Vorgestern kam eine Presseeinladung der Darmstädter CDU rein. Dort wurde angekündigt, dass die Union am Montag was zu ihrem Oberbürgermeisterkandidaten sagen wird. Montag kam dann nach dem Termin (ich war nicht dort) eine Pressemitteilung der CDU:
Der Vorstand des CDU-Kreisverbandes Darmstadt hat am 7. Oktober nach intensiven Sondierungen beschlossen, zur Wahl des Oberbürgermeisters der Wissenschaftsstadt Darmstadt im März 2017 die Kandidatur des amtierenden Oberbürgermeisters Jochen Partsch zu unterstützen.
„nach intensiven Sondierungen beschlossen“ bedeutet für mich, dass die CDU keinen gefunden hat. Weder intern noch extern.
Hat die CDU keine guten Leute oder will keiner? Und es will auch keiner nach Darmstadt?
Mit Bürgermeister Rafael Reißer und Kämmerer André Schellenberg wären ja schonmal zwei aktive und hauptamtliche Mitglieder der Stadtregierung da. Und dann gibt es noch die Landtagsabgeordneten Irmgard Klaff-Isselmann und Karin Wolff. Karin Wolff war mal Kultusministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin, regieren wird sie können. Und dann wären da noch der ehrenamtliche Stadtrat Wolfgang Gehrke oder die Stadtverordneten Roland Desch und Wilhelm Kins. Gehrke war mal Bürgermeister in Darmstadt und Baudezernent in Fulda, später Chef beim TÜV. Und die beiden anderen haben in ihrem Berufsleben größere Behörden bzw. eine Versicherung geleitet. Ok, die drei sind über 60 Jahre alt.
Also ich sehe keinen Fachkräftemangel bei der CDU in Darmstadt. Eigentlich läge es ja nahe, dass der Bürgermeister antritt, zumal der ja 2011 auch für das Amt kandidiert hatte. Nur hatte Rafael Reißer in letzter Zeit etwas Pech.
Als er infolge einer Dienstreise des OB für einige Zeit „Commander in Chief“ war, verballerte er mal eben über 160.000 Euro – wir erinnern uns an das Stadtverbot für Eintrachtfans, das vor dem Verwaltungsgericht nicht zu halten war. Und dann ist Rafael Reißer noch Schul- und Sportdezernent, hängt also irgendwie bei der schleppenden Sanierung der Berufschulzentrum am Bürgerpark, dem verschleppten und nun deutlich teurerem Nordbadneubau und der zur Zeit ruhenden Stadionsanierung am Böllenfalltor mit drin. Alles keine Ruhmesblätter für einen Wahlkampf. Weswegen ich damals dann an André Schellenberg als CDU-OB-Kandidat dachte. Problem war halt nur, dass man damit als Partei zugeben könnte, dass man intern den Bürgermeister für nicht geeignet hält. Das hat man mit der Nummer „kein Kandidat“ geschickt umgangen.
Ok, bei den anderen habe ich keine Ahnung, warum die nicht wollen, vermutlich ist es ganz banal: Sie haben keine Lust auf den Job, der einem fast jeden Feierabend und jedes freie Wochenende verkürzt. Und zudem sehe ich für Jochen Partsch zur Zeit gute Chancen wiedergewählt zu werden, was dazu führt, dass keiner, der vielleicht noch Ambitionen hat, jetzt ohne Not eine Niederlage einfahren will. Die Frage bleibt, warum keiner von außen kommt. Will keiner? Traut sich die Darmstädter CDU nicht?
Oder ganz anders: Auch in der Darmstädter CDU gibt es ja Parteiflügel. Die waren nur nie so aufgefallen, weil die SPD-Flügelkämpfe hier viel heftiger waren. Und da die CDU bis 2011 kaum mitregierte, gab es für die Flügel auch nichts richtiges, um das man kämpfen konnte. Dass es jetzt keinen OB-Kandidaten gibt, könnte daher auch daran liegen, dass die Flügel sich nicht einig genug waren. Denn die Lager sind eher gleich stark.
Frage ist nur, ob Kandidatenverzicht der CDU was bringt? Ich glaube nicht. Kuschelkurs zahlt sich nicht aus. Der vom 2011 bis 2016 hat meiner Meinung nach unter anderem zu den Stimmenverlusten bei der Kommunalwahl geführt.
Wobei „der Wähler“ auch schwierig ist. Er mag keinen Zank, sieht Ruhe als Gemauschel, will sachorientierte Politik, aber macht vieles an Personen fest und Kompromisse gelten bei ihm gerne als „faulig“.
Echo online: CDU verzichtet auf eigenen Kandidaten zur Oberbürgermeisterwahl in Darmstadt