Es wird schwieriger mit den verkaufsoffenen Sonntagen, da die Sonntagsöffnung eindeutig ein zusätzliches Angebot zu einer Veranstaltung sein muss, die von sich aus schon viele Menschen anzieht. Die aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichts (s.u.) betrifft zwar Neu-Isenburg, aber ich vermute, die lässt sich auch auf andere Kommunen übertragen.
Ich gehe sogar davon aus, dass künftig vor allem die kleinen Städte so ihre Schwierigkeiten mit dem „Anlass“ haben, der viele Menschen anzieht und gleichzeitig erlaubt Einkaufszentren auf der sogenannten Grünen Wiese aufzumachen. Auch weil Anlass (z.B. Kerb oder Festival) und Läden nicht unbedingt nebeneinander liegen.
(PM Verwaltungsgericht Darmstadt) Die von der Stadt Neu-Isenburg ausgesprochene Genehmigung, die Verkaufsstellen in der Bahnhofstraße, Frankfurter Straße und Hermesstraße anlässlich des Kinderfestes am Sonntag, dem 5. Juni 2016, offen zu halten, ist offensichtlich rechtswidrig. Dies hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Darmstadt in ihrem Beschluss vom 2. Juni 2016 (Az. 3 L 1195/16.DA) entschieden und damit einem von der Gewerkschaft ver.di gestellten Eilantrag stattgegeben.
In der Begründung der Entscheidung heißt es unter Berufung auf die höchstrichterliche Rechtsprechung im Wesentlichen, die Regelungen des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes (HLöG) ließen nur in begrenzter Zahl und auch nicht aus beliebigem Anlass Ausnahmen von dem in § 3 Abs. 2 Nr. 1 HLöG enthaltenen grundsätzlichen Gebot zu, Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen geschlossen zu halten. Damit komme der Gesetzgeber seinem objektivrechtlichen Schutzauftrag für die Sonn- und Feiertage aus Art. 140 Grundgesetz i.V.m. Art. 139 der Weimarer Reichsverfassung sowie Art. 31 Satz 2 und 3, 53 Hessische Verfassung nach. Dieser verpflichte ihn, Sonn- und Feiertage erkennbar als Tage der Arbeitsruhe zu schützen und Ausnahmen nur bei einem diesem Sonntagsschutz gerecht werdenden Sachgrund zuzulassen. Ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und ein alltägliches Erwerbsinteresse („Shopping-Interesse“) genügten grundsätzlich nicht. Eine Ausnahme könne nur hingenommen werden, wenn die Ladenöffnung von geringer prägender Wirkung für den öffentlichen Charakter des Tages sei. Die Veranstaltung müsse deshalb die „Hauptsache“ sein und die Sonntagsöffnung lediglich der „Nebeneffekt“. Nach einer neueren Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom November 2015 sei nicht nur erforderlich, dass die Festveranstaltung für sich genommen einen starken Besucherstrom auslöst, sondern es müsse auch ausgeschlossen sein, dass daneben die Ladenöffnung den öffentlichen Charakter des Tages maßgeblich prägt. Letzteres sei bei der geplanten Ladenöffnung aber der Fall. Nach dem Vortrag der Stadt und den eingereichten Unterlagen könne nicht angenommen werden, dass das Kinderfest auch ohne Öffnung der Verkaufsstellen eine ausreichende Attraktivität aufweise, um einen beträchtlichen Besucherstrom auszulösen und den hauptsächlichen Grund für den Aufenthalt der Besucher darzustellen.
Die Antragsgegnerin habe hierzu keine realistische Prognose hinsichtlich des zu erwartenden Besucheraufkommens vorgelegt. Eine prägende Wirkung des Kinderfestes für den öffentlichen Charakter des Tages, die die Ladenöffnung lediglich als Nebensache erscheinen ließe, könne daher nicht festgestellt werden.
Auch bei einem Vergleich der Veranstaltungsfläche mit den betroffenen Verkaufsflächen dränge sich der Kammer der Eindruck auf, dass nicht das Kinderfest, sondern die Sonntagsöffnung die Veranstaltung präge. Denn die von der Ladenöffnung betroffenen Verkaufsflächen überstiegen die Fläche des Festes erheblich. Daran ändere auch nichts die Tatsache, dass die Ladenöffnung auf die Bahnhofstraße, Frankfurter Straße und Hermesstraße räumlich begrenzt worden sei.
Auch die Beschränkung der Ladenöffnung auf Verkaufsstellen mit kinder- und familienbezogenem Sortiment führe nicht zu dem erforderlichen Bezug der Anlassveranstaltung zur Ladenöffnung und dazu, dass der Ladenöffnung die wesentliche Prägung des Sonntags genommen werde. Denn die Regelung sei zu unbestimmt. Es sei nicht erkennbar, ob unter „Verkaufsstellen mit kinder- und familienbezogenem Sortiment“ alle Verkaufsstellen gemeint seien, die ein solches Sortiment im Angebot haben, ob dann nur einzelne Abteilungen mit diesem Sortiment öffnen dürften oder ob nur das Hauptsortiment gemeint sei. Außerdem sei die Formulierung so weit gefasst, dass letztendlich ein Bezug zu allen Waren hergestellt werden könne. Eine taugliche thematische Beschränkung auf bestimmte Handelszweige liege damit nicht vor.
Der Beschluss trägt das Aktenzeichen 3 L 1195/16.DA. Gegen den Beschluss kann seitens der Antragsgegnerin Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel erhoben werden.