Das Ende des letzten Zaren vor 100 Jahren

Wo der russische Zar war, stand nachher eine Kirche, könnte man meinen. Die Kapelle auf dem Foto ist die russische Kapelle auf der Darmstädter Mathildenhöhe. Sie war die Hauskapelle des Zaren Nikoluas II., wenn er seine Verwandschaft in Darmstadt besuchte.

„Wie? Was ist los?“ soll der letzte russische Zar gefragt haben, als der Jekaterinburger Sicherheitschef Jakow Jurowski folgendes erklärt hatte: „Angesichts der Tatsache, daß Ihre Verwandten in Europa die Aggression gegen Sowjetrußland fortsetzen, hat das Ural-Exekutivkomitee beschlossen, Sie zu erschießen.“

Das war vor 100 Jahren in der Nacht vom 16. auf den 17. Juli 1918 in Jekaterinburg. Zar war Nikolaus II. seit der Revolution im März 1917 schon nicht mehr, er hatte abgedankt und war mit Frau und Kindern gefangen genommen worden. Angeblich hatte er die Lage entspannt gesehen und war tatsächlich überrascht, als er erfuhr, dass er jetzt sterben wird.

Der Historiker Martin Aust geht davon aus, dass die Bolschewiki die Zarenfamilie töten ließen, um einen „Unsicherheitsfaktor“ zu beseitigen, da ihre Macht noch nicht gesichert war. Es gab Unruhen unter den Arbeitern, einen Bürgerkrieg mit Konterrevolutionären „Weißen“ Truppen und mit dem Frieden von Brest-Litowsk waren auch nicht alle in Russland einverstanden. Zudem standen „Weiße“ Truppen vor Jekaterinburg und die hätten die Zarenfamilie befreien können. Acht Tage später eroberten diese die Stadt und begannen den Tod des Zaren zu untersuchen.

Der Ort an dem die Familie umgebracht wurde, war ein Haus, dass dem Ingenieur Nikolai Ipatjew gehört hatte. Es wurde später ein Denkmal der Revolution, aber russische Monarchisten sahen in dem Ort eine Gedenkstätte, so dass der damalige Parteisekretär Boris Jelzin (ja, der) das Haus 1977 abreißen ließ. Inzwischen kann man den Ort noch besser finden, 2003 wurde dort die „Kathedrale auf dem Blut“ gebaut.

Und am Ort, 15 Kilometer entfernt von Jekaterinburg, wo die Toten verscharrt wurden, steht inzwischen das „Kloster der heiligen Zaren-Märtyrer„.

Den Deutschen (die Zarin war ja die hessische Prinzessin Alix) erzählten die Bolschewiki übrigens, dass die Zarin und die Kinder noch leben würden. 1924/25 erschien aber dann das Buch des Ermittlers Nikolai Sokolow, der zu dem Schluss gekommen war, dass Zar und Familie tot seien. Was die Zarenmutter, die erst 1928 starb, aber nie glauben wollte.

Echo online: Vor 100 Jahren wurde die Darmstädter Prinzessin Alix ermordet

SWR2: Sehnsucht nach dem Zaren – Russland zwischen Patriotismus und Propaganda

Eine Diskussion (44 Minuten) mit Prof. Dr. Jörg Baberowski, Osteuropa-Historiker, Humboldt-Universität Berlin, Katja Gloger, Autorin und Korrespondentin beim „Stern“ und Prof. Dr. Nikolaus Katzer, Deutsches Historisches Institut, Moskau.