(PM Stadt Darmstadt) Am 25. März 1945 marschierten amerikanische Panzertruppen in Darmstadt ein und bescherten der stark zerstörten Stadt ein vorzeitiges Kriegsende.
Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte Darmstadt 115.000 Einwohner, zum Kriegsende lebten noch etwa 51.000 Menschen in Kellerhöhlen, Gartenhäuschen und den weniger zerstörten Vororten. Das öffentliche Leben war nahezu zum Stillstand gekommen. Die rund 200 in der Stadt und den Stadtteilen stationierten Soldaten und Volkssturmmänner hatten die an den Ausfallstraßen errichteten Panzersperren verlassen und sich in amerikanische Gefangenschaft begeben oder abgesetzt.
Auch die Vertreter des NS-Regimes waren geflohen: Gauleiter Jakob Sprenger und Oberbürgermeister Otto Christian Wamboldt nahmen sich in den folgenden Tagen das Leben, Kreisleiter Julius Schilling konnte nach Norddeutschland fliehen. Viele andere größere und kleinere Nationalsozialisten tauchten ebenfalls unter.
Die Aufgaben für die neue Stadtregierung waren gigantisch: 78 Prozent der Kernstadt waren vernichtet. Von rund 35.000 Wohnungen waren 16.000 völlig oder weitgehend zerstört, 6000 beschädigt. Ungefähr drei Millionen Kubikmeter Trümmerschutt bedeckten Straßen und Grundstücke. An einen Wiederaufbau war zunächst nicht zu denken. Die Stadtverwaltung musste reorganisiert werden. Die Besetzung der Amtsleitungen machte Mühe, weil kaum geeignetes Personal zur Verfügung stand. Viele ehemalige Beschäftigte waren tot, evakuiert, in Kriegsgefangenschaft oder als NS-Belastete entlassen worden. Große Anstrengungen erforderten die Ernährung und die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Aufgrund der Unterernährung vieler Menschen nahmen Mangelerkrankungen, Tuberkulose, Diphterie und Typhus zu.
Ein drängendes Problem war auch der Schulunterricht. Von den wenigen nicht zerstörten Schulgebäuden wurde ein Teil durch deutsche und amerikanische Behörden fremd genutzt. Der dennoch im Oktober 1945 beginnende Unterricht musste unter primitivsten Umständen und fast ohne Schulbücher und Lernmaterial im Mehrschicht-Betrieb durchgeführt werden. Hinzu kam ein Mangel an politisch nicht vorbelasteten Lehrern, der zum Teil durch die Beschäftigung von Nicht-Pädagogen ausgeglichen wurde.
Frühzeitig bemühte sich die Stadtverwaltung um einen Neubeginn des kulturellen Lebens. Schon im Herbst 1945 gab es die ersten Konzerte, Vorträge und Kunstausstellungen. Im Dezember 1945 konnte das Hessische Landestheater einen provisorischen Spielbetrieb in der Orangerie eröffnen. 1946 erfolgte die Gründung der „Ferienkurse für neue Musik“, die der nach 1933 verbotenen zeitgenössischen Musik wieder Gehör verschaffen sollten. Die Zusammenarbeit mit der Militärregierung erwies sich anfangs als schwierig. Die Militärverwaltung beschlagnahmte etwa ohne Rücksicht auf den starken Zerstörungsgrad der Stadt weit über 1000 Wohnungen für Militärangehörige, requirierte Wohnungsausstattungen und Alltagsgegenstände. Erst allmählich entspannte sich das deutsch-amerikanische Verhältnis und führte zu einer gedeihlichen Zusammenarbeit. Dazu trugen auch die Hilfsaktionen amerikanischer Wohltätigkeitsorganisationen bei.
Der amerikanischen Politik der „reeducation“, der Heranführung der Deutschen an die Demokratie, verdankten die Darmstädter die Einrichtung einer amerikanischen Bibliothek, aus der 1947 das Amerikahaus entstand. Im August 1948 initiierte die Militärregierung in Darmstadt, ein „Forum“, eine regelmäßig einberufene Bürgerversammlung, auf der Themen von politischer und gesellschaftlicher Relevanz, wie etwa Schulreform, Wiederaufbau oder der Fortbestand des Landestheaters von allen Teilnehmern diskutiert wurden. Jeder Darmstädter hatte die Möglichkeit, sich zu Fragen des öffentlichen Lebens zu äußern. Auf den Foren wurden Beschlüsse gefasst, die von der Stadtregierung berücksichtigt werden sollten, eine Form der Bürgerbeteiligung, wie sie erst in jüngster Zeit wieder aufgelebt ist. Das in den folgenden Jahrzehnten freundschaftliche Verhältnis zu den amerikanischen Soldaten und ihren Angehörigen kam in vielen gemeinsamen Aktivitäten zum Ausdruck. Zu nennen sind hier in erster Linie die deutsch-amerikanischen Freundschaftsfeste, die Deutsche und Amerikaner regelmäßig zusammen brachten. Vertreter der US-Army wirkten häufig auch bei Heinerfesten mit oder übernahmen den Bieranstich bei der Mess oder der Kerb, sie beteiligten sich an Grenzgängen. Insgesamt wich das anfangs angespannte Verhältnis einem friedlichen und freundschaftlichen Miteinander.