„Mit den historischen Bieren hat die moderne Brautechnik herzlich wenig zu tun“

Für Bier wurde vor 500 Jahren eine sehr strikte Zutatenliste erlassen.

Lebensmittel werden heutzutage industriell hergestellt, das ist nicht so mein Problem, nur sollte man dann eben auch nicht so tun als ob. Die Bilder auf den Packungen haben ja oft wenig mit der Wirklichkeit zu tun, selten stammen die Produkte von dem kleinen Bauernhof, der auf dem Logo nett gezeichnet ist. Ähnlich ist es beim Bier. Da ist nicht der eine Mönch, der das Bier braut.

Am Samstag hatte das Bierreinheitsgebot 500. Geburtstag. Nur Gerste, Wasser, Hopfen und Hefe dürfen die Rohstoffe sein.

Ein Blick auf eine Brauerei zeigt in der Regel technische Anlagen, denn Bier ist ein Produkt, bei dem Lebensmittel mehr oder weniger stark verarbeitet werden und bei dem einiges an Technik dahinter steckt. „Mit den historischen Bieren hat die moderne Brautechnik herzlich wenig zu tun“, sagt der Lebenmittelexperte Udo Pollmer.

Hefe kam erst später in die Zutatenliste, denn die hatte der bayrische Herzog Wilhelm IV. am 23. April 1516 nicht erwähnt, weil man nicht so recht die biochemischen Zusammenhänge kannte. Dass die Gesamtheit der Hefe an den Brauern damals vorüberging, glaube ich nicht, denn auch wenn eine Hefe mikroskopisch klein ist, auf einem Haufen (z.B. Hefewürfel) sieht man sie ja doch.

Und die „Designer-Hefen“ kannte der Herzog erst recht nicht. Laut Udo Pollmer werden für Biere speziell genetisch modifizierte Hefen eingesetzt, die nach dem Gesetz aber nicht als gentechnisch verändert gelten. Die andren Hefen – es sind um die 200 – sind auch nicht mehr der Pilz, der sie mal waren, es sind Reinzuchthefen.

Die Gerste, es gibt 40 Sorten, ist auch schon verarbeitet, die kommt als Malz (gekeimte und dann getrocknete oder geröstete Gerste ) ins Bier, und beim Hopfen gibt es 200 Sorten. Hopfen darf aber auch als mit Kohlendioxid und Ethanol vorbehandelter Hopfenextrakt verwendet werden.

Und dann gibt es einen ganzen Satz Zusatz- und Verarbeitungshilfsstoffe, die im Brauprozess verwendet werden dürfen, die dann im Endprodukt aber nicht mehr drin sind. Zum Beispiel: Algenmehl (Vorratsschutzmittel für Getreide), Hexan (Lösungsmittel für Hopfenextrakt) oder Schwefel (Verbesserung der Malzfarbe (Aufhellung), Vermeidung der Nitrosaminbildung bei Malz, Haltbarkeit des Rohhopfens). Und das Polyvinylpolypyrrolidon holt Schwebstoffe aus dem Bier. Es ist „unlöslich und bindet Gerbstoffmoleküle, die dann bei der Filtration samt des PVPPs entfernt werden“, so die Bierbrauer.

Ich finde das ja alles nicht weiter tragisch, Lebensmittel sollen ja in Ordnung sein und eine gut organisierte Herstellung trägt dazu bei, dass es auch immer (vielleicht auch stets langweilig) schmeckt – aber auf jeden Fall ess- und trinkbar ist. Nur sollte man nicht so idyllisch tun, wenn es um High-Tech geht.

Die Deutsche Unesco-Kommission hatte das mit dem High-Tech auch gemerkt, als Bierbrauen nach dem Reinheitsgebot als Kulturgut in das Bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen werden sollte.

unesco.de: Christoph Wulf, Vorsitzender des Auswahlgremiums – Das Bierbrauen nach dem Reinheitsgebot wurde in der dem Komitee vorliegenden Bewerbung leider nicht überzeugend dargestellt. Hier stand die Lebensmittelvorschrift zu sehr im Vordergrund. Wir hatten auch den Eindruck, dass die Bierproduktion inzwischen sehr industriell geprägt ist.

Es gibt inzwischen auch viele kleine Brauereien (Craft-Beer-Szene), die formell kein Bier brauen, weil sie eben noch andere Produkte neben Gerste, Wasser, Hopfen und Hefe verwenden. Die stören sich an dem Reinheitsgebot, weil es eben die ganzen Zusatzstoffe gibt, die die wiederum teilweise weglassen. Dann ist das Bier halt trüb und nicht so lange haltbar.

Wer sich über das Glas oben wundert: Das Bierglas oben ist ein Werbeglas, das an der Ecke Landwehr- und Kasinostraße hängt.