Im Neujahrsrückblick auf 1913 hatte das Deutsche Reich die Entsendung einer deutschen Militärmission nach Konstantinopel als prima Sache gesehen. Russland irgendwie nicht. Klar, denn die spechteten ja schon die ganze Zeit nach den türkisch kontrollierten Meerengen am Schwarzen Meer. Und ein schwaches Osmanisches Reich war da natürlich besser. Und jetzt kamen die Deutschen – auf der Suche nach Partnern.
Russland war nicht nur aus militärischen Gründen auf den Schwarzmeerausgang scharf, im Durchschnitt liefen zwischen 1903 und 1912 37 Prozent der russischen Exporte über Bosporus und Dardanellen, es war also auch eine Handelsstraße, die sie nicht unter Kontrolle hatten.
Der russische Botschafter in Paris, Alexander Iswolski, telegrafiert am 5.1.1914 seinem Zaren Nikolaus II., dass Frankreich bei der Lösung der Krise loyal zu Russland stehe. Und der russische Außenminister Sergei Sasonow plädiert in einer Denkschrift dafür, den Einfluss der Deutschen im Osmanischen Reich mit allen Mitteln zurückzudrängen. Mit allen Mitteln bedeutet hier auch Krieg.
Die Militärmission war am 28. Oktober 1913 vertraglich geregelt worden und am 9. Dezember vom Kaiser in einer Geheimaudienz verabschiedet worden. Als Ziele hatte Wilhelm II. Einfluss auf die türkische Armee und die Stärkung des militärischen Gleichgewichts gegenüber Russland genannt. 1912 war der englische Admiral Limpus mit der Reorganisation der osmanischen Marine beauftragt worden.
Die Liman-von-Sanders-Krise ist nach dem Chef der deutschen Militärmission, Otto Liman von Sanders, benannt. Er war am 14.Dezember 1913 nach Konstantinopel gekommen, um das osmanische Militär neu zu organisieren und übernahm wie vereinbart das Kommando über das türkische 1. Armeekorps um daraus ein Musterkorps zu formen.
Auf internationaler Ebene kommt es zu Beratungen und Mitte Januar wird es eines Konferenz geben.
Und mit ihm kommt der Darmstadtbezug: Otto Liman von Sanders war anfangs Fahnenjunker im Großherzogtum Hessen (stammte aber aus Pommern) und hatte seine erste Frau Amélie 1877 in Darmstadt geheiratet. Sie starb 1906. Als Otto Liman 1913 geadelt wurde, übernahm er als Adelsprädikat den Geburtsnamen seiner verstorbenen Frau.
1915 wird von Sanders als „Löwe von Gallipoli“ Angriffe der Entente auf die Halbinsel Gallipoli abwehren. Wo auch der spätere Gründer der modernen Türkei, Mustafa Kemal, Offizier war. Gallipoli war strategisch wichtig, es sollte die Basis für den Entente-Marsch auf die rund 260 Kilometer entfernte Hauptstadt Konstantinopel werden.
Im Arabischen Aufstand (1916-1918) war von Sanders zeitweise einer der Gegenspieler Lawrence von Arabiens, aber nicht so erfolgreich wie auf Gallipoli. 1918 brach die osmanische Front in Palästina zusammen, was das Kriegsende im Nahen Osten bedeutete.
Otto Liman von Sanders war zu Kriegsbeginn einer von drei drei deutschen Offizieren im Generals- oder Admiralsrang jüdischer Herkunft. Mit dem türkischen Kriegsminister Enver Pascha kam er nicht so klar, auch soll sich Mustafa Kemal den Gallipoli-Sieg auf seine Fahnen geschrieben haben.
Später soll Liman von Sanders der einzige deutsche Offizier gewesen sein, der in Smyrna (heute Izmir) Tausende von Armeniern rettete. Laut einer pro-armnischen Website aber nur, weil er befürchtete, dass nach dem Abzug der Armenier und Griechen die Versorgung seiner Truppen zusammenbrechen würde. Andere deutsche Offiziere sollen beim Genozid mitgemacht haben, so soll beispielsweise Oberst Graf Wolffskeel von Reichenbach in Urfa die türkische Artillerie geleitet haben, die das armenische Viertel beschoss.
Er schrieb über die Zeit auch ein Buch: Liman von Sanders – Fünf Jahre Türkei
Otto Liman von Sanders starb 1929 im Alter von 74 Jahren und wurde auf dem Alten Darmstädter Friedhof neben seiner Frau beerdigt.
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