9. Juli 1914 – Kieler Mieterverein gegründet und Österreich laviert

welt.de: Österreich kann sich auf keine Linie einigen Die Regierung kann sich nicht zwischen einem schnellen Militärschlag gegen Serbien und einem unannehmbaren Ultimatum entscheiden und fragt in Berlin nach.

Der Parteivorstand der österreichischen Sozialdemokraten tagt am 9. Juli 1914, aber die Ermordung des Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Frau sind kein Thema.

profil.at: Das Scheitern der Friedensparteien profil konnte jetzt die Protokolle der entscheidenden Sitzungen der österreichischen Sozialdemokraten in den letzten Friedenswochen des Jahres 1914 einsehen. Der Befund ist verblüffend: Die Spitze der großen Friedenspartei erkannte den Ernst der Lage viel zu spät. (…) Sie unterschätzten bis zuletzt die Gefahr eines Weltkrieges.

Kieler Nachrichten: Wut über Willkür und Wucher Krasse Wohnungsnot hatte zornige Kieler drei Wochen vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs zusammengebracht und angesichts von Mietwucher oder menschenunwürdigen Behausungen zum Handeln gezwungen: der Gründung des Kieler Mietervereins.

Der Vorwärts: Butter aus Muttermilch Eine Ungarin, deren Kind nach weniger Tagen starb, hat aus Not heraus ihre Muttermilch zu Butter verarbeitet und auf dem Markt verkauft.

8. Juli 1914 – Der ungarische Ministerpräsident widerspricht militärischen Plänen

kurier.at: Scharfe Töne – die Folgen des Attentats – Ungarns Ministerpräsident und Kriegsgegner Tisza teilt Kaiser Franz Josef schriftlich seine Bedenken gegen eine militärische Lösung mit und in serbischen und österreichischen Zeitungen gibt es scharf formulierte Artikel.

Echo online: Das geschah vor 100 Jahren – Waldbrände in Russland und der Kaiser reist nach Norwegen ab.

welt.de: Der britische Außenminister Edward Grey berät sich mit seinen Partnern – Während Frankreich auf Deeskalation setzt, will das Zarenreich unnachgiebig reagieren.

Kreuzzeitung: Die österreichisch-serbische Spannung In dem gestern in Wien zusammengetretenen gemeinsamen Ministerrat fand, wie ergänzend gemeldet wird, eine Beratung von Maßnahmen für die innere Verwaltung Bosniens und der Herzegowina statt.(…) Ein gegen Serbien gerichteter und im technischen Sinne als diplomatische Aktion zu bezeichnender Schritt sei nicht in Aussicht genommen.

Berliner Tagblatt: Probemobilisierung der englischen Flotte Insgesamt werden 493 englische Kriegsschiffe und Fahrzeuge Mitte des Monats mobilisiert werden. sie bilden 8 Geschwader von Linienschiffen, 1 von Schlachtkreuzern, 10 von Kreuzern, 13 Torpedozerstörerflottillen und 9 Unterseebootsflottillen. Hinzu kommen Minenleger, Kanonenboote und Hilfsschiffe.

Frankfurter Rundschau-Interview vom 18.12.2013 mit dem am 5. Juli 2014 verstorbenen Historiker Hans-Ulrich Wehler: Der Krieg war im Oktober 1914 verloren Deutschland hat als maßgeblicher Verbündeter Österreich-Ungarns diesem Staat das Grüne Licht für einen Schlag gegen Serbien und damit auch gegen dessen Hauptverbündeten Russland gegeben.

Die Presse: „Christopher Clark kann man nicht ernst nehmen“ – Der Historiker Dragoljub Zivojinovic von der Serbischen Akademie der Wissenschaften im Interview – Das Töten von politischen Führern, Kaisern, Königen, war nichts besonderes zu dieser Zeit, schon gar nicht am Balkan; Italiens König wurde 1900 getötet, der russischer Zar Alexander III, Sissi wurde ermordet, in Serbien König Alexander Obrenovic. (…) Franz Ferdinand wurde in seinem eigenen Staat von seinen eigenen Staatsbürgern getötet. Das war ziemlich klar, aber in Wien und Berlin hat man diese Situation einfach ausnützen wollen, um den Krieg anzufachen. Premier Pasic warnte sogar den österreichisch-ungarischen Finanzminister Billinski in Wien, dass etwas passieren könnte (…) 1910 war Franz Josef auf Besuch dort gewesen, und damals stand ein Soldat Schulter an Schulter mit dem nächsten.

