Verwickeltes: Die Stadtregierung verweist bei den Defizitursachen auf äußere Umstände. Warum ist aus CDU-Sicht das Darmstädter Haushaltsdefizit trotz Weltwirtschaftskrise hausgemacht?
André Schellenberg: Die Ursache ist, dass die politisch Verantwortlichen seit vielen Jahren eine Politik auf Pump betreiben. Der Schuldenberg ist nicht durch unvorhergesehene Ereignisse entstanden, sondern durch eine nachlässige Finanzpolitik kontinuierlich angewachsen. Selbst in Jahren, in denen die Stadt sehr gute Steuereinnahmen und Sondererlöse aus Unternehmensverkäufen hatte, ist es nicht gelungen, die Schulden abzubauen.
Verwickeltes: Woran lag das?
Schellenberg: Die Folgekosten von Großprojekten hat der SPD-geführte Magistrat nicht ordentlich ermittelt. Hinzu kamen Fehlplanungen.
Verwickeltes: Welche Projekte sind teurer geworden als gedacht?
Schellenberg: Beim Darmstadtium haben Oberbürgermeister Walter Hoffmann und Kämmerer Glenz den Zuschussbedarf jahrelang verniedlicht und von vergleichsweise geringen Summen gesprochen. Heute wissen wir, dass uns das Kongresszentrum weit mehr kostet, nämlich rund vier Millionen Euro Zuschuss im Jahr. Dabei sind die Abschreibungen – das Gebäude wird ja auch älter und muss irgendwann saniert werden – noch nicht mit eingerechnet. Diese belaufen sich auf rund drei Millionen Euro zusätzlich, so dass das Darmstadtium einen jährlichen Gesamtverlust von über sieben Millionen Euro verursacht. Und bei seinem Verkehrsprojekt „Neue Wege in Arheilgen“ hat sich SPD-Baudezernent Dieter Wenzel total „verplant“. Es ist um rund 20 Millionen Euro teurer geworden.
Verwickeltes: Aber aller kann man doch nicht einplanen oder vorbereiten, wie beispielsweise Straßenschäden durch einen harten Winter.
Das sind die Folgen jahrelang unterlassener Instandhaltungen – auch bei Schulen und anderen Gebäuden. So etwas rächt sich mit immens höheren Folgekosten. Wer wie Baudezernent Wenzel kleine Schlaglöcher in der Fahrbahndecke ignoriert, muss sich nicht wundern, wenn irgendwann die gesamte Straße inklusive Unterbau für weitaus mehr Geld saniert werden muss.
Verwickeltes: Wo sind aus ihrer Sicht Einsparpotenziale?
Schellenberg: Es gibt kein Personalentwicklungskonzept bei der Stadt oder kein wirksames Konsolidierungsprogramm. Und ein Querverbund der städtischen Betriebe könnte helfen Steuervorteile zu nutzen. So aber wurden sehenden Auges mehr als 600 Millionen Euro Schulden aufgebaut. Die Stadt muss dafür jedes Jahr mehr als 30 Millionen Euro Zinsen an die Banken bezahlen. Das Geld für die Zinsbelastungen steht nicht für sinnvolle Maßnahmen zur Verfügung und belastet den städtischen Haushalt enorm.
Verwickeltes: Was könnte man mit den 30 Millionen machen?
Schellenberg: Für das Geld könnte die Stadt rechnerisch jede Woche zwei Einfamilienhäuser bauen. Das ist fünf Mal soviel, wie jährlich für die Schulsanierung benötigt würde oder fünfzehn Mal soviel, wie für den Straßenerhalt benötigt würde.
Verwickeltes: Wo wollen sie noch kürzen oder sparen?
Schellenberg: Die CDU hat beispielsweise auch ein Energiemanagement für städtische Liegenschaften – wie Verwaltungsgebäude und Schulen – beantragt. Die Stadt Frankfurt spart durch gezielte Maßnahmen beim Energie- und Wasserverbrauch jedes Jahr Millionen. Nicht zuletzt muss man die städtischen Mitarbeiter beim Sparen einbinden. Mit rund 100 Millionen Euro sind die Personalkosten ein wichtiges Thema. Es gilt hier nach gemeinsamen Möglichkeiten zu suchen.
Verwickeltes: Gehören zu einem CDU- Personalentwicklungskonzept auch Kündigungen?
Schellenberg: Anders als für Teile der FDP kommen für uns keine betriebsbedingten Kündigungen in Frage. Vielmehr muss ein Personalentwicklungskonzept her, das diesen Namen auch verdient und den Mitarbeitern Möglichkeiten aufzeigt, wie die Stadtverwaltung motivierter und kostengünstiger arbeiten kann. Für CDU gehören auch Anreizmechanismen wie Leistungszulagen und Prämien zu einer sinnvollen Personalentwicklung.
Verwickeltes: Mehreinnahmen sind eine andere Möglichkeit gegen klamme Kassen. Haben Sie da Vorschläge?
Schellenberg: Da gibt es viele Möglichkeiten. In den Gewerbeflächen liegt eine große Chance für den Wirtschaftsstandort Darmstadt. Eine andere bietet sich durch die ehemaligen US-Kasernen. Hier lebten zeitweise bis zu 10.000 Amerikaner. Es muss gelingen, diese Flächen zügig für Wohnbebauung und Gewerbe nutzbar zu machen. Die CDU fordert, dass das schneller gehen muss. Wenn es gelänge, einem Teil davon attraktive Wohnmöglichkeiten in Darmstadt zu bieten, würde man das unmittelbar im Stadtsäckel spüren. Ein Teil der Einkommenssteuer bleibt nämlich bei der Kommune und die Stadt erhält auch je Einwohner mehr Zuweisungen vom Land Hessen.
Die Stadt verliert zudem Millionenbeträge, weil Schuldner der Stadt Rechnungen nicht bezahlen. Da das Forderungsmanagement der Stadt mangels Personals nicht funktioniert, müssen die offenen Forderungen abgeschrieben werden. Dies erleben wir Jahr für Jahr.
Und wer sich wundert, wo die Nordostumgehung geblieben ist: Das Interview war davor gemacht worden, erschien dann aber nicht wie von mir erwartet in einem Stadtteilblättchen.
Ach ja, das Interview ist natürlich exklusiv.
Und wurde gemacht, als das Blog noch „Verwickeltes“ hieß.