Flashback 2011: Grüne und CDU unterschreiben Koalitionsvertrag

Im Mai 2011 wurde die erste grün-schwarze Koalition für Darmstadt und in einer hessischen Großstadt vorgestellt. Ich hatte damals dazu etwas für die Bessunger Neuen Nachrichten geschrieben. Man kann jetzt ja schön vergleichen. Eine Sache aus dem Artikel hatte die Koalition nach der Haushaltsklausur dann auch kassiert, viel Spaß beim Suchen:

Am 20. Mai 2011 wurde bei strahlendem Sonnenschein auf dem Hofgut Oberfeld
die grün-schwarze Koalition besiegelt.

Drei Wochen grün-schwarze Koalitionsverhandlungen, drei Wochen ohne dass etwas in den Medien „durchgestochen“ wurde, endeten vergangene Woche Freitag (17. Mai 2011) mit der Koalitionsvertragsunterzeichnung auf dem Hofgut Oberfeld. Ähnlich wie die Ampelkoalitionäre vor fünf Jahren (damals im Darmstadtium) hatten die Grüne und CDU eine Baustelle – das Hofgut Oberfeld – als Unterzeichnungsort ausgewählt. Während die meisten Grünen-Vertreter mit dem Fahrrad in den Hofguthof fuhren, kamen die CDU-Vertreter durchweg zu Fuß – weil die Unionschristen ihre Autos auf dem Parkplatz außerhalb abgestellt hatten. Zwei Tage zuvor hatten Parteitage den Koalitionsvertrag einstimmig (Grüne) und bei zwei Gegenstimmen (CDU) abgesegnet.

„Kassensturz muss vorne stehen“
Ohne Haushaltskonsolidierung ist alles nichts, aber Haushaltskonsolidierung ist nicht alles, könnte man als Beobachter die Koalitionsübereinkunft sehen, die am Dienstag (14. Mai) vor der Centralstation vorgestellt wurde. CDU-Vorsitzender Ctirad Kotoucek: „Der Kassensturz muss vorne stehen.“ Jochen Partsch: „Wie müssen den laufenden Haushalt ausgleichen und wir brauchen ein belastbares Investitionsprogramm.“ Die anderen Punkte im Koalitionsvertrag seien gleichrangig zu betrachten erklärte Kotoucek, die Reihenfolge sei keine Prioritätenfolge.

ICE „entlang der Eschollbrücker Straße nicht richtig“
Was nicht kommt ist ganz klar die Nordostumgehung (NOU), was kommen soll ist die ICE-Vollanbindung. Aber nicht zu Lasten der Heimstättensiedlung, wenn man den designierten OB Partsch vor der Centralstation hörte: „Eine Führung entlang der Eschollbrücker Straße ist aus meiner Sicht nicht richtig.“ Unter anderem führe die auch durch ein Gewerbegebiet gab Partsch zu bedenken. „Es gibt Überlegungen zu anderen Trassenführungen“, kündigte er an, es gebe dazu Gespräche.
Auf der Vollanbindung durch Darmstadt fahrende Güterzüge sahen Partsch und Kotoucek gelassen. Das komme auf die Organisation an, meinte der Sozialdezernent, solche Baumaßnahmen ergäben neue Möglichkeiten für den Lärmschutz, erinnerte der CDU-Vorsitzende.
Mit dem für die NOU eingeplanten Geld, werde man Straßen sanieren, kündigten die Partner an. „Das ist aber mehr als Schlaglöcher sanieren“, betonte Förster-Heldmann. Es gehe auch um die Verkehrsströme und deren eventuelle neue Lenkung.

Freiwilliger Polizeidienst
Nicht durchsetzen konnte sich die CDU beim Freiwilligen Polizeidienst – dem Vernehmen nach ein bei vielen Grünen befürchteter Kompromiss. „Es wird keinen Freiwilligen Polizeidienst geben“, stellte Förster-Heldmann klar. Man wolle dem Ordnungsamt mehr Möglichkeiten geben, sagte Kotoucek. „Polizei und Ordnungsamt können Druck nicht lange aufrecht erhalten“, räumte Partsch für den Luisenplatz ein. Daher will er, um den Luisenplatz zurückzugewinnen, mit Streetworkern, Polizei Ordnungsamt und Citymarketing zusammenarbeiten. Eine konzertierte Aktion soll von Angeboten der Geschäfte begleitet werden, schlägt er vor.

