eine kritische Presse schätzt auch „der Basti“ nicht.