7. Juli 1914 – Der Generalstab guckt auf russische Eisenbahnen

Der deutsche Generalstab aktualisiert seine Analyse zum russischen strategischen Eisenbahnprogramm und stellt fest, dass teilweise mehrgleisige Trassen aus dem Tiefen des Landes an den Grenzen zu Deutschland und Österreich-Ungarn zusammenlaufen.

Österreich-Ungarns Ministerrat ist mehrheitlich für einen Militärschlag gegen Serbien. Stabschef von Hötzendorf hatte zigmal die Jahre vorher einen Krieg gegen Serbien gefordert. Könnte jetzt aber gar nicht sofort loslegen, weil zu viele Soldaten auf Heimaturlaub in ihrer Landwirtschaft sind.

welt.de: Russland warnt Österreich-Ungarn, bremst aber auch Serbien

Blaue Narzisse: Historiker Sean McMeekin im Gespräch Es gab in allen der vier kontinentalen Hauptstädte, also Wien, Berlin, Petersburg und Paris, so etwas wie eine „Kriegspartei”. (…) Natürlich wollte Osterreich-Ungarns Außenminister Berchtold einen Waffengang mit Serbien nach den Ereignissen von Sarajevo. (…) Für meine Begriffe lag Berchtolds eigentliche Schuld in der ungeschickten Art seiner Diplomatie, dem Ultimatum und letztendlich der Kriegserklärung an Serbien (…) am 28. Juli 1914, einen Tag nachdem die Österreicher den Deutschen gestanden, sie könnten Serbien nicht vor dem 12. August angreifen!

6. Juli 1914 – Reise- und Flottenvorbereitungen

Anders als noch einen Tag zuvor, lässt Wilhelm II. nun doch mobilmachen, jedenfalls soll sich die Flotte vorbereiten, aber einen Krieg scheint man nicht zu sehen. Dann beginnt er seine übliche Sommereise nach Norwegen. Admiral Tirpiz ist auch im Urlaub.

welt.de: Neue verwirrende Nachrichten aus Potsdam „Russland werde für Serbien nicht eintreten, da der Zar die Königsmörder nicht stützen könne und Russland militärisch und finanziell nicht kriegsfertig sei.“ Das gelte auch für Frankreich.

Daher zeigte sich der Kaiser gewiss, dass die gegenwärtige Krise sich „in etwa acht Tagen klären werde“. Dennoch ordnete er an, dass die Flotte eine eventuelle Mobilmachung vorbereite – freilich „unter Vermeidung politischen Aufsehens“.

Verschwörungstheorien gab es auch schon vor 100 Jahren. Eine zu den Sarajewomorden war: Der wahre Attentäter sei ein illegitimer Sohn von Kronprinz Rudolfs gewesen, der Franz Ferdinand für den Mörder seines Vaters hielt.

Für die eher kleine Beerdigung Franz-Ferdinands und seiner Frau gibt es im Rückblick eine Erklärung.

nachrichten.at: Im Gewittersturm zur letzten Ruhestätte Mit dem späteren Gesamtblick des Historikers beurteilt Manfried Rauchensteiner das etwas differenzierter: „Auch das Ministerium des Äußeren wird in die Verantwortung mit einzubinden sein“, schreibt er. Denn es wollte in der aufdräuenden Krise „weder den Zaren noch den britischen König oder den französischen Staatspräsidenten in Wien haben.“

5. Juli 1914 – Hoyos-Mission und der Blankoscheck

Um Deutschland für seine Serbienbestrafungspläne zu gewinnen, schickte Österreich-Ungarn für den 5. und 6. Juli 1914 den Legationsrat Alexander Graf von Hoyos nach Berlin.

Die FR sieht schon in der Auswahl einen Trick (und später auch die Urlaubsreisen der Kaiser Wilhelm II. und Franz-Joseph als Ablenkungsmanöver.)

FR Online: Wien will den Krieg – Als Mann aus der dritten Reihe verkörperte er sozusagen die personifizierte Camouflage für das Ausland. Zugleich aber war er bei den politischen und militärischen Eliten Berlins „sehr gut bekannt für seine kriegerischen Umtriebe“, wie der Historiker Sean McMeekin schreibt.

