Die russischen Zeitungen folgen laut Christopher Clark der Regierung und sehen im Sarajewo-Attentat eine „rein innerösterreichische Angelegenheit“, weswegen es kein Verständnis für Schritte gegen Serbien gibt.
Das Außenministerium in Berlin will, dass sein Botschafter in England dafür sorgt, dass der Konflikt zwischen Österreich-Ungarn und Serbien „lokalisiert“ bleibt. Botschafter Max von Lichnowsky glaubt nämlich nicht, dass die Briten abseits stehen werden, wenn es zu einem Krieg kommt in dem Russland und Frankreich mitmischen.
welt.de: Vertrauensdefizite spalten deutsche Diplomaten – Ein unfreundliches Telegramm aus Berlin erregt den deutschen Botschafter in London. Die Zentrale legt ihn mit harten Worten auf eine Linie fest, von der er nicht überzeugt ist.
Die Berliner Sicht – oder wie er sie verstanden hat – gibt am 12. Juli der österreichisch-ungarische Botschafter Ladislaus von Szögyény-Marich nach Wien weiter. In der deutschen Regierung scheint sich die „besser jetzt als später“-Haltung auszubreiten. Und dass Russland nicht kriegsbereit wäre und Großbritannien nicht kriegswillig wegen eines Balkanlandes:
Deutschlands Stellungnahme in der jetzigen serbischen Krise: Dagegen glaube ich daß es doch einer gewissen Erklärung bedarf, daß die maßgebenden deutschen Kreise und nicht am wenigsten Seine Majestät Kaiser Wilhelm selbst uns – man möchte fast sagen – geradezu drängen, eine eventuell sogar kriegerische Aktion gegen Serbien zu unternehmen. (…) Für die Wahl des jetzigen Zeitpunktes sprechen nach der deutschen – von mir übrigens vollkommen geteilten – Auffassung allgemein politische Gesichtspunkte und spezielle, durch die Mordtat in Sarajevo sich ergebende Momente.
Deutschland ist in letzter Zeit in seiner Überzeugung bestärkt worden, daß Rußland zum Kriege gegen seine westlichen Nachbarn rüstet und denselben nicht mehr als eine zukünftige Möglichkeit betrachtet, sondern direkt in sein politisches Zukunftskalkül eingestellt hat. Doch nur in sein Zukunftskalkül, daß es also den Krieg beabsichtigt und sich mit allen Kräften dafür rüstet, ihn aber für jetzt nicht vor hat oder, besser gesagt, für den gegenwärtigen Augenblick noch nicht genügend vorbereitet ist.
Daher ist es absolut nicht ausgemacht, daß, wenn Serbien in einen Krieg mit uns verwickelt wird, Rußland demselben mit bewaffneter Hand beistehen würde, und sollte das Zarenreich sich doch dazu entschließen, so ist es zur Zeit noch lange nicht militärisch fertig und lange nicht so stark, wie es voraussichtlich in einigen Jahren sein wird.
Weiters glaubt die deutsche Regierung sichere Anzeichen dafür zu haben, daß England sich derzeit nicht an einem wegen eines Balkanlandes ausbrechenden Kriege, selbst dann nicht, wenn er zu einem Waffengang mit Rußland, eventuell auch Frankreich, führen sollte, beteiligen würde. Nicht nur, daß sich das englisch-deutsche Verhältnis so weit gebessert hat, daß Deutschland eine direkt feindliche Stellungnahme Englands nicht mehr befürchten zu müssen glaubt, sondern vor allem ist England zur Zeit nichts weniger als kriegslüstern und gar nicht gewillt, für Serbien oder im letzten Grunde für Rußland die Kastanien aus dem Feuer zu holen.
Der deutsche Botschafter in London wird noch am 28. Juli davor warnen, dass der Krieg nicht lokalisierbar sei und schrieb später ein Memorandum (das durchgesickert war und natürlich dann auch auf englisch erschien.)