Luftholen, Taschentuch holen – Wenn die Notizen zu Gefühlen werden

Der Gedenkstein für Esther Seifert, die 1998 am Bahnübergang Forststraße von einem Zug erfasst und tödlich verletzt wurde.

Es gibt Momente, da sitze ich beim Artikeltippen und mir kommen die Tränen, die Nase läuft und ich bekomme einen Kloß im Hals. Weil, das was ich Stunden vorher notiert habe, in dem Moment ins Gefühlszentrum durchschlägt.

Edith Erbrich wurde noch im Februar 1945 mit ihrem Vater aus Frankfurt ins KZ Theresienstadt deportiert.

Ihr Vater habe zuvor frankierte Postkarten gekauft, beschrieb diese unterwegs und warf sie aus Schlitzen heraus. „Liebe Susanna, liebe Mutti, uns geht es gut, wir schaffen das schon“, habe er geschrieben.

Mit dem Wissen, wie es für Millionen Juden ausgegangen war, muss ich da immer schwer schlucken, wenn ich von dieser Hoffnung lese.

Ebenso geht es mir bei dem Satz Lilo Günzlers, die als Fünfjährige zusammen mit ihrer Mutter sah, wie im November 1938 die Frankfurter Synagoge brannte.

Andere, die auf die brennende Synagoge blickten, seien ganz still gewesen, schilderte sie. „Ich hatte Angst, Angst, dass die Mama wieder so schrecklich weint.“

Es ist nicht das Feuer der Bombennächte, was bei mir durchkommt, es ist Angst, dass die Mama wieder so schrecklich weint.

Und als ich abtippte, was der Vater Hans-Gunther Seifert als die letzten Momente seiner Tochter geschildert hatte, war es wieder soweit. Luftholen, Taschentuch holen. Seine Tochter Esther war am 4. Mai 1998 von einem Zug erfasst und tödlich verletzt worden.

Auf dem Gepäckträger ihres Fahrrades hatte sie das Anmeldeformular für die Pfingstfreizeit.

Hätte es damals schon die (jetzt, über 20 Jahre Jahre nach den ersten Überlegungen, eröffnete) Bahnüberführung an der Braunshardter Forststraße gegeben, wäre Esther Seifert heute 28 Jahre alt.