Er kam mit dem sogenannten „Blankoscheck“ nach Wien zurück. Oder doch nicht? Die „Welt“ verweist auf verschiedene Deutungen der Gespräche:

welt.de: Wilhelms II. Blankoscheck, der gar keiner war – Falkenhayn fasste Wilhelms Worte anders zusammen. „Von einem kriegerischen Austrag“ spreche niemand; es sei der österreichischen Regierung nicht Ernst mit ihrer „immerhin entschiedeneren Sprache“

Wenn man dazu weiter liest, scheint es auch mit der deutschen Kriegslüsternheit (Kriegsrat 1912) nicht so weit zu sein. Oder man erkennt noch nicht die Chance? Hew Strachan sah 2004 in einem Spiegel Special das so:

Der Krieg des Kaisers: Die Teilnehmer am Kronrat legten eine Sorglosigkeit an den Tag, die mehr an grobe Fehlkalkulation als an einen großen Plan gemahnte, mehr an Pfusch als an Verschwörung. Kriegsminister Falkenhayn unterrichtete Moltke schriftlich über die Vorgänge, schrieb, eine eilige Rückkehr sei nicht nötig, und nahm Urlaub.

Wikipedia: Mission Hoyos – Audienz bei Kaiser Wilhelm Dennoch seien vor einem eventuellen Krieg noch zu viele Dinge zu klären, so dass in keinem Fall die nächsten Wochen eine Entscheidung bringen.[23] Als Falkenhayn ihn fragte, ob es notwendig sei, das Deutsche Heer zu mobilisieren oder zumindest bereitzuhalten, antwortete Wilhelm mit einem einfachen Nein.

Andererseits:

SpOn: „Ein schlimmer Tag für Deutschland“ – Admiral Alexander von Müller, der an der Reise teilnahm, schrieb in sein Tagebuch, auf der Fahrt von Potsdam nach Kiel sei die Lage „nach dem beabsichtigten Einmarsch der Österreicher nach Serbien“ im Speisewagen des kaiserlichen Sonderzuges „ununterbrochen“ diskutiert worden.

Und noch was zur Kriegsbegeisterung.

kurier.at – Treu an der Seite Österreichs: Kriegsbegeisterung war laut Historiker Dornik vor allem im städtischen Bürgertum, aus dem viele Redakteure kamen, weit verbreitet. Die Arbeiter und die arme Landbevölkerung waren hingegen wenig euphorisch.

Linktipps: 4. Juli 1914

Da ja keiner was aus dem kleinen Blog mit dem hübschen Namen „neun10vier10“ machen will, gibt es jetzt halt +/- regelmäßig Links zur damaligen Lage:

www.aera-magazin.de, Berliner Tagblatt vom 4. Juli 1914: Die Trauerfeier in Wien – Die Leichen des Erzherzogs und der Herzogin wurden abends 10 Uhr 50 Minuten in Begleitung des Hofstaates des Erzherzogs nach Groß-Pöchlarn übergeführt und werden mit der Fähre um 2 ½ Uhr nachts über die Donau nach Artstetten gebracht und in der Pfarrkirche aufgebahrt werden.

Und im nächsten Link wird erklärt, wer hinter diesen Nachtransporten steckte und dass das nicht alle gut fanden.

profil online: Trauerfeier für den ermordeten Thronfolger und seine Frau Ausländische Beobachter im nur sehr kurz geschockten Wien mussten den Eindruck gewinnen, die Attentäter von Sarajevo hätten ohnehin nur einen ungeliebten Außenseiter ermordet, die Aufregung werde sich bald legen.

welt.de: Frankreichs Staatspräsident vergleicht die Verschwörung gegen Franz-Ferdinand mit einem Einzelattentat Szécsen verstand, was Poincaré sagen wollte: Wien solle sich nicht so haben, es handele sich eben um einen bedauerlichen Zwischenfall.

NZZ: Zur Aktualität von 1914 – Die Rückkehr der Schlafwandler – Obwohl 2014 augenscheinlich wenig mit 1914 gemein hat, gibt es eine entscheidende Übereinstimmung: das Risiko, dass ein zunehmend komplexes sicherheitspolitisches und politisches Umfeld für Politiker von durchschnittlichem Format überwältigend ist. Bevor ihnen die Risiken bewusst werden, könnte die Lage ausser Kontrolle geraten.