Stadtteilbibliotheken
Die neuen Öffnungszeiten der Stadtteilbüchereien (zwei halbe Tage die Woche) werden vorerst bleiben, die CDU konnte sich mit ihre Forderung von vor der Wahl (alte Öffnunbgezeiten) nicht umsetzen. „Da geht es darum das Angebot zu erhalten und ehrenamtliches Engagement einzuarbeiten“, verwies die Grünen-Vorstandsprecherin auf den laufen Runden Tisch Stadtteilbibliotheken.

Bauverein wird nicht verkauft
Bei den städtischen Beteiligungen wird es keinen großen Kahlschlag geben. „Der Bauverein wird nicht verkauft“, sagte Grünen-Vorstandssprecherin Hildegard Förster-Heldmann. Man habe bei der Stadtwirtschaft eine besondere Verantwortung wies noch Sozialdezernent Partsch hin. „All das was hier steht, haben die Bürger mit ihren Steuern in den vergangenen 100 Jahren mit aufgebaut.“

Grünen-Inhalte für zwei Dezernate abgenickt?
Die rund 50-seitige Vereinbarung war noch nicht ganz aus dem Internet heruntergeladen, da kam schon erste Kritik von FDP, SPD sowie Industrie und Handeskammer (IHK). FDP-Fraktionsvorsitzende Sandra Klein kritisierte den Verzicht auf die Nordostumgehung, das Beibehalten der Kulturförderabgabe, die Darmbach-Offenlegung und die Grundsteuer-Erhöhung. Sie vermisste ein Bekenntnis zum Gymnasialstandort Darmstadt oder ein sicherheitspolitisches Konzept „Man muss sich fragen, was die Verhandlungsgruppe der CDU eigentlich gemacht hat, außer die Inhalte der Grünen abzunicken?“, wunderte sich die Fraktionsvorsitzende.

Ähnlich sieht es SPD-Partei- und Fraktionschef Hanno Benz. „Grüne und CDU haben keinen Koalitionsvertrag auf den Weg gebracht, sondern ein grünes Parteiprogramm vorgelegt, zu dem die CDU die Hand heben darf und als Lohn dafür zwei Dezernenten bekommt.“ Bis 2015 ein Haushalt ohne Netto-Neuverschuldung ist für Benz nichts neues. „Das war Bestandteil der Auflagen des Regierungspräsidiums.“

Nicht vorhandene Mittel verplant
Bemerkenswert findet Benz, dass ein Teil der Mittel, die für den Bau der Nordostumgehung vorgesehen waren, nun in ein Straßensanierungsprogramm fließen sollen. „Diese Mittel gibt es im Haushalt nicht, da sie bereits bei den Haushaltsberatungen 2010 auf Wunsch der Grünen herausgenommen wurden“, erinnerte der Parteivorsitzende. „Hier wird Geld verplant, dass es gar nicht im Haushalt gibt.“ IHK-Hauptgeschäftsführer Uwe Vetterlein lobte die geplante Haushaltssanierung. „Doch kann es nicht sein, dass die Koalition im gleichen Atemzug davon spricht, die Stadtwirtschaft weiter auszubauen.“ In Richtung Union fragte er, was die Alternative für die Nordostumgehung sei? „Darmstadt braucht eine Entlastung für die Innenstadt und für die 60.000 Einpendler.“

„Das geht so nicht“
Ulrich Pfeffermann, Vorsitzender der Darmstädter CDU-Mittelstandsvereinigung, kritisierte auf dem CDU-Parteitag den Koalitionsvertrag scharf. Dass Unternehmen Nachhaltigkeitsberichte anfertigen sollen, wies er mit einem „das geht so nicht“ als unzumutbare Wirtschaftsbelastung zurück. Wenn man, wie vereinbart, die Heag-Holding mit Wirtschaftsförderung beauftragt, „geben wir etwas aus der Hand“, warnte Pfeffermann davor, dass Holding-Vorstand Markus Hoschek in der SPD ist. Auch dass die Heag-Holding die Centralstation übernehmen soll, kritisierte Pfeffermann. „Seit wann macht die Holding Kultur?“
Eva Ludwig (CDU-Landtagsabgeordnete von 1994 bis 2003) fand es schwierig „die schwarzen Nähte im grünen Gewand“ zu finden. Wolle man wirklich 50 Prozent der Konversionsflächen Randgruppen zur Verfügung stellen, fragte sie auf dem Parteitag. Und es gebe vier Mal mehr Text zu Radfahr- als zu Autoproblemen, stellte sie fest. Aber eines war sich Ludwig auch sicher: „Grün-Rot wäre schlimmer gewesen.“