FR online: Das Erbe des Ersten Weltkriegs – Die Ursachen für die Krisen und Kriege in den postimperialen Räumen der europäischen Peripherie gehen zurück bis auf den Ersten Weltkrieg.

28. Juni 1914 – Eine Granate und tödliche Schüsse auf den habsburgischen Thronfolger

Der 28. Juni 1914 war ein Sonntag: Der österreich-ungarische Thronfolger Franz-Ferdinand und seine Frau Sophie werden während eines Sarajewobesuchs gegen 10.45 Uhr angeschossen und sind eine Viertelstunde später tot.

Das Unglaubliche für mich an dem Attentat von Sarajevo vor genau 100 Jahren ist aber das Vorspiel und der Tagesablauf damals.

Der Besuchstag ist ein serbischer Gedenktag (Schlacht auf dem Amselfeld, 1389), Serbien ist eh scharf auf die Provinz, es gab Warnungen vor Attentätern (Nikola Pašić: Der serbische Premier, der mehr wusste, als ihm lieb war) und nachdem ein Attentäter sich nicht traute, und ein anderer gegen 10 Uhr eine Granate auf den Thronfolger in seinem Auto geworfen hatte (die dahinter explodierte), wurde der Besuch nach einer Pause fortgesetzt. Man änderte zwar die Route, aber das bekam Fahrer Leopold Lojka nicht mit, sodass bei einem Wendemanöver das Auto steht – und ein weiterer Attentäter, der schon aufgesteckt hatte, Franz-Ferdinand und Sophie tödlich verletzten kann.

Und: Franz-Ferdinands Frau war für die Habsburger von zu niederem Adel (auch wenn es böhmischer Uradel war), sodass sie am Hofe weitgehend unerwünscht und die Kinder von der Thronfolge ausgeschlossen waren. Während sie bei vielen Anlässen in Wien nicht dabei sein durfte, ausgerechnet in Sarajevo war sie dabei (der Tag war halt auch der Hochzeitstag).

13.6.1914 – „Russland ist bereit. Frankreich muss es auch sein.“

Am 13. Juni 1914 erscheint in den russischen „Börsennachrichten“ (Birschewija Wedomosti) ein Artikel, der die russische Armee als eine darstellt, die mit ihren 2,32 Millionen Soldaten Deutschland überrollen werde. Zudem habe der Ausbau der russischen Eisenbahn die Zeit für die Mobilmachung verkürzt. Alles unter der Überschrift: „Russland ist bereit. Frankreich muss es auch sein.“

Kaiser Wilhelms Kommentar:

„Na! Endlich haben die Russen die Karten aufgedeckt! Wer in Deutschland jetzt noch nicht glauben will, dass von Russo-Gallien mit Hochdruck auf einen baldigen Krieg gegen uns hingearbeitet wird (…), der verdient, umgehend ins Irrenhaus geschickt zu werden!“

26.2.1914 – Titanic Teil 3 kommt

Das Titanic-Schwesterschiff „Britannic“ läuft in Belfast vom Stapel. Auf Kiel gelegt war der Dampfer schon 1911, da war die  „Titanic“ noch gar nicht gesunken. Insgesamt waren es drei Schiffe, die zur sogenannten „Olympic“-Klasse gehörten, eben „Olympic“, „Titanic“ und „Britannic“. Genaugenommen müsste die Überschrift also „Titanic Teil 2“ oder „Olympic Teil 3“ lauten.

Die „Titanic“ sank 1912, die „Britannic“ lief 1916 auf eine deutsche Mine in der Ägäis und die „Olympic“ wurde 1935 abgewrackt.

Die Stewardess Violet Jessop (1887-1971) arbeitete auf allen drei Schiffen.

Und da es gerade um die „Titanic“ geht, sollte der Roman „Futility“ von 1898 noch erwähnt werden, da in dem Buch ein Passagierschiff namens „Titan“ vorkommt, das gegen einen Eisberg fährt und sinkt. Und es gibt noch mehr Parallelen. Das Buch gibt es online kostenlos bei ebooks.gutenberg.us (Allerdings lässt mich die Wikipedia-Inhaltszusammenfassung auf eine krude Handlung schließen.)